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Energiepolitik
Umweltschützer kritisieren Zyperns Pläne zur Gasförderung

Billionen Kubikmeter Erdgas vermuten Forscher vor der Küste Zyperns. Der Süden der Insel will dieses Gas fördern lassen, der Norden wurde nicht gefragt. Umweltschützer auf beiden Seiten fordern, dass der sonnenreichste Ort Europas besser auf Solarenergie oder auch Windkraft setzen sollte.

Von Manfred Götzke | 31.03.2020
Ein Bohrschiff vor der zyprischen Küste bei Limassol
Ein Bohrschiff bei Limassol: Die zyprische Regierung hat internationale Energiekonzerne beauftragt, die Gasfelder vor der Küste auszubeuten (Getty Images/ Athanasios Gioumpasis)
Gleißendes Licht, die Sonne schimmert auf den Wellen, die an den Strand der Hafenstadt Limassol spülen. Es ist warm für einen Märztag auf Zypern. Touristen und Einheimische sitzen in den kleinen Strandcafés, ein paar Mutige schwimmen schon im Mittelmeer.
Ein Idyll, wären da nicht die zwei Bohrinseln, die den Blick auf den Horizont trüben. "Nicht so schön", da sind sich die Touristen einig. Die zyprische Regierung hat internationale Energiekonzerne beauftragt, die Gasfelder vor der Küste auszubeuten. Wenn sie loslegen, könnten hier bald noch mehr Bohrinseln die Sicht verschandeln. Im November wurden die Lizenzen an ein Konsortium aus Israel, den USA und Großbritannien vergeben – spätestens 2025 soll hier das Gas strömen.
Pro Gasförderung
"Ich finde, es ist wirklich gut für die Wirtschaft unseres Landes." Ein junges zyprisches Pärchen im Strandcafé stört sich nicht an dem Anblick. "Wenn das Gas in Zypern bleibt, wäre das gut. Die Türkei kommt immer näher, auch andere Länder sind interessiert. Also es wäre gut, wenn die Einnahmen aus dem Gas hier investiert werden."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe Zypern unter Zugzwang - Eine Insel inmitten internationaler Konflikte.
Zypern solle deshalb möglichst schnell mit der Ausbeutung beginnen. Die beiden sehen es wie ihre Regierung: Das Gas könne die Republik reich machen. Vor allem aber unabhängiger von fragwürdigen Bankgeschäften als Steuerparadies.
Contra Gasförderung
Pavlos schüttelt nur der Kopf, als seine Landsleute das hohe Lied auf die Gasausbeutung anstimmen. Der 39-jährige Fotograf hat die Initiative "Platform against Platforms" gegründet – Plattform gegen Gasplattformen. "Es ist politisch gesehen gefährlich, es ist ökologisch gesehen sehr gefährlich und auch wirtschaftlich sehr gefährlich."
Seinen kompletten Namen will der schlaksige Umwelt-Aktivist mit Bart und Herrendutt nicht im Radio hören – wer auf Zypern gegen die Gasausbeutung kämpft, der mache sich keine Freunde, meint er.
Mit Mitstreitern aus beiden Teilen der Insel kämpft Pavlos gegen die Ausbeutung der Gasvorkommen vor Zypern. Dass seine Regierung am sonnenreichsten Ort Europas auf fossile Brennstoffe statt auf Solarenergie setzt, dafür hat er kein Verständnis:
"Wir machen uns von anderen Staaten und deren Unternehmen abhängig. Die Länder, aus denen die Konzerne kommen, die die Lizenzen gekauft haben, das sind alles Großmächte. USA, Großbritannien. Die haben hier in der Region, im Nahen Osten immer für Probleme gesorgt. Zypern war bislang immer neutral, das ist jetzt vorbei."
Fotograf und Umweltaktivist Pavlos
Fotograf und Umweltaktivist Pavlos hat die Initiative "Platform against Platforms" gegründet – Plattform gegen Gasplattformen (Deutschlandradio/ Manfred Götzke)
"Der Konflikt eskaliert"
Und dann sei da noch der Konflikt mit dem Norden, erzählt er, während wir über die Strandpromenade schlendern. Eigentlich wollte die Regierung des Insel-Südens die Profite aus der Gasausbeutung nutzen, um dem Norden eine Wiedervereinigung schmackhaft zu machen: Bei einer Einigung würde der Norden einen großen Teil der Gewinne bekommen. Aber eben nur dann.

"Aber wir sehen jetzt, dass das gar nicht aufgeht. Im Gegenteil, der Konflikt eskaliert jetzt, zwischen Zypern, der Türkei und Griechenland. Das bringt uns nur Probleme. Und daraus kann sehr, sehr leicht ein militärischer Konflikt entstehen."
Das sieht nicht nur Umweltaktivist Pavlos so: Noch laufen die Erkundungen. Die Felder, die bisher gefunden wurden, liegen tief in der See. Deren Förderung ist aufwändig und teuer. Manche Experten schätzen, dass das Gas aus dem östlichen Mittelmeer doppelt so viel kostet wie Gas aus Russland oder den USA. Sollte der zyprische Staat die Abnahme garantieren, könnte das die Bürger teuer zu stehen kommen.
Korruption bei den Gas-Deals befürchtet
Wir verlassen den Strand, biegen in eine kleine Straße ein, passieren eine Baustelle. Russische Investoren ziehen hier mitten in einem Wohngebiet zwei Hochhäuser hoch, mehr als 30 Stockwerke, Luxus-Appartements. Ein paar Meter weiter steht das Häuschen von Lucia Dimitru, eine Freundin von Pavlos. Für die 58-jährige Psychologie-Professorin sind die Hochhäuser ein Sinnbild für das, was falsch läuft auf der Insel. Die Baugenehmigungen hätten die Investoren nur durch Bestechung bekommen, behauptet sie. Ähnlich sei es bei den Gas-Deals.
"Da ist viel Missinformation, das heißt die Leute glauben das, was ihnen die Herrschenden erzählen, dass viel Geld ins Land kommt. Aber das ist weit von der Wahrheit entfernt."
Sie vermutet, dass Korruption im Spiel war. Eine Vermutung, die schwer zu belegen ist, die aber einige Interviewpartner in Nicosia äußern. Denn Vertrauen in die Regierung haben hier nur wenige.
Vereinte Umweltaktivisten
100 Kilometer nordöstlich: In einem kleinen vollgestellten Büro im türkisch-zyprischen Teil Nicosias reicht mir Dogan Sahir statt der Hand erstmal eine Atemschutzmaske. Der 60-jährige Architekt ist Gründer der "Cyprus Green Action Group". Seit fast zwei Jahrzehnten gehen er und seine Mitstreiter mit Kampagnen und Klagen gegen die Abholzung von Wäldern, gegen illegale Jagd oder den Bau neuer Schnellstraßen vor. "Wir haben 20 Mal gegen die Regierung geklagt – und nur drei Mal verloren", sagt er.
Seit einigen Monaten beschäftigt die Umweltaktivisten aber vor allem das Gas. Sahir ist auf einer Linie mit den Aktivisten im Süden Zyperns: Im Jahr 2020 Gas im östlichen Mittelmeer auszubeuten, das sei ökologischer Wahnsinn:
"Die Bohrinseln werden in einem einzigartigen Ökosystem stehen. Eine Art Insel unter Wasser mit einer artenreichen Fauna – die Firmen nutzen Chemikalien, um das Gas zu fördern, das würde dieses Ökosystem komplett zerstören."
"Jede Menge erneuerbare Energie"
Sahir weist auf ein Wohnhaus gegenüber: auf den Dächern schwarze Solar-Paneele zur Wasser-Erwärmung. Seit Jahrzehnten sieht man sie auf fast jedem Dach der Insel; Zypern sei damals Vorreiter gewesen.
"In der Region des Mittelmeers haben wir das Glück, jede Art erneuerbare Energie zu haben: viel Sonne, viel Wind, dann die Wellen im Meer. Wenn wir das gleiche Geld, das in die Gasförderung investiert wird, für erneuerbare Energie ausgeben, hätten wir die gleiche Kapazität und wir müssten nicht den Planeten zerstören."
Doch weder die nordzyprische Regierung noch die dortigen Umweltorganisationen hätten irgendein Mitspracherecht, kritisiert Sahir: "Wir sind eine Insel – und wir sollten alles teilen – und sie haben uns nicht gefragt."
Zum Abschied fragt Sahir noch nach dem Kontakt von Pavlos und seiner NGO. Er will sich mit ihnen vernetzten. Schließlich kämpften sie für die gleiche Sache. "Wenn sie gegen die Ausbeutung klagen wollen, können wir sie unterstützen. Wissen Sie: Bei Umweltproblemen gibt es keine Grenzen, keine Nationalitäten, das betrifft uns alle."