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EU-Unternehmenssteuern
Große Firmen zahlen meist weniger

Die Union ist ein Flickenteppich, wenn es um die Unternehmenssteuern geht – 13 Prozent in Irland, 29 Prozent in Luxemburg. Doch diese Steuersätze werden gar nicht gezahlt. Das zeigt eine Studie, die im Auftrag der Grünen erstellt wurde. Denn meistens zahlen die Firmen weit weniger Steuern.

Von Paul Vorreiter | 22.01.2019
    EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici.
    EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici. (picture alliance / dpa / Laurent Dubrule)
    Die Studie basiert auf länderspezifischen Steuerdaten, die sich mitunter nur schwer vergleichen lassen, der sogenannten Orbis-Datenbank. Verglichen wurden effektive und nominale Unternehmenssteuern in der Zeit zwischen 2011 und 2015 in der EU.
    Das Ergebnis: Obwohl der gesetzliche Unternehmenssteuersatz in der EU durchschnittlich 23 Prozent beträgt, müssen Firmen diesen Satz meist nicht entrichten. Im Durchschnitt seien es dann nur 15 Prozent.
    In Luxemburg würden zwei Prozent auf Unternehmensgewinne abgeführt, in Italien 30. In Deutschland zahlten Unternehmen im Durchschnitt rund 20 Prozent Unternehmenssteuern, etwa zehn Prozentpunkte unter dem gesetzlichen Satz.
    Firmen versteuern Gewinne im Wunschland
    Laut Studie sind es vor allem große Unternehmen, die die Steuern drücken können. Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament, erklärt sich das wie folgt:
    "Es gibt natürlich den zentralen Grund, dass wir in Europa kein gemeinsames Unternehmenssteuerrecht haben, und es gibt natürlich die Möglichkeit, damit Gewinne, die in einem Land erwirtschaftet wurden, in ein anderes zu verbuchen, wo die Steuersätze niedriger sind, und unsere Studie zeigt auch, dass das in großem Maße genutzt wird."
    Welche Maßnahmen genau dazu führten, dass nomineller und tatsächlicher Steuersatz auseinanderklaffen, das sagt die Studie nicht explizit. Aber die Möglichkeiten, günstiger davon zu kommen, seien vielfältig: Die Grünen erwähnen Steuerabsprachen einzelner Länder mit multinationalen Konzernen, unvollkommene Doppelbesteuerungsabkommen, die dazu führten, dass doppelt nicht besteuert würde oder aber Patentboxen, mit denen etwa Forschungsleistungen von Firmen steuerlich begünstigt würden. Anreize zu setzen, sei grundsätzlich in Ordnung, meint Giegold,
    Grüne verlangen länderbezogene Steuertransparenz
    "Aber was nicht geht, dass Patentboxen zum Beispiel in Ländern wie Malta, wo praktisch nicht geforscht wird, benutzt werden, um Gewinne, die anderswo erwirtschaftet wurden, nach Malta zu verschieben und dort praktisch nicht zu besteuern."
    Die Grünen fordern verpflichtende länderbezogene Steuertransparenz. Die Idee öffentlich zugänglicher Country-by-Country-Berichte gibt es bereits in der EU, bei denen Unternehmen mit einem Umsatzerlös von mindestens 750 Millionen Euro ihre Steuerdaten preisgeben. Je transparenter die Daten, desto größer der Druck der Öffentlichkeit und der Steuerverwaltungen auf die Unternehmen, so dass diese es sich drei Mal überlegen, ob sie Teile ihrer Gewinne wirklich in Niedrigsteuerländer verlagern. So zumindest die Idee. Nach Meinung von Tobias Hentze, Finanz- und Steuerexperte beim Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln, hat das Instrument aber auch Tücken:
    "Die Steuerbehörden wissen genau Bescheid, wie viel Steuern ein Unternehmen in den verschiedenen Ländern zahlt. Wenn das aber an die Öffentlichkeit gelangt, stellt sich in der Tat die Frage, ob auch die Öffentlichkeit darüber entscheiden soll, ob das jetzt genug Steuern sind oder nicht, und deswegen kann das auch zu Fehlinterpretationen führen in der Öffentlichkeit."
    Einheitliches Steuersystem für die EU
    Wie man unterschiedliche Steuerstandards in der EU bekämpfen kann und wie mehr Transparenz möglich ist, darüber wird schon lange in Brüssel diskutiert. Es scheint, als würden die Vorhaben aus einem einfachen Grund scheitern.
    "Solange wir uns in der EU darüber einig sind, dass Steuergesetzgebung auf nationaler Ebene erfolgt, ist es logisch, dass das Ergebnis unterschiedlich ist. Wenn wir das nicht wollen, dann müssen wir die Bestrebungen auf Ebene der EU vorantreiben, zu sagen, wir wollen ein einheitliches System für die gesamte europäische Union haben."
    Die EU-Kommission hat vergangene Woche einen neuen Anlauf gestartet, um in Steuerfragen schlagkräftiger zu werden. Finanzkommissar Pierre Moscovisci schlug vor, sich in der EU vom Einstimmigkeitsprinzip zu verabschieden und Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit zu treffen. Eine Maßnahme, die dem Vorschlag nach allerdings wiederum nur einstimmig beschlossen werden müsste, und das ist sehr unwahrscheinlich.