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Erste Lockerungen
Polnische Kunstfans atmen auf

Ab Mitte Februar sollen Theater, Kinos und Hotels in Polen wieder öffnen. Schon seit einer Woche sind neben Einkaufszentren auch Museen wieder auf. Viele Polen, die sich für Kunst begeistern, sind erleichtert und strömen in die Museen.

Von Florian Kellermann |
Besucher in der Zacheta Gallerie in Warschau schauen auf ein Kunstwerk
Die "Zacheta" Gallerie in Warschau ist wieder geöffnet (imago)
Die staatliche Kunstgalerie "Zacheta" in Warschau ist in einem eleganten neoklassizistischen Bau untergebracht. Die Deckenhöhe erreicht in manchen Sälen über acht Meter. Das heißt: viel Luftaustausch und gute Bedingungen in Corona-Zeiten.
Malgorzata Michalkow, 62 Jahre alt und Biologin, ist so froh, dass sie endlich wieder Kunst sehen kann:
"Das einfach wunderbar. Normalerweise würde ich mir Zeit nehmen und langsam durch die Ausstellungen gehen. Aber ich bin so aufgeregt, dass ich fast hetze, ich freue mich so über diesen Moment. Das hier hat mir so sehr gefehlt."
Gleichzeitig 150 Menschen dürfen sich laut Hygienevorschriften derzeit in der Galerie mit ihren 13 Sälen und der Bibliothek aufhalten. Und der Andrang ist groß: Hinter dem Kassenhäuschen hat sich eine Schlange von etwa 20 Personen gebildet.

Unintendierte thematische Nähe zu Corona

Sie spüre, wie die Menschen nach Kunst lechzen, sagt die Sprecherin der Galerie Olga Gawerska:
"Wir haben schon am Montag geöffnet, obwohl wir da normalerweise geschlossen haben. Es war 12 Uhr – und die Leute sind wortwörtlich hereingeströmt. Wir hoffen, dass die Zacheta so dauerhaft mehr Besucher haben wird als früher."
Olga Gawerska, Sprecherin der Galerie Zacheta in Warschau, blickt in die Kamera und steht in einem Raum
Olga Gawerska, Sprecherin der Galerie Zacheta in Warschau, (Florian Kellermann / Deutschlandradio)
Die aktuellen Ausstellungen wurden bereits vor Corona konzipiert. Trotzdem drängen sich Bezüge auf. So bei der Installation "Rhizopolis" von Joanna Rajkowska. Die Besucher treten in einen düsteren, feuchten Raum. An der Decke hängen abgeschnittene, noch lebende Wurzeln von Bäumen. Die Welt nach einer Katastrophe, nach der Epoche des Menschen – solche Assoziationen seien beabsichtigt, heißt es im Begleittext.
Die größte aktuelle Ausstellung heißt "Die Skulptur auf der Suche nach ihrem Platz" mit einer Vielzahl von Künstlern. Und nicht nur der Titel erinnere an Corona, meint die Biologin Malgorzata Michalkow:
"Im Saal nebenan haben wir Skulpturen der Künstlerin Katarzyna Kobro, aber nicht physisch, sondern virtuell, als Film. Sie zwingt einem so den Rhythmus auf, in dem man ihre Skulpturen betrachten muss. Diese Installation zeigt aber auch, dass man uns die Kunst nie ganz wegnehmen kann. Auch wenn die Museen geschlossen sind."

Museums-Hopping im Auslandssemester

Ortswechsel: Das Museum der Geschichte der polnischen Juden in Warschau hat am Mittwoch seine Türen wieder geöffnet. Auch dort stellten sich sofort die ersten Besucher ein. Ece, eine Studierende aus der Türkei, ist zu einem Stipendienaufenthalt in Warschau. Sie sitzt auf einer Bank und blickt durch das große Fenster auf den verschneiten Platz der Ghettohelden.
"Ich habe schon einige Museen gesehen hier in Warschau, das ist eines meiner Lieblingsmuseen: An diesem Ort, wo das Ghetto war, bevor die Menschen in die Vernichtungslager gebracht wurden, das hat eine starke emotionale Wirkung auf mich. Verstärkt noch dadurch, dass ich mich durch Corona selbst ein bisschen wie ein einem Gefängnis gefühlt habe."
Der Platz der Ghettohelden vor dem Museum der Geschichte der polnischen Juden
Der Platz der Ghettohelden vor dem Museum der Geschichte der polnischen Juden - im Sommer (Imago)
Die Corona-Pandemie hat Ece, 25 Jahre alt, den Studienaufenthalt gründlich verdorben.
"Ich studiere an der Universität Warschau seit fünf Monaten, aber ich habe noch keinen Vorlesungssaal gesehen und keine Professorin oder Kommilitonin. Ich weiß nicht, was für eine Art von Studium das sein soll, aber bestimmt keine gute."
Und das ausgerechnet in ihrem Fach, das von Kontakten lebt – Journalismus.
Die Dauerausstellung im jüdischen Museum ist während des Lockdowns umfangreicher geworden. Der Saal, in dem Ece sitzt, ist neu. Er ist polnischen Juden gewidmet, die internationale Berühmtheit erlangt haben. Unter ihnen Samuel Goldwyn, geboren in Warschau, der in die USA emigrierte und einer der wichtigsten Hollywood-Produzenten wurde. Besonders genau kann sich Ece das aber nicht anschauen. Sie habe nicht mehr viel Zeit, sagt sie:
"In zehn Tagen fahren wir zurück nach Hause. Deswegen rennen wir jetzt schnell durch alle Museen."