Mittwoch, 08. Mai 2024

Eiskunstlaufpaar Hocke/Kunkel
Wirtschaftlicher Drahtseilakt

Trotz zuletzt großer Erfolge steht das Berliner Eiskunstlaufpaar Annika Hocke und Robert Kunkel vor extremen finanziellen Herausforderungen. Ein wirtschaftlicher Drahtseilakt, der die beiden Athleten auch mental an die Grenze bringt.

Annika Hocke und Robert Kunkel im Gespräch mit Astrid Rawohl | 18.06.2023
Das Eiskunstlaufpaar Annika Hocke und Robert Kunkel warten bei den Weltmeisterschaften 2023 in Saitama auf ihre Wertnoten. Dabei halten sie sich an den Händen.
Annika Hocke und Robert Kunkel gingen für bessere Trainingsbedingungen nach Italien, weil der Standort in Berlin nicht mehr konkurrenzfähig ist. Doch das hat seinen Preis. (IMAGO / Kenjiro Matsuo)
Annika Hocke und Robert Kunkel gehören zur internationalen Eiskunstlaufelite: Deutsche Meister, EM-Dritte und der neunte Platz bei der WM stehen für das Berliner Eiskunstlaufpaar als jüngste Erfolge auf dem Papier.
Doch das Paar plagen finanzielle Sorgen. Aufgrund der Lücken in der Sportförderung in Deutschland stehen die beiden finanziell vor dem Aus.

Berlin als Standort schwächelt

Als eines der letzten Eislaufpaare haben Hocke-Kunkel für ihre Wettbewerbsvorbereitungen Deutschland verlassen, um sich internationalen Standards angleichen zu können. Berlin als Standort reichte mit seinen Bedingungen schlicht nicht mehr aus, vergangenes Jahr sind Hocke-Kunkel nach Bergamo in Italien gegangen. "Der Standard ist in Berlin einfach weit unten." Seit 2021 sei der Stützpunkt in Berlin extrem schleifen gelassen worden, sagte Kunkel.
In Italien genieße das Eiskunstlaufen einfach einen viel höheren Stellenwert. "In Berlin hat es niemanden interessiert, dass wir eine Medaille gewonnen haben. In Italien wurden wir im Supermarkt und der Apotheke erkannt", sagte Kunkel.

Eine Wettkampf-Saison kostet 78.000 Euro

Auch aufgrund der anstehenden Olympischen Winterspiele 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo stehe der Sport medial im Fokus. Es werde versucht, Aufmerksamkeit zu erzeugen, sagte Annika Hocke. Doch das Training in Bergamo hat seinen Preis. 35.000 bis 45.000 Euro jährlich, die gesamte Wettkampf-Saison schlägt mit 78.000 Euro zu Buche.
Das große Problem daran: Hocke und Kunkel stemmen die jährlich aufkommenden Kosten für ihren Sport beinahe komplett alleine. Der Verband, die Deutsche Eislauf-Union (DEU), würde laut Kunkel lediglich "knapp unter zehn Prozent" der aufkommenden Kosten übernehmen.

Was passiert mit den Preisgeldern im Verband?

Was für den 24-jährigen Eiskunstläufer aber nicht nachvollziehbar ist: Was passiert mit den Preis- und Schaulaufgeldern? "Stand jetzt hat der Verband mehr Geld an uns verdient, als er in uns investiert hat. Dafür haben wir wenig Verständnis, dass man das nicht ändern möchte!"
Die DEU hatte, angesprochen auf die mangelhafte Sportförderung, auf den Sportsoldatenstatus der beiden Athleten verwiesen, den das Eiskunstlaufpaar innehabe. "Hocke/Kunkel erhalten die höchste Förderung, die der DEU im Rahmen der vom Bundesministerium des Innern bewilligten Förderleistungen des Bundes für den Olympiazyklus 2023-2026".

Kunkel: Verband kümmert sich zu wenig um die Athleten

Eine genaue Zahl nennt der Verband allerdings nicht. "Darüber hinaus genießen beide Athleten den Status einer Bundeswehr-Sportförderstelle, die ebenfalls eine Sportförderleistung im deutschen Sportsystem darstellt."
Kunkel warf dem Verband vor, keine Sponsoren zu akquirieren und viel zu viel Geld in Mitarbeiter in der Verwaltung zu stecken, statt dieses Geld in die Athleten zu investieren. "Für uns ist wichtig, dass die Sportler an Priorität eins stehen", sagte Kunkel.

Nationenwechsel als "Ultima Ratio"

Sollte in absehbarer Zeit keine Lösung in Sicht sein, wäre auch ein Nationenwechsel ein mögliches Szenario. Dies aber nur als "Ultima Ratio" gedacht. "Wir wollen es aber beide nicht", sagte Kunkel.
"Wir wollen uns einfach nur auf den Sport konzentrieren - ohne uns um diesen ganzen finanziellen Stress zu beschäftigten, um eben unsere Bestleistung abzuliefern", sagte Kunkel. Und zeigte damit auch, welche mentale Belastung das ganze für das Paar bedeutet.