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EU-Klimapolitik
Umweltverbände fordern ehrgeizige Ziele

Europäische Umwelt-Dachverbände und Klimaschutzorganisationen aus neun größeren EU-Staaten haben einen Appell an Kanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Gabriel gerichtet: Sie fordern klare Schritte für mehr Klimaschutz.

Dieter Nürnberer im Gespräch mit Jule Reimer | 04.02.2014
    Alle großen europäischen Umwelt-Dachverbände sind dabei, außerdem noch Klimaschutzorganisationen aus neun größeren EU-staaten: Gemeinsam appellieren sie heute in einem eindringlichen Brief jeweils an Bundeskanzlerin Merkel und an Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, klare Schritte für mehr Klimaschutz zu unternehmen.
    Frage an meinen Kollegen und Klimaschutzexperten Georg Ehring: Was genau wird da gefordert?
    Sie fordern in Anspielung an den Ruf von Angela Merkel als Klimakanzlerin vor dem Klimagipfel 2009 in Kopenhagen, der dann ja gescheitert ist, sie möge diese Führungsrolle wieder übernehmen. Hintergrund ist, dass die schwarz-gelbe Koalition in den vergangenen vier Jahren sehr wenig in dem Bereich zustande gebracht hat. Sie war zu zerstritten, ohne eigene Impulse. Jetzt gibt es mit der Großen Koalition aber eine neue Konstellation und die Verbände fordern eine Fortsetzung der Energiewende und sie fordern, dass die Bundesregierung vor allem in der europäischen Diskussion die Klimapolitik positiv beeinflusst, dass sich auch die Europäische Union ehrgeizige Ziele setzt.
    Deutschland selbst hat ja bis 2020 40 Prozent minus bei den CO2-Emissionen zugesagt und jetzt wird diskutiert, dass es 40 Prozent als europaweites Ziel bis 2030 gibt - das reicht diesen Verbänden nicht. Und sie fordern auch, dass es verbindliche Ziele für erneuerbare Energien gibt und auch für die Energieeffizienz und eine Reform des Emissionshandels, die dazu führen würde, dass dieser Emissionshandel seine Funktion wieder erfüllen kann.
    Welche Rolle kann Deutschland dann spielen?
    Deutschland könnte eine Rolle als Treiber spielen. Die Große Koalition hat ja jetzt die Möglichkeit, neue Akzente in der Klimapolitik zu setzen und es gibt auch einige Anzeichen dafür, dass sie das machen möchte. Letzte Woche hat Umweltministerin Barbara Hendricks ein Sofortprogramm für Deutschland angekündigt, weil das Klimaziel von minus 40 Prozent bis 2020 absehbar nicht erreicht wird. Und Hendricks hat auch gesagt: Die Vorschläge der EU-Kommission für die Klimapolitik bis 2030 seien eine gute Ausgangsbasis. Das ist die diplomatische Formulierung für: Unserer Ansicht ist noch ein bisschen mehr drin. Und die Verbände fordern jetzt, dass das auch in Taten umgesetzt wird. Jan Kowalzig von der Organisation Oxfam zum Beispiel, einer der Verbände hinter diesem Brief, sieht gerade in Deutschland große Möglichkeiten.
    "Das glauben wir deswegen, weil Deutschland ist natürlich als das Land der Energiewende das Land, auf das die ganze Welt schaut, ob das Land in der Lage ist, gegen die Interessen der eher klimafeindlichen Industriebranchen, der rückwärtsgewandten Branchen die Energiewende auch sozialverträglich durchzusetzen. Also wenn das nicht gelingt, würde die ganze Welt natürlich auch sich fragen: Sollen wir es denn auch versuchen, wenn ein Land so reich und technologisch fortschrittlich wie Deutschland es nicht erreicht."
    Eine offizielle Reaktion der Bundesregierung steht übrigens noch aus, aber in Regierungskreisen hieß es: Wichtig, dass Umweltverbände sich auch formieren, denn die Industrie formiert sich auch sehr stark mit dem Ziel, die Klimapolitik zu verwässern, zumindest Teile der Industrie.
    Nach den mageren Klimaschutzvorgaben der EU-Kommission von vor zwei Wochen wird morgen das Europaparlament seine Position zu CO2-Einsparungziel, Energieeffizienzziele und künftigen Anteilen für erneuerbare Energien festzurren. Die Südländer stecken voll in der Wirtschaftskrise, Polen setzt auf Kohle, auch um unabhängig von Russland zu sein. Lässt sich da überhaupt was bewegen?
    Ja, es gibt ja auch Gegenpositionen. Noch einmal kurz zur Position der EU: Sie fordert 40 Prozent Minus bei den Treibhausgasen und 27 Prozent erneuerbare Energien europaweit, also nicht auf die einzelnen Länder heruntergebrochen. Die Reform des Emissionshandels sowie Ziele bei der Energieeffizienz. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Skandinavien, da sitzen die Länder, die mehr wollen, mehr Ehrgeiz wollen und auch ein ökonomisches Kalkül dahinter haben. Erneuerbare Energien sind vermutlich langfristig billiger und sie sind auf alle Fälle dann billiger, wenn man die Klimafolgen und die Klimaschäden mit einberechnet und es ist bekannt, dass es eine große Lücke gibt zwischen Anspruch und Wirklichkeit auch im europäischen Klimaschutz. Es gibt aber auch viele Streitpunkte, zum Beispiel die Frage: Soll Atomkraft einen Beitrag leisten zum Klimaschutz? Da sind Länder wie Großbritannien und Frankreich, aber auch Osteuropa dafür, Deutschland ist dagegen mit dem Argument: Da würde die technologische Entwicklung hin zu Erneuerbaren verschlafen.
    Wie wichtig ist die europäische Haltung für die kommenden weltweiten Klimaverhandlungen?
    Europa gibt gewissermaßen eine Vorlage. Die weltweiten Klimaverhandlungen sollen 2015 zu einem weltweiten Klimaschutzvertrag führen und Europa ist der erste große Block, der seine eigenen Ziele formuliert. Andere Blöcke werden dann folgen.