Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Einigung im Zulieferstreit von VW
Ende eines beispiellosen Machtkampfs

Der Streit zwischen dem Volkswagen-Konzern und zwei Zulieferern ist beigelegt. Offen ist gleichwohl, wie der Weltkonzern künftig mit den Partnerfirmen umgehen wird. Beide seien aufeinander angewiesen, betont der Verbandschef von NiedersachsenMetall. Eine Zusammenarbeit in dieser Intensität gebe es in kaum einer anderen Branche.

Von Alexander Budde | 23.08.2016
    Das VW-Logo an einem Fahrzeug.
    Auslöser des Lieferstopps soll eine von VW gekündigte Entwicklungskooperation mit der Prevent-Gruppe gewesen sein. (picture alliance / dpa / Michael Reynolds)
    Am Ende eines fast 20-stündigen Verhandlungsmarathons die ganze Nacht hindurch stand eine Erklärung in dürren Zeilen: Der Streit um ausstehende Lieferungen sei beigelegt. Im Übrigen hätten sich beide Seiten auf die Vertraulichkeit ihrer Vereinbarungen geeinigt. Tatsächlich dürften weder Volkswagen noch die beteiligten Firmen der Prevent-Gruppe ein Interesse daran haben, dass Details darüber herausdringen, welche Seite der anderen wohl entgegengekommen ist und was konkret herausgeschlagen wurde. Vonseiten der Zulieferer sickerte durch, die Unterhändler hätten "eine langfristige Perspektive" vereinbart. Fraglich ist gleichwohl, wie der Weltkonzern künftig mit den Partnerfirmen umgehen wird.
    Fakt ist: Mit der Einigung endet ein beispielloser Machtkampf, der den Weltkonzern Volkswagen mitten in der Aufarbeitung der Abgasaffäre in eine weitere tiefe Krise stürzte. Längere Produktionsausfälle und damit Kurzarbeit bleiben dem Autobauer erspart.
    Getriebeproduktion wieder hochgefahren
    Die Versorgung der VW-Werke mit Getriebeteilen und Sitzbezügen soll von den Firmen ES Automobilguss und Car Trim zügig wieder aufgenommen werden. Bereits gegen Mittag verließen die ersten LKW von Volkswagen das Betriebsgelände der ES Automobilguss im sächsischen Schönheide. Am Standort Kassel ließ der VW-Konzern seine Getriebeproduktion wieder hochfahren.
    Nach und nach sollen die bis zu 28.000 betroffenen VW-Mitarbeiter wieder wie gewohnt ihrer Arbeit nachgehen können. Niedersachsens Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil (SPD) begrüßte die Einigung, kritisierte aber auch die beteiligten Unternehmen:
    "Es ist gut, dass eine Regelung gelungen ist. Darüber freue ich mich, aber bei mir bleibt auch ein großes Unbehagen, warum auf diese Art und Weise so große wirtschaftliche Konsequenzen in Kauf genommen worden sind, so viele tausend Menschen letztendlich in Angst und Schrecken versetzt wurden, was ihre Arbeitsplätze angeht."
    Konflikte mit Prevent-Gruppe waren Auslöser
    Auslöser des Lieferstopps soll eine von VW gekündigte Entwicklungskooperation mit der in zahlreiche Unterfirmen verzweigten Prevent-Gruppe gewesen sein. Die Firmen waren in Vorleistung getreten und forderten einen Teil der Ausgaben zurück, als es zum Projekt nicht mehr kam. Konflikte mit Prevent soll es aber auch an anderen Schauplätzen wie etwa in Brasilien gegeben haben. Völlig unverständlich sei, so kritisiert Weil, warum die Zulieferfirmen, die sich wegen einer von VW gekündigten Entwicklungskooperation benachteiligt fühlten, nicht bereit gewesen sein, die Klärung vor Gericht zu suchen:
    "Das ist ein, wenn ich das recht sehe, ziemlich einzigartiger Vorgang – und ich kann nur sehr hoffen, dass er keine Schule machen wird."
    "Partnerschaft muss an fairem Ausgleich orientiert sein"
    Allen voran war im Stammwerk Wolfsburg die Golf-Produktion mit rund 10.000 Beschäftigten und rund 500 weiteren beteiligten Zulieferfirmen zum Erliegen gekommen. Die Einigung sei ein gutes Signal für den Automobilstandort Deutschland, sagt Volker Schmidt. Der Geschäftsführer von NiedersachsenMetall betont aber auch:
    "Wichtig ist, dass die Partnerschaft an einem fairen Ausgleich auch künftig orientiert ist und dass keine Seite den Eindruck hat, überfordert zu werden. Im Verhältnis zwischen Automobilproduzent und Automobilzulieferer gilt, es muss eine Win-win-Situation sein. Beide sind aufeinander angewiesen. Es ist eine sehr enge Zusammenarbeit, die es in dieser Intensität eigentlich kaum in einer anderen Branche in Deutschland gibt."
    Branchenexperten erwarten durch den Streit zwar keine grundsätzliche Verschiebung im Machtgefüge zwischen Autobauern und kleineren Zuliefern. Die Diskussion über künftige Formen einer nachhaltigen Zusammenarbeit sei aber überfällig. Zu oft wälzten die Autobauer Risiken einseitig auf ihre Partnerfirmen ab, die Teile nicht nur zulieferten, sondern erheblich am Aufwand für Forschung und Innovation beteiligt seien.