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EU-Kommissionspräsidentschaft
"Cameron kann Junckers Wahl nicht verhindern"

Cameron soll gedroht haben, bei einer Wahl Junckers könne er für den Verbleib in der EU nicht garantieren. Für Markus Ferber (CSU) geht das zu weit. Cameron müsse aufpassen, dass er sich im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs nicht isoliere, sagte Ferber im DLF.

Markus Ferber im Gespräch mit Bettina Klein | 02.06.2014
    Porträt von Markus Ferber
    Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. (picture-alliance/dpa/Daniel Karmann)
    Das Europawahlergebnis von Camerons Konservativen sei desaströs für die britische Regierungspartei. Dennoch dürfte die EU wegen einer Personalie nicht auseinanderdriften. Mit seinem Widerstand gegen Juncker sollte sich Cameron nicht weiter ins Abseits der Staats- und Regierungschefs treiben lassen. Die "Botschaft ist klar, die EVP ist die größte Fraktion. Dass Juncker das erste Zugesrecht des Kommissionspräsidenten hat, dem kann sich der Rat auch nicht verschließen", sagte Ferber im Hinblick auf Camerons Haltung. "Ich hoffe, dass die Briten endlich mal anfangen, eine nüchterne, sachliche Diskussion zu führen".
    Ferber betonte, dass Kanzlerin Angela Merkel von der Kandidatur Jean-Claude Junckers nicht abgerückt sei. Im Gegenteil, sie habe versucht, kurz nach der Europawahl die Staats- und Regierungschefs zusammenzuhalten und ein Auseinanderdriften zu verhindern. Merkel wurde von der SPD und in den Medien für ihre anfänglich zögerliche Haltung zu Junckers Kandidatur scharf kritisiert.
    Ferber betonte, dass der Rat sich an der Entscheidung des EU-Parlaments halten und dementsprechend einen Vorschlag einbringen solle, der eine Chance bei den Abgeordneten habe.
    Im Hinblick auf das schlechte Ergebnis der CSU bei der Europawahl räumte er ein, dass "ein zündendes Thema für unsere Wählerschaft zu setzen", das Hauptproblem gewesen sei. Die CSU werde das Ergebnis aufarbeiten. Zu einer Personaldiskussion, die sein Parteikollege Erwin Huber angestoßen hatte, äußerte er sich nicht. "Wir wären falsch beraten, wenn wir uns selbst schwächen."

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Das Tauziehen um Jean-Claude Juncker als möglichen neuen Präsidenten der EU-Kommission geht weiter. Das belegen auch die Stimmen an diesem Morgen.
    Am Telefon begrüße ich Markus Ferber von der CSU, vor einer guten Woche wiedergewählt ins Europaparlament. Guten Morgen, Herr Ferber.
    Markus Ferber: Schönen guten Morgen, Frau Klein.
    Ferber: EU darf nicht auseinanderdriften
    Klein: David Cameron droht mit Austritt. Er sagt, er könne nicht dafür garantieren, dass die Briten sich bei einem möglichen Referendum für einen Verbleib in der EU aussprechen. Wie viel Gewicht muss man einer solchen Äußerung beimessen?
    Ferber: Ich glaube, Cameron steht natürlich innenpolitisch massiv unter Druck, und das hat er auch zum Ausdruck gebracht. Das Europawahl-Ergebnis in Großbritannien war desaströs für die Regierungspartei. Die Liberalen, der Koalitionspartner, sind auf einen Abgeordneten geschrumpft. Die Tories sind auf die Nummer drei verdrängt worden. Auf der anderen Seite sage ich ganz deutlich: Eine Europäische Union, die jetzt anfängt, auseinanderzudriften wegen einer Personalie, das ist nicht die Europäische Union, die die Zukunftsfragen für die Menschen beantworten kann. Deswegen sollte man schon versuchen, alle Mitglieder an Bord zu halten.
    Klein: Kann Cameron die Wahl Junckers verhindern?
    Ferber: Nein, das kann er nicht. Das kann er weder formal, noch sollte er es auf die Spitze treiben. Cameron muss auch aufpassen, dass er sich im Kreis der Staats- und Regierungschefs nicht isoliert. Das wird keine Erfolgsstrategie auch für die Insel sein.
    Klein: Nun konnten wir am Wochenende lesen, Herr Ferber, dass die Kanzlerin am Rande des Treffens der Staats- und Regierungschefs doch ziemlich deutlich zumindest vorübergehend von Juncker abgerückt ist und die Drohung da zumindest vorübergehend Wirkung gezeigt hat.
    Kanzlerin als Vermittlerin
    Ferber: Ich glaube nicht, dass Frau Merkel abgerückt ist. Das halte ich für nicht die richtige Darstellung. Es wäre aber auch vermessen gewesen, dass am vergangenen Dienstag, zwei Tage nach der Europawahl, wo viele Grundsatzfragen im Europäischen Parlament noch gar nicht geklärt sind – es hat ja nur ein Treffen der Fraktionsvorsitzenden des alten Parlaments gegeben, die neuen Fraktionen haben sich noch gar nicht konstituiert -, dass deswegen am Dienstagabend beim Treffen der Staats- und Regierungschefs schon ein Ergebnis herauskommt.
    Ich glaube, wichtig ist, dass die Bundeskanzlerin den Versuch unternommen hat, insgesamt die Staats- und Regierungschefs zusammenzuhalten, und das ist auch ein wichtiger Ansatz. Ich habe selber in Gesprächen mitbekommen, dass hier die EVP-Staats- und Regierungschefs natürlich hinter Juncker stehen, aber dass sie am Dienstag zunächst mal ausloten wollten, wie hier die Situation insgesamt ist.
    Klein: Herr Ferber, schauen wir doch noch mal genau hin. Der "Spiegel" schreibt, dass Frau Merkel ziemlich verärgert war über das Papier des Europaparlaments, das sie als Kriegserklärung angeblich bezeichnet hat, in dem man sich auf Juncker verständigt hat, und sie hat angedroht, wenn es so kommt, dann wird sie auch gegen Juncker stimmen, oder sich zumindest der Stimme enthalten. Sie wissen genau, dass das falsch ist?
    Ferber: Wir waren beide nicht mit dabei und auch die "Spiegel"-Redakteure waren nicht mit dabei.
    Klein: Wer weiß!
    Ferber: Nein! Von daher würde ich ein bisschen aus dem Kaffeesatzlesen abrücken wollen. Es ist ein klares Signal aus dem Parlament gekommen, allerdings mit dem Hinweis, es waren die Fraktionsvorsitzenden des alten Parlaments, drei davon sind nicht mehr Mitglieder des neuen Parlaments, auch als Person, eine Fraktion muss erst schauen, dass sie sich wieder konstituieren kann, dann haben wir die ganze Situation am rechten Rand, wo keiner weiß, wie sich da das Parlament aufstellen wird.
    Ich ging nie davon aus, dass schon am Dienstagabend hier ein klares Signal von den staats- und Regierungschefs kommen wird. Aber die Botschaft ist klar: Die Europäische Volkspartei ist die größte Fraktion, und das hat das Parlament zum Ausdruck gebracht, und da stehen wir auch dahinter, ich sage das auch für die CSU, dass natürlich Jean-Claude Juncker jetzt das erste Zugriffsrecht auf das Amt des Kommissionspräsidenten hat, und dem kann sich der Rat auch nicht verschließen.
    Klein: Sie schwächen das jetzt auch so ein bisschen ab, Herr Ferber, und sagen, das waren ja die ehemaligen Fraktionsvorsitzenden, die neuen müssen sich erst noch finden. Wer entscheidet denn jetzt letztendlich, der Rat oder das Parlament?
    Ferber: Ja gut! Formal ist es so, dass der Rat im Lichte des Europawahlergebnisses einen Vorschlag dem Parlament zu unterbreiten hat. Der Rat sollte sich aber schon daran halten, dass so ein Vorschlag auch eine Chance hat, im Parlament eine Mehrheit zu finden, und das war eigentlich abzusehen, dass das entweder Jean-Claude Juncker für den Fall, dass die EVP vorne liegt, oder Martin Schulz für den Fall, dass die europäischen Sozialisten vorne liegen, sein muss. Alles andere wäre auch einem Wähler nicht zu vermitteln und würde die Europawahl vollständig zur Farce machen, und insofern ist da eine gewisse Dynamik entstanden. Aber die Staats- und Regierungschefs müssen den Vorschlag machen und haben jetzt den Ratspräsidenten Herman van Rompuy beauftragt, mit uns, mit dem Europäischen Parlament Verhandlungen zu führen, und das war eigentlich das Ergebnis, das für den Dienstag als einziges zu erwarten war.
    Klein: Mit Verlaub: Das klingt für mich noch sehr wage und danach, dass wirklich alles offen ist, dass es wirklich eine offene Frage ist, ob Juncker diesen Posten bekommt. Die Kanzlerin hat sich ja erstmals wirklich ganz klar öffentlich am Freitag geäußert. Welche Strategie fährt denn die Bundesrepublik jetzt?
    Ein nicht aufhaltbarer Prozess
    Ferber: Ich glaube, die Bundesrepublik Deutschland hat hier eine wichtige Gestaltungsrolle, und ich glaube, es ist auch lobenswert, dass die Bundeskanzlerin versucht, ein Auseinanderdriften der Mitgliedsstaaten zu verhindern. Wir haben doch nichts gewonnen, wenn an den Rändern, also auch geografisch, Mitgliedsstaaten damit drohen, die Europäische Union zu verlassen. Auf der anderen Seite hat dieser Prozess eine Dynamik erreicht, dieser Prozess, Jean-Claude Juncker zum Kommissionspräsidenten zu machen, der wohl nicht aufzuhalten ist und der auch von niemandem aufgehalten werden soll, um das ganz deutlich auch zum Ausdruck zu bringen. Aber diese Dynamik ist noch nicht in jeder Hauptstadt in Europa angekommen, und da meine ich ausdrücklich nicht Berlin!
    Klein: Aber beides geht offensichtlich nicht, dass die Briten in der EU bleiben und dass Jean-Claude Juncker Kommissionspräsident wird. Also man wird sich am Ende entscheiden müssen.
    Ferber: Briten sollten die Vorteile der EU erkennen
    Ferber: Nein. Noch mal: Der Rat muss nur mit Mehrheit entscheiden. Es war bisher immer das Bestreben, einen Konsens herzustellen. Aber die Briten müssen für sich selber die Frage beantworten, wollen sie dabei bleiben oder nicht, und ich hoffe, dass die Briten endlich mal anfangen, eine nüchterne, sachliche Diskussion zu führen und nicht eine äußerst emotionale. Dann werden auch die Briten verstehen, dass die Vorteile einer Mitgliedschaft für sie deutlich größer sind als die Vorteile, wenn sie die EU verlassen würden.
    Klein: Herr Ferber, Sie haben gerade selber den Erfolg der rechtspopulistischen, der EU-kritischen Parteien angesprochen, vor allen Dingen auch in Großbritannien, und wir können natürlich den Blick auf Ihre eigene Partei bei den Europawahlen nicht ganz aussparen, denn die CSU stand mit 40 Prozent immer noch gut da in Bayern, nach ihren eigenen Maßstäben aber schlecht mit einem deutlichen Verlust, und da hatte es sich offenbar nicht gerechnet, im Wahlkampf auch Anti-EU-Ressentiments aufzugreifen. Jetzt hören wir sehr deutliche Worte von Ex-CSU-Chef Erwin Huber: Es muss aufgearbeitet werden, das Wahlergebnis ist eine Zäsur und es geht darum, ob die Partei auf Dauer zukunftsfähig ist. Stimmen Sie Huber zu?
    CSU: Der Aufarbeitung nicht verwehren
    Ferber: Also ich glaube nicht, dass wir uns der Aufarbeitung verwehren wollen. Wir haben uns nach den Pfingstferien verabredet für eine Klausurtagung des Parteivorstandes. Dort soll weiter aufgearbeitet werden. Aber die Wahrheit ist schon, dass es uns nicht gelungen ist, ein zündendes Thema für unsere Wählerschaft anzubringen, das zur Mobilisierung beigetragen hat. Das ist eigentlich unser Hauptproblem gewesen.
    Klein: Und wer muss dafür Verantwortung übernehmen? Seehofer sagt, er hat schon Verantwortung übernommen. Huber sagt, die Zeit der einsamen Ansagen ist vorbei, und das wird als deutliche Kritik am CSU-Chef verstanden. Stimmen Sie zu?
    Ferber: Ich stimme zu, dass die Kritik von Erwin Huber als Kritik an Seehofer zu verstehen ist, aber wenn der Parteivorsitzende vor dem Parteivorstand die Verantwortung übernimmt, dann ist das keine einzelne Entscheidung, die man zu kritisieren hat, sondern die nötigt mir großen Respekt ab.
    Klein: Er kritisiert auch autoritäres Gehabe von Seehofer und er schlägt vor, dass möglichst bald eine Nachfolgeregelung für Seehofer gefunden wird, und zwar nicht unbedingt nach dessen Wünschen. Ist das auch Ihre Meinung, Herr Ferber?
    Ferber: Nein! Wir sollten jetzt natürlich schauen, dass wir in der Legislaturperiode in Berlin, wo die CSU mit drei Ministern im Kabinett vertreten ist, kraftvoll in der Bundestagsfraktion vertreten ist, unsere politischen Inhalte durchsetzen können. Wir haben den Wählerauftrag für Bayern bekommen im Herbst letzten Jahres. Das gilt es auch, kraftvoll zu tun. Wir wären ja wirklich falsch beraten, wenn wir uns jetzt selber schwächen und damit eine erfolgreiche Durchsetzung unserer politischen Inhalte erschweren würden.
    Klein: Noch abschließend kurz, Herr Ferber: Bleiben Sie Chef der CSU-Europagruppe im Parlament?
    Ferber: Die Frage ist gestern Abend entschieden worden und hier hat man sich nach 15 Jahren für einen Neuanfang in der CSU-Gruppe entschieden.
    Klein: Und Sie bedauern das?
    Ferber: Ich nehme das zur Kenntnis.
    Klein: Markus Ferber, CSU-Europaabgeordneter, heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.