Mittwoch, 24. April 2024

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"Es geht hier auch um den Umgang mit dem Parlament"

Grünenpolitiker Hans-Christian Ströbele hat Bundespräsident Christian Wulff einen unangemessenen Umgang mit dem Parlament vorgeworfen. Als Ministerpräsident von Niedersachsen hätte Wulff den Sinn der Anfrage nach seinen Beziehungen zum Unternehmer Geerkens beantworten müssen, monierte Ströbele. Doch Wulff habe die Abgeordneten "nicht richtig ernst genommen".

Hans-Christian Ströbele im Gespräch mit Friedbert Meurer | 14.12.2011
    Friedbert Meurer: Bundespräsident Christian Wulff ist wie viele seiner Vorgänger in der Bevölkerung beliebt. Das hat allerdings auch schon seinem Vorgänger Horst Köhler nicht geholfen. Köhler trat zurück, weil er sich letzten Endes von seinen politischen Freunden im Stich gelassen fühlte. Zuvor waren ihm Äußerungen über die Beweggründe von militärischen Einsätzen der Bundeswehr vorgehalten worden. Aber so weit sind wir noch lange nicht. Es gibt auch keine Kritik im eigenen Lager an Christian Wulff, jedenfalls keine, die öffentlich laut geworden ist. Die Opposition verlangt dagegen Aufklärung.

    Vor eineinhalb Jahren hat die Bundesversammlung Christian Wulff zum Bundespräsidenten gewählt, allerdings erst im dritten Wahlgang. Jetzt fällt wieder ein Schatten auf den neu gewählten Bundespräsidenten. Die Spitzen der Oppositionsparteien in Berlin halten sich allerdings im Moment mit Kritik noch erkennbar zurück. Offenbar scheuen sie die Gefahr, als diejenigen dazustehen, die keinen Respekt vor dem höchsten Amt im Staate hätten.
    In Berlin begrüße ich den Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele. Guten Tag, Herr Ströbele.

    Hans-Christian Ströbele: Ja, guten Tag!

    Meurer: Nehmen wir mal an, der Bundespräsident würde sich jetzt den Fragen von Abgeordneten stellen, was würden Sie ihn fragen?

    Ströbele: Ich würde ihn fragen, warum er sich auf die Frage des Kollegen Abgeordneten im Landtag Niedersachsen so verhalten hat. Er musste ja wissen, worauf die Frage hinauszielte, nämlich ob es irgendeine Verbindung zu dem Geschäftsmann gibt, es eine wirtschaftliche, finanzielle oder sonstige geschäftliche Beziehung gibt. Dann hätte er natürlich auch dieses Privatdarlehen erwähnen müssen. Das heißt ja nicht, dass ein Privatdarlehen nicht genommen werden darf. Natürlich darf auch ein damaliger Ministerpräsident Privatdarlehen von Freunden oder sonst wem nehmen. Nur das muss transparent sein, und wenn ein Abgeordneter ausdrücklich danach fragt, ob es solche geschäftlichen, wirtschaftlichen Beziehungen gibt zu dem Unternehmer, dann hätte er auch das aufdecken müssen.

    Meurer: Wie schwer, Herr Ströbele, wiegt das für Sie, dass der damalige Ministerpräsident Christian Wulff dem Buchstaben nach die Frage korrekt beantwortet hat, aber eben nicht den Hinweis auf die Unternehmergattin gegeben hat?

    Ströbele: Es geht hier auch um den Umgang mit dem Parlament. Wenn ein Parlamentarier fragt, dann kann sich die Regierung oder hier der Ministerpräsident einer Regierung nicht darauf zurückziehen, dass er sagt, na ja, genau nach diesem Punkt hat er ja nicht gefragt, sondern er muss den Sinn einer Frage beantworten. Und damals ging es ja um Vorwürfe gegen den Ministerpräsidenten, weil er in einem Haus Urlaub gemacht hat von einem Freund in Florida und weil er mal upgegradet worden ist, ich glaube bei Air Berlin damals. Das heißt, man wollte wissen, ob der damalige Ministerpräsident gewisse Vorteile nimmt und Geschäftsbeziehungen mit Leuten hat, die wirtschaftliche Interessen verfolgen. Und darauf zielte die Frage ganz eindeutig hin und da hätte er sich nicht so um eine Antwort herummogeln müssen. Das heißt, der Vorwurf, den man hier machen kann, ist: Er hat das Parlament oder die Abgeordneten, die da nachgefragt haben, nicht richtig ernst genommen. Das ist übrigens ein Phänomen, was wir hier auch auf Bundesebene immer wieder beobachten. Auch mir ist das schon passiert, dass ich etwa gefragt habe, ist es richtig, dass ein deutscher Panzer in Saudi-Arabien im Wüstenklima erprobt wird, und dann hat man geantwortet, nein. Dann kriegten wir eine Woche später heraus, dass aber im Nachbarland ein deutscher Panzer im Wüstenklima erprobt wird. So kann man mit Abgeordneten dann nicht umgehen.

    Meurer: Das heißt, man sollte Sie künftig fragen, wie man Kleine Anfragen zu formulieren hat. - Herr Ströbele, ist die Reputation des Bundespräsidenten beschädigt?

    Ströbele: Der Bundespräsident muss jetzt alles tun, um den negativen Anschein, der hier entstanden ist, dass er nicht ordnungsgemäß geantwortet hat, auf die Fragen des Kollegen im Landtag, den Anschein muss er beseitigen. Das heißt, die Fakten müssen auf den Tisch, es müssen Fragen beantwortet werden, wer wusste eigentlich damals in der Landesregierung darüber bescheid, wie ist das ganz konkret genau gelaufen und warum hat er sich so verhalten, dass er anschließend ja offensichtlich diesen Kredit dann ersetzt hat durch einen ordnungsgemäßen Kredit mit einer Sparkasse oder einer Bank. Auch das deutet ja darauf hin, dass er da selber das Gefühl hatte: Na ja, so ganz toll ist das nicht und vielleicht hätte ich es doch angeben müssen.

    Meurer: Die Hauptverteidigungsstrategie ist, dass er sagt, ich habe dem Buchstaben nach die Kleine Anfrage korrekt beantwortet. So weit gehen, Herr Ströbele, möchten Sie nicht, zu sagen, der Bundespräsident muss zurücktreten?

    Ströbele: Nein! Es geht jetzt erst mal darum, die Fakten auf den Tisch zu bekommen und dass der Bundespräsident, der heutige Bundespräsident, der damalige Ministerpräsident sich dazu verhält und zeigt, dass er alles dazu tun wird oder tut, ganz konkret, um das aufzuklären. Und am Ende, wenn das dann alles aufgeklärt ist, dann kann man das abschließend beurteilen. Ich wehre mich dagegen, dass man vorab Schlussfolgerungen zieht, Konsequenzen fordert, bevor alles auf dem Tisch ist und der Bundespräsident auch die Möglichkeit hatte, dazu sich zu äußern.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.