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"Eltern sind nun mal Vater und Mutter"

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehe an der Wirklichkeit vorbei, kritisiert der CSU-Politiker Norbert Geis. Die Ehe und ihre Privilegien dürfe man nicht einfach "wegrichtern" und durch die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft egalisieren.

Norbert Geis im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 20.02.2013
    Dirk-Oliver Heckmann: Die Verfassungsrichter in Karlsruhe, die urteilten so, wie es nahezu alle Experten erwartet hatten. Schwulen oder Lesben, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, zu verbieten, das adoptierte Kind des Partners ebenfalls anzunehmen, verstößt gegen das Grundgesetz. Es ist dies ein Urteil in einer ganzen Reihe von Entscheidungen aus Karlsruhe, mit denen die Richter auf mehr Gleichstellung homosexueller Partnerschaften pochten. Ein Gegner der völligen Gleichstellung ist jetzt bei uns am Telefon: Norbert Geis von der CSU. Er sitzt im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages. Schönen guten Morgen, Herr Geis!

    Norbert Geis: Guten Morgen.

    Heckmann: Herr Geis, müssen Sie nicht zugeben, bei diesem Thema sind Sie auf dem Holzweg?

    Geis: Ganz gewiss nicht. Ich glaube sogar ... Also ich würde eher sagen, das Verfassungsgericht ist auf dem Holzweg. Aber ich möchte da nicht überheblich sein. Ich möchte nur eines feststellen: Das Verfassungsgericht hat sicherlich ein Urteil auf den Tisch gelegt, das in sich logisch geschlossen ist, und da muss man Respekt davor haben.

    Heckmann: ... , aber das die Grundsätze des Grundgesetzes nicht wirklich richtig auslegt, wenn Sie sagen, das Gericht ist auf dem Holzweg?

    Geis: Nein! Lassen Sie mich gerade diesen Satz beenden. Dieses Urteil wird keine großen praktischen Folgen haben, weil die meisten Menschen, die ein Kind zur Adoption freigeben, es Vater und Mutter geben und nicht einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft. Wir haben in Belgien dieselbe Situation, dass das möglich ist, und da meldet sich überhaupt gar niemand. Und man muss wissen, dass die Nachfrage nach adoptionsbereiten Eltern beziehungsweise Kindern, dass die viel größer ist, als Kinder überhaupt da sind.

    Heckmann: Aber es geht ja jetzt, Herr Geis – pardon, dass ich da einhake -, um die Kinder, die in den gleichgeschlechtlichen Partnerschaften bereits leben und wo dem einen Partner bisher nicht gestattet wurde, das Kind ebenfalls anzunehmen. Für die ändert sich ja doch was.

    Geis: Wir haben – entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche – diese sogenannte Sukzessivadoption 2004 durch Gesetz bekommen. Gegen dieses Gesetz hat die Unionsfraktion gestimmt. Das ist der falsche Ansatz gewesen nach unserer Meinung. Man kann nicht den Begriff der Eltern völlig trennen von dem Begriff der rechtlichen Eltern. Ich meine, beides muss zusammengehören, und Eltern sind nun mal Vater und Mutter. Und wenn ich eine Adoption freigebe, dann muss ich diesen Grundsatz beachten. Sonst bewege ich mich in die Irre. Warum sollte nur eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft das Recht haben, Kinder zu adoptieren, warum nicht auch eine andere Gemeinschaft, die vielleicht sogar psychologisch und vom Finanziellen her viel eher in der Lage ist, das Kind zu erziehen. Ich meine, da kommen wir in den Wald!

    Heckmann: Na ja, gut. Das kann natürlich sicherlich auch ein gleichgeschlechtliches Paar. Das macht ja keinen Unterschied, was die Einkommensverhältnisse angeht, vielleicht sogar im Gegenteil. Aber Ihnen – da verstehe ich Sie richtig – und auch der Union geht es ja im Prinzip um die Rechte des Kindes. Das haben Sie ja auch im Zentrum, denke ich. Jetzt haben die Experten, sämtliche Experten ja schon in der Anhörung gesagt und das Gericht hat das ja auch bestätigt, eine Adoption durch den gleichgeschlechtlichen Partner hat für das Kind nur Vorteile, wenn beispielsweise der Adoptivvater oder die Adoptivmutter stirbt.

    Geis: Ja gut, ich meine, ich will nicht sagen, dass das nicht irgendwo eine gewisse Logik hat. Das will ich überhaupt nicht bestreiten, habe ich am Anfang schon gesagt. Aber man darf nicht übersehen bei einer solchen Sache, dass man hier in einen Weg hineingeht, den wir nicht gut heißen können. Das heißt, es geht im Grunde genommen gar nicht mehr so sehr um das Wohl des Kindes, sondern es geht darum, die gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, wie Sie schon eingangs gesagt haben, richtig gesagt haben, die gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften der Ehe immer mehr und mehr gleichzustellen. Darum geht es leider dem Verfassungsgericht seit seinem Urteil vom Juli 2002, als es die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft neben die Ehe gestellt hat. Aber damals hat das Verfassungsgericht noch gesagt, die Ehe und die gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften haben eigentlich nichts miteinander zu tun - das Gericht hat den Begriff Aliut benutzt. Das ist ein lateinisches Wort und heißt etwas ganz anderes – für die Ehe hingestellt. Also die Ehe und gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften haben nichts miteinander zu tun. Aber die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes geht doch dahin, diese beiden Institutionen zu egalisieren, und das halte ich für einen Holzweg. Da geht man an der Wirklichkeit vorbei.

    Heckmann: Hören wir mal ganz kurz rein, was Volker Beck, der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Deutschen Bundestag, dazu gestern gesagt hat.

    O-Ton Volker Beck: "Die CDU/CSU will es eben nicht verstehen. Sie will keinen einzigen homophoben Wähler am Stammtisch verlieren dafür, dass sie Schwule und Lesben nicht mehr diskriminiert."

    Heckmann: Die Union will keinen einzigen homophoben Wähler verlieren. Ist das der Grund, der eigentliche Grund für Ihren Widerstand?

    Geis: Ach das ist doch Unsinn. Ich meine, das bringt der Herr Beck, der erfindet da irgendwelche Parolen. Es geht doch hier nicht um homophobe Wähler, sondern es geht um das Grundanliegen unserer Verfassung. Wir haben nun mal die Ehe und man kann sie nicht einfach wegrichtern durch das Verfassungsgericht, man kann sie nicht einfach egalisieren durch das Parlament, sondern hier ist die Natur zu beachten und das geschieht nicht, und deswegen, sage ich, ist das Verfassungsgericht nach meinem Dafürhalten auf dem falschen Weg.

    Heckmann: Die Natur ist zu beachten, sagen Sie, Herr Geis. Muss man das so verstehen, dass Sie, dass die Union davon ausgeht, dass homosexuelle Partnerschaften unnatürlich sind?

    Geis: Nein! Nein, nein! Das kann jeder machen wie er will. Da habe ich überhaupt nichts dagegen einzuwenden. Mein Anliegen und das Anliegen der Union ist es, dass die Ehe in sich erhalten bleibt und dass die Privilegierung der Ehe, so wie die Verfassungsmütter und Väter es vorgesehen haben in Artikel sechs Grundgesetz, nicht egalisiert wird durch eine andere Institution, die eigentlich mit der Ehe, so das Verfassungsgericht selbst in seinem vorgenannten Urteil, nichts miteinander zu tun hat.

    Heckmann: ... , wobei im Grundgesetz steht, "Ehe und Familie sind zu schützen".

    Geis: Natürlich, beide sind zu schützen. Aber nach unserer Vorstellung gehört zur Familie normalerweise auch die Ehe dazu. Man kann auch andere Zusammensetzungen als Familie bezeichnen, aber Ehe und Familie, dann dürfen Sie die Ehe nicht ausklammern.

    Heckmann: Glauben Sie, dass es einem Kind schadet, wenn seine Erziehungsberechtigten in einer homosexuellen Partnerschaft zusammenleben?

    Geis: Es wird schon allein deshalb nicht schaden, weil es gar nicht so oft der Fall sein wird. Es wird nicht so oft ... Ich meine, da hat sich das Verfassungsgericht eine große Mühe gegeben. Aber in der Praxis – das habe ich am Eingang schon gesagt – wird dieses Urteil keine große Rolle spielen, weil Eltern, die ihr Kind zur Adoption freigeben, von sich aus dafür sorgen werden, dass das Kind normal aufwächst, nämlich unter Normalität ...

    Heckmann: Aber das war nicht ganz meine Frage, Herr Geis. Pardon, dass ich noch mal darauf zurückkomme. Aber glauben Sie, dass es einem Kind schadet, wenn seine Erziehungsberechtigten in einer homosexuellen Partnerschaft zusammenleben?

    Geis: Also ich glaube schon, dass es für das Kind besser ist, wenn es in einer Partnerschaft zusammen lebt, wo Mann und Frau ist, wo Vater und Mutter ist. Ich glaube nicht, dass das ganz und gar dem Wesen des Kindes entspricht, dass es zur Mama "Mama" sagt und zu der Partnerin auch "Mama" sagt, oder wenn es zur Mama "Mama" oder zum Papa "Papa" sagt. Ich halte das nicht für naturgemäß. Da bin ich schon der Meinung, dass normalerweise ein Kind aufwachsen sollte mit Vater und Mutter, auch im Adoptionsverhältnis.

    Heckmann: Mehrere Bundesländer planen jetzt Initiativen zur völligen Gleichstellung. Auch die FDP ist dafür. Wie sehen Sie das in den nächsten Monaten, in den nächsten Jahren? Wird die kommen?

    Geis: So wie die Entwicklung ist, wird es da hingehen. Das Verfassungsgericht ist völlig auf dieser Schiene. Und dann werden sich die politischen Kräfte danach richten.

    Heckmann: Auch die Union?

    Geis: Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass die Union sich so ganz danach richten wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir 2004 gegen diese Entwicklung gestimmt haben und schon 2001 gegen diese Entwicklung gestimmt haben und jetzt alles abstreiten. Das wäre opportunistisch, das macht die Union nicht.

    Heckmann: Der CSU-Politiker Norbert Geis, Mitglied im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages, zu den Konsequenzen aus dem gestrigen Urteil. Herr Geis, besten Dank für dieses Gespräch und schönen Tag.

    Geis: Ich danke Ihnen. – Ihnen auch, danke!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.