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Musk und die Lesebeschränkung

Twitter-Eigentümer Elon Musk drosselt die Zahl der Tweets, die User mit und ohne verifizierten Accounts pro Tag lesen können. Eine "betriebswirtschaftlich begründbar" Maßnahme, die jedoch völlig absurd kommuniziert wurde, so Medienprofessor Wolfgang Schweiger.

Wolfgang Schweiger im Gespräch mit Christoph Sterz |
Ein Bild von Elon Musks Twitter-Profil
Elon Musk sucht nach neuen Möglichkeiten, um Einnahmen zu generieren. (IMAGO / NurPhoto / IMAGO / Jakub Porzycki)
6.000 lesbare Tweets für verifizierte Userinnen und User pro Tag - also diejenigen, die 8 Dollar pro Monat für diesen Status bezahlen. 600 tägliche Tweets für unverifizierte Nutzerinnen und Nutzer, die Twitter kostenlos nutzen. Und 300 pro Tag für neue unverifizierte Accounts - wobei nicht ganz klar ist, ab wann ein unverifizierter Account als "neu" gilt. Diese neuen Lese-Beschränkungen hat Twitter-Eigentümer Elon Musk am Samstag für das Soziale Netzwerk bekanntgegeben.

Kritik an Lese-Limit für Tweets

Und viele Userinnen und User bekamen die Auswirkungen sofort zu spüren: "Sorry, aber du hast das Zugriffslimit erreicht. Bitte warte einen Moment und versuche es erneut" lautete die Nachricht, die am Wochenende viele Twitter-Nutzerinnen und -Nutzer zum ersten Mal auf ihrem Profil sahen.
Nachdem aus der Twitter-Community viel Kritik an diesen neuen Tweet-Limits kam, korrigierte Musk die Zahlen der lesbaren Tweets pro Tag für die verschiedenen Account-Arten kurze Zeit später nach oben, auf 8.000, 800 bzw. 400 tägliche Tweets. Nur um sie einige Stunde später weiter zu erhöhen: auf 10.000, 1.000 und 500.

Musk: extemes Ausmaß an "Systemmanipulation"

Grund für diese Beschränkungen sei ein extremes Ausmaß an Datenabschöpfung und Systemmanipulation, so Musk, der in seinen Tweets auf diese Begrifflichkeiten nicht weiter einging und auch nicht für Nachfragen zur Verfügung stand. Auf Presseanfragen bekommen Medien seit einigen Monaten eine automatisierte Antwort – in Form des Kothaufen-Emojis.
Mit "Datenabschöpfung" meint Musk aber offenbar die Nutzung von Twitter-Daten durch KI-Firmen wie OpenAI. Diese trainieren ihre Chatbots u.a. mit Posts von Plattformen wie Twitter oder Reddit – ohne etwas für diese Daten zu bezahlen.

KI-Firmen trainieren Chatbots mit Daten von Twitter

"Wenn man als Außenstehender an die Twitter-Daten ran will, an die Tweets und die Reaktionen darauf, dann gibt es zwei Möglichkeiten", erklärt Wolfgang Schweiger, Professor für Onlinekommunikation und interaktive Medien an der Uni Hohenheim im Gespräch mit @mediasres: "Man kann entweder eine kostenpflichtige Schnittstelle, die sogenannte API nutzen, oder man kann sie unter Umgehung dieser API nutzen – in dem man einen Bot 'scrapen' lässt".
In einem Interview mit der New York Times äußerte Reddit-CEO Steve Huffman seinen Unmut über dieses Daten-"Scraping": "Der Datensatz von Reddit ist sehr wertvoll, und wir müssen ihn einigen der größten Firmen der Welt nicht kostenlos zur Verfügung stellen."

Lese-Limit als Anreiz für Abos?

Mit der Lesebeschränkung wolle Musk das "Scrapen" von Twitter-Daten unmöglich machen, glaubt Schweiger.
Der Medienkritiker und Journalismusprofessor Jay Rosen spekuliert außerdem, dass das neue Tweet-Leselimit mit dem Abo-Modell von Twitter zu tun habe. Musk wolle mit der Einschränkung mehr Userinnen und User dazu bringen, 8 Dollar im Monat für Twitter zu bezahlen.

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Dass Musk mit diesem Schritt das Abo für Twitter attraktiver machen will, glaubt auch Medienforscher Wolfgang Schweiger. "Er will die Menschen, und vor allem auch die professionellen Twitter-Nutzerinnen und –Nutzer dazu bewegen, fast schon dazu zwingen, endlich dieses Abo abzuschließen".

Schweiger: Musk verantwortlich für gesunkene Einnahmen

Musk gehe es darum, mehr Einnahmen mit der Plattform zu generieren, die er für 44 Milliarden erworben hatte. Das würde er mit Stellenabbau und Werbeeinnahmen alleine nicht schaffen – die in letzter Zeit sehr stark gefallen sind. Laut der New York Times bleibt Twitter seit Monaten hinter den Umsatzprognosen zurück. Im April 2023 hat die Social Media Plattform demnach 59 Prozent weniger eingenommen als im Vorjahr.
Ein Umstand, an dem allerdings Musk selbst Schuld trägt, glaubt Schweiger: "Die Werbeeinnahmen wären ja nicht weggebrochen, wenn Musk einfach nur Twitter gekauft hätte und ein einigermaßen solides Geschäft damit gemacht hätte. Sondern das lag ja auch an seiner sehr forschen bis hin zu Trump-artigen Kommunikation, diesem Polarisieren. Und insofern passt das jetzt zu seiner Art, wie er mit Twitter umgeht – auf eine sehr ungute Art und Weise", so Schweiger im Dlf.
Der Medienforscher hält die neue Lesebeschränkung im Hinblick auf das Generieren von Einnahmen durch Abos nämlich für "betriebswirtschaftlich eigentlich durchaus begründet und begründbar - aber die Art, wie sie kommuniziert wurde, ist natürlich völlig absurd."