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Emmissionsmessung
Öffentlicher Sensoren-Nahverkehr

Die Diskussion um die Abgaswerte von Dieselfahrzeugen hat auch gezeigt, dass niemand wirklich Aussagen darüber treffen kann, wie hoch die Emissionen bei CO2 und Stickoxide tatsächlich sind. Um Daten aus dem tatsächlichen Verkehrsgeschehen zu erhalten, haben Forscher aus Glasgow ein mobiles Messsystem entwickelt.

Von Piotr Heller | 22.07.2016
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    Autos und LKW stoßen Feinstaub aus (Bild: dpa/Bernd Wüstneck) (Bernd Wüstneck/dpa (zu "Feinstaub-Belastung zu Jahresbeginn hoch - MV weniger gefährdet" vom 15)
    "Schauen wir uns mal die Luftqualität an... Das ist von Montag, also gestern. Was Sie hier auf dieser Karte sehen, ist die Fahrstrecke eines Autos. Es startete in einer Garage auf dem Campus unserer Universität und fuhr bis zum Glasgower Kongresszentrum, wo wir jetzt sind."
    Richard Bellingham zeigt auf grüne, orangene und rote Punkte auf einer Karte von Glasgow. Die Farben entsprechen der Luftqualität, die in der Stadt gemessen wurde.
    "Dort wird die Luftverschmutzung immer größer, hier am Kongresszentrum wieder kleiner. Und hier, das ist eine stark befahrene Straße, da ist der Wert plötzlich doppelt so hoch. An dieser Stelle sollte man sich nicht lange aufhalten. Das wäre gesundheitsschädlich."
    Das Messsystem, von dem die Daten stammen, befindet sich auf einem Lieferwagen der University of Strathclyde. Es ist einer von fünf, mit denen die Forscher ihre Methode gerade testen.
    "Zunächst wollten wir ein Netz aus festen Sensoren aufbauen. Aber das ist teuer und man braucht viele Genehmigungen. Also dachten wir uns: Warum können wir nicht mobile Sensoren an Fahrzeugen befestigen und sie durch die Stadt fahren lassen? Das ist günstiger, schneller und lässt sich auch ganz einfach auf andere Städte übertragen."
    Ein weiterer Vorteil der mobilen Messung ist, dass man an alle Orte der Stadt vordringt. Doch einfach war die Entwicklung nicht. Sensoren für Luftschadstoffe sind eigentlich nicht dafür gemacht, im Fahrtwind eines Autos zu messen. Richard Bellingham und seine Kollegen haben also eine koffergroße Vorrichtung gebaut, die die Luft zunächst bremst und dann zu den Sensoren führt. Und die messen die aus der Diesel-Diskussion bekannten Stickoxide und Kohlenmonoxid, Feinstaub, Lufttemperatur, dazu die GPS-Position und sogar Handy-Signale wie WLAN oder Bluetooth.
    "Das Interessante daran ist, dass man so auch die Menschen auf der Straße zählen kann. Schließlich tragen die Handys mit sich herum. So sehen wir, wie viele Menschen von schlechter Luft betroffen sind."
    Mit all diesen Informationen ließe sich eine Art dynamisches Verkehrsmanagement aufbauen: Eine Stadtverwaltung könnte erkennen, wo die Luft besonders dick ist und wie viele Menschen das betrifft. Wenn sie dann Handlungsbedarf sieht, könnte sie den Verkehr umleiten. Doch nicht nur für Stadtverwaltungen sind die Daten interessant.
    "Gerade für Menschen mit Asthma oder anderen Atemwegserkrankungen ist Feinstaub ein Problem. Wir wollen eine App entwickeln, mit der Betroffene entscheiden können: 'Heute sollte ich wohl nicht durch diese Gegend laufen, ich nehme heute einen anderen Weg. Diese Straße hier ist stark belastet, diese ist sauber.'"
    Die Forscher haben bisher gezeigt, dass das System funktioniert und günstig ist: Die Prototypen kosten etwa 2000 Pfund pro Stück. Würde man sie in großen Mengen produzieren, würde der Preis sinken. Und man kann sie auf jedes beliebige Fahrzeug montieren – etwa auf Busse und Taxis, die sowieso umherfahren. Es wäre eine Art "öffentlicher Sensoren-Nahverkehr". Genau das planen die Forscher gerade, vor allem in Entwicklungsländern. Denn dort ist der Bedarf an Informationen groß, aber das Budget für aufwendige Sensor-Systeme zu klein.