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Energiewende
Verzicht auf Kohle ist möglich

Ein Kohleausstieg ist weltweit generell bis 2050 möglich, in einigen Ländern sogar schon früher - das ist das Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Untersuchung zeigt außerdem: Andere Länder stehen beim Kohleausstieg meist vor noch größeren Herausforderungen als Deutschland.

Von Dieter Nürnberger | 06.09.2018
    Blick auf die dampfenden Kühltürme des Braunkohlekraftwerkes Jänschwalde der Lausitz Energie Bergbau AG.
    Braunkohlerevier Lausitz (dpa/Patrick Pleul)
    Sechs Länder - sechs unterschiedliche Szenarien für einen möglichen Ausstieg aus der Kohlenutzung. In Südafrika beispielsweise hat die Nutzung der Kohle bei der Energiegewinnung den vergleichsweise höchsten Anteil: 82 Prozent. Und es ist das einzige der untersuchten Länder, in denen in den letzten Jahren sogar neue Jobs in diesem Sektor entstanden sind. Die Frage für die Wissenschaftler: Kann auch ein solch stark kohleabhängiges Land den Um- oder Ausstieg schaffen? Ja, sagt Pao-Yu Oei, Energieexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, dem DIW:
    "Südafrika ist ein Land, wo enorme Umweltkosten durch die Kohlegewinnung verursacht werden. Wo aber dennoch sehr hohe Potentiale für die Nutzung erneuerbarer Energien vorhanden sind. Dort gibt es sehr viel höhere Sonnen-Verfügbarkeitszeiten, als beispielsweise in Deutschland. Deshalb könnte man dort sehr viel günstiger erneuerbaren und umweltverträglicheren Strom produzieren."
    Kohleausstieg bis 2050 ist möglich
    Die sechs beteiligten Forschungsinstitute analysierten zuerst die Kosten, die die Nutzung der Braun- und Steinkohle verursachen. Wobei negative externe Kosten wie Umwelt- und Gesundheitsfolgen miteingerechnet wurden. Diese werden grundsätzlich von der Allgemeinheit bezahlt und nicht durch die Stromproduzenten. Die Kernthese der Untersuchung ist eindeutig: Ein Kohleausstieg ist möglich - generell bis 2050, in einigen Ländern auch schon früher, so der DIW-Experte:
    "Kostenverträglich bedeutet, dass die anfallenden Kosten deutlich geringer sind, als die Alternative - der Kontinuität der Kohleverstromung. Deswegen ist es für die Gesamtgesellschaft vorteilhafter, wenn wir jetzt schneller und zügiger austeigen."
    In Indien und China beispielsweise würde die Reduzierung des Kohleabbaus gleichzeitig die gravierende Luftverschmutzung reduzieren können. In der Studie geht es auch um die Gestaltung des Wandels - es geht um die Folgen für Beschäftigte und die betroffenen Regionen. Es gebe in allen sechs Ländern bereits Ansätze, Optionen und Ideen, so die Wissenschaftler:
    "Um die Energieversorgung zu gewährleisten, muss man natürlich die erneuerbaren Energien ganz nach vorne stellen. Denn das ist eine mögliche Alternative. Ich brauche aber auch noch zusätzliche Einnahmequellen, zusätzliche Arbeitsplätze durch andere Industriezweige. Das kann der Bereich nachhaltige Mobilität - etwa die Produktion von Batterien sein. Das kann in einigen Regionen auch der Tourismus leisten. Im Bereich der Arbeitsplätze brauche ich eine Diversifizierung von nachhaltigen und neuen Konzepten."
    In Deutschland werden solche Fragen derzeit in der sogenannten Kohlekommission "Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung" diskutiert. Rund 30.000 Beschäftigte arbeiten noch im Kohlesektor, der Anteil an der Energiegewinnung beträgt ein gutes Drittel. Die Grünen beispielsweise fordern einen Kohleausstieg bis 2030. Die Ergebnisse der internationalen Studie sieht Lisa Badum, die Energieexpertin der Bundestagsfraktion, als Ermutigung:
    "Die Studie sagt ja auch, dass es wichtig ist, einen Strukturwandel frühzeitig anzugehen. Dass die Menschen sich auch drauf vorbereiten und die Regionen entsprechend entwickelt werden können. Das machen wir in Deutschland derzeit allerdings nicht. Ganz aktuell wird dies natürlich an den Geschehnissen im Hambacher Forst deutlich - hier werden erst einmal Fakten gegen den Kohleausstieg geschaffen."
    Andere Kohleländer "haben es sehr viel schwieriger als Deutschland"
    Gegner eines schnellen Ausstiegs aus der Kohle kommen vor allem aus dem Lager von CDU, CSU und der SPD. Ihnen geht es um die Arbeitsplatzperspektiven und die Versorgungssicherheit des Industriestandorts Deutschland. Es dürfe nach dem beschlossenen Ausstieg aus der Atomkraft nun keinen energiepolitischen Kurzschluss geben, warnen beispielsweise die beiden CDU-Ministerpräsidenten in Sachsen und Nordrhein-Westfalen.
    Die sogenannte Kohlekommission will schon im Oktober Empfehlungen für die Strukturpolitik hierzulande vorlegen. DIW-Energieexperte Pao-Yu Oei hofft, dass die Ergebnisse der Studie auch in diesem Gremium eine Rolle spielen:
    "Die anderen Länder, die wir begutachtet haben, haben es sehr viel schwieriger als Deutschland. Und wenn Deutschland es nicht einmal schafft, einen sozial- und umweltverträglichen Konsens in diesem Bereich zu finden, werden andere Länder wie Indien, China oder Südafrika niemals unserem Beispiel folgen.
    Pao-Yu Oei sagt, dass ein endgültiger Kohleausstieg in Deutschland in den nächsten 15 bis 20 Jahren möglich und geboten ist. Sonst würden die nationalen Klimaziele nicht erreicht.