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Erfurter Dopingskandal
Deutscher Eisschnellläufer unter den Verdächtigen

Die Dopingrazzien von Seefeld ziehen immer weitere Kreise. Nach Recherchen der ARD-Dopingredaktion steht nun ein erster Deutscher als Blutdoping-Kunde des mutmaßlichen Netzwerks von Mark S. unter Verdacht. Die betroffene Person startete bei Olympischen Spielen im Eisschnelllauf.

Von Josef Opfermann | 24.03.2019
 Eissporthalle in Inzell beim Eisschnellauf-Weltcup
Eissporthalle in Inzell beim Eisschnellauf-Weltcup (dpa / Tobias Hase)
Das mutmaßliche Doping-Netzwerk um den Erfurter Sportarzt Mark S. – es arbeitete laut Staatsanwaltschaft international. In mindestens zwölf Ländern sollen demnach er und seine Komplizen aktiv gewesen sein. Zum Beispiel in Lillehammer, Norwegen. Dort mieteten sie sich am Rande eines Weltcups in dem Apartement von Birgit Sildnes ein. Sie erinnert sich genau.
Sildnes: "Aus den Medienberichten zu den Razzien in Seefeld und Erfurt habe ich gesehen, was da los war. Ich habe die Leute wiedererkannt, die bei mir in der Ferienwohnung zu Gast waren."
Reporter: "Und das waren die Personen aus Erfurt?"
Sildnes: "Ja!"
Olympia-Teilnehmer im Eisschnelllaufen
Mark S. und seine Komplizen – sie hatten nach Recherchen der ARD-Dopingredaktion auch Kundschaft aus Deutschland. Unter Verdacht steht eine Person, die bei Olympia im Eisschnelllauf startete. Vor den Winterspielen habe sich der deutsche Sportler das Blut mehrfach manipulieren lassen. Dazu gab es konkrete Hinweise verschiedener Quellen.
Nach ARD-Informationen ist der Name des betroffenen Athleten auch der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA seit kurzem bekannt. Auf Anfrage wollte die NADA den Fall weder bestätigen noch dementieren: Man könne derzeit dazu keine Stellungnahme abgeben.
Die Staatsanwaltschaft München erklärte: Man wolle den Vorgang nicht kommentieren, um weitere Ermittlungen nicht zu gefährden. Den Betroffenen hat die ARD-Dopingredaktion am Telefon erreicht. Er teilte mit, er wolle dazu nichts sagen.
"Radsportler, die an großen Rundfahrten teilgenommen haben."
Im Dopingskandal von Erfurt und Seefeld sind fünf Sportarten involviert – vier davon mittlerweile benannt: Eisschnelllauf, Ski-Langlauf, Leichtathletik und Radsport. Der Münchner Staatsanwalt Kai Gräber sagt:
"Dass ein nicht unerheblicher Teil der Athleten im Radsport tätig waren." Und Gräber präzisiert: "Es war jedenfalls so, dass auch Radsportler betroffen sind, die an großen und langen Rundfahrten teilgenommen haben."
"Gesetzesänderungen ernsthaft prüfen"
Die Dimensionen des Falls Erfurt werden immer größer. Sie beschäftigen nun auch die Politik. Als Anreiz für Sportler auszupacken, wird hier erneut über eine gesetzliche Kronzeugenregelung diskutiert. Bis hin zu Straffreiheit gegen relevante Informationen aus dem Milieu. Die Bundesregierung verschließt sich nun auch nicht mehr einer baldigen Ergänzung des Anti-Doping-Gesetzes.
Katarina Barley (SPD): "Wenn wir feststellen sollten, dass das nicht ausreicht, vor allem, wenn uns das Ermittler selber rückmelden, dann werden wir natürlich auch Gesetzesänderungen ernsthaft prüfen."
21 Athleten aus acht Nationen sind im Fall von Erfurt und Seefeld betroffen. Die alles dominierende Frage bleibt: Wer sind die weiteren Athleten? Nach ARD-Informationen kam neben dem Eisschnellläufer noch mehr Doping-Kundschaft aus Deutschland. Um wen es sich dabei handelt: bisher unklar.