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"Hier geht es ums Kindeswohl"

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption habe einen Meilenstein gesetzt, sagt CDU-Politiker Alexander Vogt, Bundesvorsitzender des Arbeitskreises Lesben und Schwule in der Union (LSU). Es ermögliche gleichgeschlechtlichen Paaren die gemeinschaftliche Adoption in zwei Stufen.

Alexander Vogt im Gespräch mit Christiane Kaess | 20.02.2013
    Dirk-Oliver Heckmann: Das Urteil zum Adoptionsrecht von homosexuellen Lebenspartnern – Opposition wie Liberale haben die Entscheidung von gestern begrüßt und das Urteil zum Anlass genommen, eine vollständige Gleichstellung zu fordern. Die Union ist da gelinde gesagt zurückhaltend, aber auch hier gibt es abweichende Stimmen. Meine Kollegin Christiane Kaess hat den Vorsitzenden des Arbeitskreises Lesben und Schwule in der Union, Alexander Vogt, gefragt, wie wichtig dieses Urteil für ihn ist.

    Alexander Vogt: Da ist heute schon ein Meilenstein gesetzt worden, denn die Sukzessivadoption, die heute beschlossen wurde, ist auch im Grunde genommen schon die Türöffnung zur gemeinschaftlichen Adoption.

    Christiane Kaess: Wo sehen Sie da die Türöffnung zur gemeinsamen Adoption?

    Vogt: Ganz einfach. Es ist ja so: Wenn ein Partner bisher schon ein adoptiertes Kind hat, kann der Lebenspartner oder dann bei der Partnerin die Lebenspartnerin das nun auch adoptieren, was bisher nicht möglich war. Das ist aber nicht nur bei Kindern, die schon vor der Partnerschaft adoptiert wurden, sondern auch Kinder, die während der Partnerschaft adoptiert wurden. Das heißt, im Grunde genommen haben wir die gemeinschaftliche Adoption in zwei Stufen sowieso schon ermöglicht, und das hat das Verfassungsgericht mit dem Urteil heute getan. Wenn ich schon verpartnert bin und ein Kind adoptiere, kann im Nachgang mein Partner auch adoptieren.

    Kaess: Da würden Ihnen einige in der Union widersprechen, zum Beispiel Gerda Hasselfeldt, die CSU-Landesgruppenchefin, die sagt, das ist keine Öffnung beim Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften.

    Vogt: Ja, aber nun: Die direkte gemeinschaftliche Adoption hat das Gericht nicht beschlossen, das ist richtig. Aber es ist nunmehr möglich, den Status einer gemeinschaftlichen Adoption zu erlangen, nur eben in zwei Stufen. Wer sich den Text genau durchliest, der wird das auch erkennen.

    Kaess: Herr Vogt, der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, hat zu dem Verfahren in Karlsruhe gesagt, man habe bei der Gesetzesfassung darauf gehofft, dass "die Gerichte regeln, was wir politisch nicht hinbekommen". Hat die Politik bei dieser Frage versagt?

    Vogt: Sie ist zumindest zu langsam. Da ist so viel gestalterischer Spielraum gewesen, ich hätte mir wirklich gewünscht, dass da auch die Sache aktiv in die Hand genommen wird und dass man sich nicht diese, sagen wir ruhig, Ohrfeige vom Verfassungsgericht einfangen muss.

    Kaess: Warum ist das nicht passiert?

    Vogt: Aus Unkenntnis. – Ich will hier niemandem unterstellen, dass er nicht an das Kindeswohl denkt. Da gibt es schon diese Vorbehalte. Und darum ist es ja auch gut, dass es bei der Adoption länger gedauert hat als bei anderen Dingen, vielleicht wie bei der Erbschaftssteuer, Grunderwerbssteuer et cetera. Aber ich erwarte, dass die Leute sich damit beschäftigen dann, und das ist nicht geschehen, und solange diese Unkenntnis eben da ist, ist auch diese Angst da und dann gibt es auch keine positive Entscheidung in dem Sinne.

    Kaess: Aber Sie haben es jetzt mehrmals angesprochen, das Wohl des Kindes, und es gab ja, wie Sie gesagt haben, auch klare Befunde aller Sachverständigen. Da war man sich ja weitestgehend einig. Warum sind sich denn Regierende und Parlament in Fragen, die die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft betreffen, so unsicher, dass sie den Beistand aus Karlsruhe brauchen?

    Vogt: A hat man sich mit der Materie nicht beschäftigt, B gibt es natürlich in der CDU und auch in der CSU eben auch einen rechten Flügel. Da gibt es einen liberalen Flügel und da gibt es ein ganz großes Feld auch in der Mitte und man möchte sich natürlich es auch nicht mit den Leuten am rechteren Rand vergrätzen. Das verstehe ich ja auch bis zu einem gewissen Grat. Aber irgendwann muss auch mal ein Punkt gemacht werden, denn hier sind wirklich Familien betroffen, und wenn man sich die Kinder mal wirklich angeschaut hätte, dann hätte man zu dem Schluss kommen müssen, hier geht es ums Kindeswohl. Alle Sachverständigen sagen das einhellig. 19.000 Kinder lebten 2011 bereits mit gleichgeschlechtlichen Elternpaaren zusammen, die meisten davon Pflegekinder. Pflegefamilien werden händeringend gesucht und da ist es überhaupt kein Problem, als schwules Paar oder als lesbisches Paar ein Pflegekind zu bekommen. Darum finde ich, diese ganze Diskussion ist eigentlich nur eine Scheindebatte. Dass das hier nicht gemacht wird, ist ein Unding.

    Kaess: Welche Diskussionen, glauben Sie, wird es in den kommenden Wochen geben?

    Vogt: Dieses Thema gemeinschaftliche Adoption, das ist mit Sicherheit jetzt auf dem Tisch, und ich weiß auch, dass die Opposition da – Volker Beck hat so was ja auch schon bekannt gegeben – einen Antrag, Gesetzesantrag stricken will. Das Thema bleibt auf dem Tisch. Das wird früher oder später auch durchkommen. Wenn es nicht auf parlamentarischem Wege geht – ich hoffe, dass es auf diese Art geht, denn die Justizministerin will das ja auch -, wenn es dann nicht kommt, dann wird wieder das Verfassungsgericht angerufen und das wird mit Sicherheit und auch relativ zügig dann im Sinne der Kinder entscheiden.

    Heckmann: Der Vorsitzende des Arbeitskreises Lesben und Schwule in der Union, Alexander Vogt, im Interview mit meiner Kollegin Christiane Kaess.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Alexander Vogt, Bundesvorsitzender des Arbeitskreises Lesben und Schwule in der Union (LSU)
    Alexander Vogt (Alexander Vogt)