Die "Operation Aderlass" Ende Februar hat Doping-Abgründe bei der Nordischen Ski-WM im österreichischen Seefeld aufgedeckt. Fahnder erwischten bei der Razzia im WM-Ort Seefeld einen Langläufer kurz vor dem Wettkampf mit der Nadel im Arm, sieben Verdächtige wurden in Tirol und zwei in Erfurt festgenommen. Auslöser der neuen Ermittlungswelle waren die Enthüllungen des früheren Dopingsünders Johannes Dürr, einem österreichischen Langläufer. Er hatte im Rahmen einer ARD-Doku Doping gestanden und war der Kronzeuge des Doping-Skandals. Jetzt kam heraus, dass der Österreicher bis zuletzt Eigenblutdoping betrieben zu haben und damit alle an der Nase herumgeführt habe.
"Die Glaubhaftigkeit seiner Angaben hat dadurch nicht gelitten", sagte Staatsanwalt Kai Gräber im Deutschlandfunk-Sportgespräch zu den neuerlichen Aussagen von Dürr und der Wende im Dopingfall. Gräber ist Abteilungsleiter der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Doping in München. Er habe den Eindruck von Dürr in den Vernehmungen gewonnen, dass dieser ein ehrlicher Typ sei.
Appell an Dopingsünder, sich zu stellen
Während der Razzia wurde bei dem deutschen Mediziner Mark Schmidt auf Erfurt 40 Blutbeutel sichergestellt, die von den Ermittlern noch den entsprechenden Athleten zugeordnet werden müssen. "Ich denke, man muss auch die alte Methode versuchen: Listen zu finden oder auch über Aussagen versuchen, die Blutbeutel über Kürzel dann einem Athleten zuzuordnen. Man könnte dann über richterliche Beschlüsse an einem ermittelten Athleten eine DNA bekommen, um die dann vergleichen zu können", sagte der Oberstaatsanwalt im Dlf.
Gräber appellierte im Dlf auch an die potentiellen Dopingsünder, sich zu stellen, bevor ihre Identität bei den Blutbeuteln sicher gestellt werde. "Wenn jemand sich von sich aus meldet und sich stellt, dass er letztendlich ein besseres Ergebnis bekommen wird als jemand, der wartet, bis die Strafverfolgungsbehörden bei ihm vor der Tür stehen."
"Man zeichnet ein viel zu negatives Bild"
Zu den Substanzen, die bei den Razzien gefunden wurden und der Frage, ob diese auch von den selben Hintermännern an die Athleten gelangten, sagte Gräber: "Ich habe natürlich eine Vermutung, dass die auch dort beschafft wurden. Bestätigen kann ich es noch nicht."
Der Münchner Staatsanwalt äußerte sich auch zum Generalverdacht für den Spitzensport, der durch den neuerlichen Skandal enorm an Vertrauen verspielt habe. "Man zeichnet ein viel zu negatives und pauschales Bild, wenn man über eine Dopingkultur im Spitzensport spricht. Pauschal den Sport als dopingkulturbehaftet zu sehen, finde ich, geht ein Stückchen zu weit. Sicher sind es keine Einzelfälle, die Dunkelziffer ist da erheblich. Aber es ist auch jetzt nicht so, dass jeder Sportler Dopingmittel verwendet."
"Ich halte eine Kronzeugenregelung für äußerst wünschenswert", äußerte sich Gräber zur Kronzeugenregelung im Sport, "weil sonst in diesem Bereich des Sportes wohl keine erfolgversprechenden Ermittlungen und auch keine erfolgversprechende Zugriffe möglich sein werden. Wenn man wirklich effektiv Dopingbekämpfung betreiben will kann es nur in Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden gehen."
Die Razzia scheint auch ein Türöffner in den Sport hinein gewesen zu sein, die Staatsanwaltschaft scheint sich durch die Aktion offenbar Respekt verschafft. "Ich glaube, dass die Dopingbekämpfung im Ansehen ein ganz anderes Bild bekommen hat. Ich könnte mir schon vorstellen, dass dieses Verfahren die Tür aufgemacht hat."
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