
Der zyprische Staatschef Nicos Anastasiades und der Präsident der international nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern, Mustafa Akinci, hatten sich Ende Oktober unter UN-Vermittlung auf die Öffnung neuer Übergänge geeinigt. Eine vertrauensbildende Maßnahme, aber auch nicht mehr. Die Wiedervereinigungsgespräche liegen seit zwei Jahren auf Eis. Nach zwei erfolglosen Anläufen zur Wiedervereinigung - 2003 und zuletzt 2017 – stehe man wieder am Anfang, beklagt der Außenminister der Türkischen Republik Nordzypern Kudret Özersay.
"Es fehlt eine gemeinsame Vorstellung für eine Einigung. Die UN versucht also derzeit herauszufinden, ob es überhaupt eine Grundlage für neue Gespräche gibt, auf der man aufbauen könnte. Zurzeit gibt es keine Wiedervereinigungsgespräche."
Dennoch scheiterte im Januar 2017 der vorerst letzte Versuch der Vereinten Nationen, nach monatelangen Verhandlungen beide Seiten zur Unterschrift unter einen Vereinigungsvertrag zu bewegen. Erstmals war es dem Verhandlungsführer, dem Norweger Espen Barth Eide gelungen, auch die sogenannten "Garantiemächte" Zypern, Griechenland und die Türkei mit an den Verhandlungstisch zu bekommen. Dennoch endete die letzte Verhandlungsrunde im schweizerischen Crans Montana, in dem sich die Kontrahenten anbrüllten, wie später berichtet wurde.
Streitpunkt Sicherheit: Heute sind im Norden der Insel noch rund 35.000 türkische Soldaten stationiert. Die Zyperntürken wollen, dass wenigstens ein Teil von ihnen für eine Übergangszeit bleibt, um für ihre Sicherheit zu garantieren. Die Rede war von 5.000 Soldaten. Die griechische Seite dagegen schlug eine internationale Polizeitruppe vor. Stützpunkte einer fremden Armee waren für die griechische Seite nicht hinnehmbar.

Einig ist man sich, dass es einen Bundesstaat mit einer Staatsangehörigkeit, aber zwei administrativ geteilten Landesteilen geben muss: dem türkischen im Norden und dem griechischen im Süden. Jeder Landesteil behielte eine eigene Verwaltung und sogar eine eigene Polizei. Und jeder Landesteil bekäme sein eigenes Parlament. Nach außen hin aber würde das Land durch eine Regierung vertreten. Auf gesamtstaatlicher Ebene soll es ein Parlament geben, in dem die Zyperngriechen zwei Drittel, die Zyperntürken ein Drittel der Abgeordneten stellen. Bei Streitfragen soll ein hohes Gericht angerufen werden können, dem neben Vertretern beider Volksgruppen auch ein Bürger eines neutralen Drittstaates angehören sollte. Die Präsidentschaft Zyperns würde unter Griechen und Türken rotieren.
Der türkisch-zyprische Norden sollte gemäß den letzten Entwürfen für ein Friedensabkommen rund sechs Prozent seines Territoriums an den Süden abtreten. Damit war die türkische Seite im Prinzip einverstanden, besetzt sie doch derzeit 35 Prozent des Inselterritoriums, obwohl sie nur knapp 20 Prozent der Bevölkerung stellt. Doch gestritten wird darüber, welche Gebiete abgetreten werden sollen. Die Türken bieten eher ländliche Gegenden an, die Griechen wollen dagegen den verlassenen Küstenort Varosha zurück.
Und so bleiben bis auf weiteres UN-Blauhelmsoldaten auf der Insel stationiert. Der UN-Sicherheitsrat beschloss Ende Januar, die Mission der United Nations Peacekeeping Force in Cyprus – kurz UNFICYP – um weitere sechs Monate zu verlängern. Seit 55 Jahren überwacht die mittlerweile auf rund 900 Soldaten und Polizisten geschrumpfte Friedenstruppe die Pufferzone zwischen den beiden verfeindeten Volksgruppen.
Die Türkei und die türkischen Zyprer kritisierten die Entscheidung des UN-Sicherheitsrates. Die griechische Seite dagegen begrüßte die Entscheidung. Denn die türkische Seite sei an einer Lösung der Zypern-Frage nicht interessiert.

In diesem Monat wird die US-amerikanische Energiefirma Exxon wieder ihre Probebohrungen in einem von Zypern beanspruchten Gebiet vor der südlichen Küste aufnehmen. Die Führung des türkischen Nordens hat dagegen protestiert, dass die griechische Seite die Explorationen vorantreibt, ohne sie zu konsultieren. Für den Botschafter der Republik Zypern in Berlin, Andreas Hadjichrysanthou, hat das seinen natürlichen Grund:
"Sie müssen bedenken, dass die internationalen Firmen, die für diese Operationen große Mengen Geld investieren, dafür rechtliche Sicherheiten fordern. Diese Sicherheiten bekommen sie allein von der Republik Zypern, einem anerkannten Staat nach internationalem Recht. Wir haben uns darauf geeinigt, dass die natürlichen Ressourcen Zyperns nach einer Wiedervereinigung von dem dann gegründeten Bundesstaat verwaltet werden wird, und nicht nur von einem der Teilstaaten. Und in diesem Bundesstaat werden beide Volksgruppen vertreten sein."
"Die griechischen Zyprer dürfen an diesen Vorkommen vor einer Einigung verdienen, aber die türkischen Zyprer erst nach einer Einigung. Ist das fair? Nein. Man hat uns schon einmal mit Versprechungen hingehalten. Vor dem Beitritt Zyperns zur Europäischen Union hieß es: Keine Sorge, es wird keinen Beitritt vor einer Lösung der Zypern-Frage geben. Am Ende wurde der Süden doch in die EU aufgenommen."
Und so stehen die Zeichen auf der Insel in diesem Jahr wieder auf Konfrontation. Denn die Türkei, die Schutzmacht der türkischen Zyprer, will nicht nur dem Norden zu eigenen Gasquellen verhelfen. Die Türkei erhebt auch selbst Ansprüche auf einige von Zypern ausgewiesene Explorationszonen. Ende Oktober vergangenen Jahres lief die nach dem osmanischen Eroberer Istanbuls benannte "Fatih", das erste türkische Schiff dieser Art, zu ersten Probebohrungen aus.
Zunächst noch in türkischen Hoheitsgewässern, demnächst aber auch vor Zyperns Küste – und zwar im Auftrag der türkisch-zyprischen Führung. Die hat eigene Lizenzen für Probebohrungen an die türkische Energiefirma TPAO vergeben. Der türkisch-zyprische Außenminister Özersay weiß die Militärmacht Türkei hinter sich und gibt sich kämpferisch:
"In den kommenden Monaten werden wir mit den Bohrungen in den Feldern beginnen, für die wir Lizenzen erteilt haben. Die überschneiden sich teilweise mit denen, die die griechischen Zyprer beanspruchen. Wenn diese Bohrungen nicht gestört werden, werden wir auch keine Hilfe der türkischen Marine beanspruchen. Aber wenn jemand versuchen sollte, diese Bohrungen zu verhindern, werden wir selbstverständlich Schutz anfordern."
Bereits im Sommer 2017, nach dem Scheitern der Wiedervereinigungsverhandlungen auf Zypern, drohte die Krise zu eskalieren: Während 150 Kilometer südlich der Hafenstadt Limassol das Bohrschiff "West Capella" mit Probebohrungen begann, kreuzten türkische Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge auf. Gleichzeitig gingen griechische, französische und italienische Kriegsschiffe in Position. Im vergangenen Februar tauchte erneut eine türkische Fregatte vor Zypern auf und vertrieb ein Bohrschiff des italienischen Energiekonzerns ENI. Der türkische Anspruch auf Teile der zyprischen Gewässer basiert auch auf einer eigenwilligen Interpretation für die Festlegung der exklusiven Wirtschaftszone. Aus türkischer Sicht haben Inselstaaten, also auch Zypern, nur Anrecht auf einen schmalen Streifen von zwölf Meilen, während für Staaten auf dem Festland die üblichen 200 Meilen gelten.
Die Europäische Union protestierte gegen die Verletzung der souveränen Rechte ihres Mitgliedslandes Zypern. Doch der türkische Staatspräsident legte nach: Er werde niemals die Förderung von Bodenschätzen im östlichen Mittelmeer akzeptieren, wenn dabei nicht die Interessen seines Landes und Nordzyperns berücksichtigt würden. Wer dies nicht verstehe, werde schon bald einen hohen Preis dafür bezahlen. Der Konzern ENI hat weitere Bohrungen vorerst eingestellt.
Die geopolitische Gemengelage um die Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer rückt immer mehr in den Mittelpunkt internationaler Energiepolitik. Dabei geht es nicht allein um den Streit um Seegrenzen und sogenannte "Exklusive Wirtschaftszonen" im Meer. Auch interne Konfliktherde wie eben jene Zypern-Frage oder der israelisch-palästinensische Streit rücken durch das Versprechen auf Energiereichtum wieder in den Fokus. Auch die Palästinenser fordern von Israel, an den Einnahmen der Gasförderung Offshore beteiligt zu werden.
Doch wie realistisch sind die Aussichten auf großen Reichtum? Die Energieexpertin der Stiftung für Politik und Wissenschaft, Kirsten Westphal, hält die Euphorie für verfrüht:
"Die Felder liegen relativ tief, also sowohl, was die Meerestiefen angeht, als auch die Tiefen, die man dann noch mal machen muss, um wirklich ans Gas zu kommen. Und im Moment haben wir in Europa eine Situation, in der die Gaspreise schon sehr gepurzelt sind seit 2009/10. Man hat ja mehrere große Felder gefunden: Aphrodite vor Zypern, wir haben das große 'Zohr'-Feld in Ägypten, das schon produziert, 'Leviathan', wo sich eben der Libanon und Israel Blöcke teilen. Und die alle brauchen eigentlich Exportoptionen, sei es über Pipelines, sei es über verflüssigtes Erdgas, also LNG."
"Derzeit bezahlt die EU eine Studie, die herausfinden soll, ob eine östliche Mittelmeer-Pipeline machbar wäre, die das Gas aus Israel, Libanon und Zypern durch das Meer über Kreta nach Griechenland transportiert und von dort weiter nach Italien. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass eine solche Route jedenfalls technisch machbar wäre."
600 Kilometer des geplanten Verlaufs sollen über Land, 1.300 Kilometer der Pipeline unter Wasser verlegt werden – bei Wassertiefen von bis zu 3.000 Metern eine enorme technische Herausforderung. Die Baukosten der Leitung werden auf etwa sieben Milliarden Euro veranschlagt, die Bauzeit auf fünf bis sechs Jahre.
Dass sich eine solche Pipeline möglicherweise nicht rechnet und der Gasstreit den Wiedervereinigungsprozess auf Zypern erschwert, scheint man in der Europäischen Union hinzunehmen, vermutet die Energieexpertin Kirsten Westphal, denn für die Europäer stehe vor allem eine geopolitische Frage im Vordergrund:
"Weil damit natürlich große Hoffnungen verbunden sind, sich mehr zu diversifizieren. Gerade Russland ist da im Fokus. Man will weg von russischen Gaslieferungen. Insofern wäre es natürlich sehr gut, wenn man Gasfelder vor der eigenen Haustür hätte. Wer ist eigentlich natürlicher Abnahmemarkt? Da würde man nach Europa gucken, man würde auch in die südosteuropäischen Märkte gucken, die eigentlich die einzigen Gasmärkte sind in Europa, wo wir jetzt noch wirklich einen steigenden Ausbau im Gassektor sehen. Aber die sind eigentlich saturiert."
Die endgültigen Ergebnisse der Bohrungen stehen noch aus. Noch also gebe es Zeit, dass sich beide Volksgruppen über eine gerechte Verteilung der Vorkommen verständigen, hofft Kudret Özersay.
"Wenn wir es schon seit mehr als 50 Jahren nicht schaffen, das Zypern-Problem zu lösen, könnten wir doch wenigstens anfangen, in dieser Frage miteinander zu kommunizieren und einen Dialog einzuleiten, unabhängig von einer Lösung der Zypernfrage. Zusammenarbeit in der Frage der Energievorkommen könnte doch der Anfang einer Gesamtlösung sein. Wir sind davon überzeugt, dass eine gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit zu Frieden und Stabilität im östlichen Mittelmeer beitragen kann."
Umfragen zeigen, dass das Interesse an einer Wiedervereinigung unter jungen Zyprern auf beiden Seiten gering ist. Nach fast einem halben Jahrhundert der Teilung kennen nur noch die wenigsten Griechen einen Türken persönlich - und umkehrt. Obwohl die Grenze inzwischen weitgehend problemlos überquert werden kann, besuchen Zyprer den jeweils anderen Landesteil höchstens zum Einkaufen. Ob sich das ändern würde, wenn die Insel eines Tages in Petro-Dollar schwömme? Der Streit schon vor der Verteilung der Beute lässt in dieser Hinsicht wenig hoffen.