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Energiewende in Coronazeiten
Bundesregierung beschließt Wasserstoffstrategie

Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger für die Energiewende, war bisher aber sehr teuer. Die Bundesregierung investiert nun mithilfe des Corona-Konjunkturpakets neun Milliarden Euro, damit seine Erzeugung und Verbreitung umweltfreundlich und kostengünstiger gestaltet werden kann.

Eine Hand führt den Tankstutzen in ein blaues Auto, im Hintergrund steht eine H2-Tanksäule
"Grüner Wasserstoff" könnte im Verkehrssektor und in der Industrie eingesetzt werden (picture alliance / imageBROKER / Rupert Oberhäuser)
Eigentlich war sie schon für Ende 2019 angekündigt. Jetzt hat sich nach langen Debatten die Bundesregierung auf eine Wasserstoffstrategie geeinigt. Ein zentraler Punkt, um die Pariser Klimaschutz-Ziele erreichen zu können. Damit ist der Weg frei, den vermeintlichen Energieträger der Zukunft auf den Markt zu bringen. Der Fokus liegt dabei auf der Gewinnung von Grünem Wasserstoff.
Viele Technologien zur Elektrolyse von Wasser sind bereits marktreif, nun können große Anlagen zur Erzeugung und Verarbeitung gebaut werden - in sonnenreichen Partnerländern, denn mit Solarstrom kann man Wasserstoff dort günstiger produzieren.
Was ist Grüner Wasserstoff?
Für die Erzeugung von Wasserstoff muss viel Energie erzeugt werden. Grüner Wasserstoff wird ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt und soll überall dort eingesetzt werden, wo man klimaneutraler oder klimaneutral produzieren möchte, aber nicht direkt mit Strom arbeiten kann. Grüner Wasserstoff gilt als sauberer und vor allem als speicherbarer Energieträger.
Warum ist Grüner Wasserstoff so wichtig für die Energiewende?
Ziel ist es, die größten Treibhausgas-Verursacher klimafreundlich umzugestalten - ohne den Technologiestandort Deutschland zu stärken.
Beispiel Stahlindustrie: Dort soll die klimaschädliche Kokskohle ersetzt werden. Bei der herkömmichen Herstellung entsteht im Hochofen eine Menge CO2. Ersetzt man Kohlenstoff durch Wasserstoff, könnte Stahl nahezu CO2-neutral hergestellt werden, denn dann entsteht durch die Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff Wasser statt CO2. Kommt der Strom für die Herstellung des Wasserstoffs aus erneuerbaren Energiequellen wie Sonne, Wind und Wasser, könnte man nahezu "grünen Stahl" herstellen.
Ein Hochöfner bei der Arbeit - mit Schutzanzug inmitten von glühendem Stahl.
Energieintensive Industrie versucht nachhaltig zu werden
Die Stahlindustrie produziert laut Umweltbundesamt fast sieben Prozent der gesamten deutschen CO2-Menge im Jahr. Energieintensive Konzerne wie Thyssenkrupp versuchen sich umzustellen - doch dafür fordern sie Unterstützung.
Beispiel Verkehrssektor, insbesondere der Schwerlastverkehr: Hier möchte man größere Reichweiten erreichen als mit Elektroautos. In Niedersachsen probiert man bereits einen Wasserstoff-Zug aus. Die norddeutschen Küstenländer sind im Vergleich zum Bund schon vorangegangen und erhoffen sich auch eine Lösung für den überschüssigen Ökostrom aus ihren Windkraftanlagen. Auch in der Chemieindustrie und in der Luftfahrt soll Wasserstoff als Energieträger eingesetzt werden.
Ein Elektrolyseur im Wasserstoff-Hybridkraftwerk in Wittenhofe am Stadtrand im brandenburgischen von Prenzlau (Uckermark).
Norddeutschland setzt auf Grünen Wasserstoff
Wenn es um die Energiewende und die Klimaneutralität in Deutschland geht, ist rasch von grünem Wasserstoff die Rede. Mit Windstrom erzeugt, ist er nicht zuletzt auch für die norddeutschen Bundesländer ein Hoffnungsträger.
Wie genau investiert die Bundesregierung in die Wasserstoffwirtschaft?
Es sind vor allem zwei Zahlen interessant, die aus dem Corona-Konjunkturpaket kommen und sich dort in Punkt 36 und 37 verstecken. Es geht um insgesamt neun Milliarden Euro. Sieben Milliarden Euro sollen für Forschung an Grünem Wasserstoff, für den Aufbau der Infrastruktur - was für die Unternehmen besonders wichtig ist - und auch für einen gewissen Markthochlauf ausgegeben werden. Dazu kommen noch mal zwei Milliarden Euro für den Ausbau von Wirtschaftspartnerschaften, vor allem mit dem Ausland, um dort "Grünstrom", beziehungsweise auch Grünen Wasserstoff zu herzustellen und dann nach Deutschland zu importieren.
Wasserstoffauto tankt Wasserstoff an einer H2 Wasserstofftankstelle in Herten
Konjunkturpaket: Neun Milliarden für die Wasserstoffwirtschaft
Mit den Mitteln aus dem Corona-Konjunkturpaket der Bundesregierung sollen Produktionsanlagen deutscher Hersteller in sonnenreichen Partnerländern entstehen. Ebenso soll Geld in die Entwicklung von Speicher- und Transporttechnologien fließen.
Die vermutlich wichtigste Zahl in diesem Papier: Die Erzeugungsanlagen sollen bis zum Jahr 2030 fünf Gigawatt aufbauen. Die Debatte über diesen Ausbaupfad hat vermutlich zu der großen Verzögerungen der Wasserstoffstrategie geführt.
Die Strategie betrifft nicht nur Deutschland, sondern auch andere Länder. Warum?
Grüner Wasserstoff wird aus erneuerbaren Energien in der Elektrolyse hergestellt. Daraus ergibt sich ein riesiger Bedarf an erneuerbarem Strom. "Für fünf Gigawatt ist eine 'grüne Strommenge' von bis zu 20 Terawattstunden nötig", berichtet die FAZ. Das ist die Hälfte des heute erzeugten Windstroms an Land. Und da deutet sich schon an: Deutschland kann das nicht alleine. Spanien und Marokko sind jetzt als Herstellungs- und dann als Importländer im Fokus.
Eine Zapfsäule mit der Aufschrift "H2.Live" an der ersten Wasserstofftankstelle in Niedersachsen
Alternative Antriebe: Elektromobilität versus Wasserstoff
In Sachen alternative Antriebe für Autos hängt Deutschland im internationalen Vergleich hinterher. Besonders die Brennstoffzellentechnologie auf Wasserstoffbasis führt bei den Herstellern ein stiefmütterliches Dasein. Dass die Konzerne der Elektromobiltät den Vorzug geben, hat zwei Gründe.
Hoffnung auf eine weitere Förderung des Grünen Wasserstoffs kommt aus Brüssel in Form des "Green Deal". Die EU-Kommission will über 55 Milliarden Euro in den Ausbau erneuerbarer Energien stecken - und dabei auch in Grünen Wasserstoff investieren.
(Redaktion: Nadine Lindner und Olivia Gerstenberger)