Donnerstag, 02. Mai 2024

Recht auf Reparatur
Wie die EU das Wegwerfen von Geräten verringern will

Smartphones, Tablets, Waschmaschinen - 4,9 Millionen Tonnen Elektro- und Elektronikschrott sind 2021 in der EU angefallen. Damit sich Reparieren mehr lohnt als Wegwerfen, hat das EU-Parlament ein Gesetz beschlossen. Bis es gilt, kann es noch dauern.

23.04.2024
    Ein Hand mit einem Werkzeug repariert ein Elektrogerät.
    Damit sich Verbraucherinnen und Verbraucher darauf verlassen können, dass sich eine Reparatur lohnt, soll auch eine Gewährleistung eingeführt werden. (picture alliance / epd-bild / Paul-Philipp Braun)
    Die Zahlen sprechen für sich: Laut Eurostat landeten im Jahr 2021 in den 27 EU-Staaten rund 4,9 Millionen Tonnen ausgedienter Elektro- und Elektronikgeräte im Müll: ein Höchstwert. Im Jahr 2015 waren es noch 3,2 Millionen Tonnen. Allein in Deutschland waren es 2021 mehr als eine Million Tonnen. Ob Fernseher, Computer, Kühlschränke – was kaputt oder vermeintlich zu alt ist, wird durch neue Geräte ersetzt.
    Mit dem sogenannten Recht auf Reparatur will die Europäische Kommission dieser Wegwerfgesellschaft etwas entgegensetzen. Am 23. April stimmten im EU-Parlament 584 Abgeordnete für die entsprechende Richtline, nur drei stimmten dagegen. Nachdem im Februar das Europaparlament und die EU-Staaten sich auf die Eckpunkte für die neuen EU-Vorgaben geeinigt hatten, war die Abstimmung eine weitere entscheidende Hürde. Nun haben die EU-Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, um das sogenannte Recht auf Reparatur in ihre nationalen Gesetze zu übertragen.

    Inhalt

    Was steckt hinter dem "Recht auf Reparatur"?

    Mit den neuen EU-Vorgaben soll es nicht nur einfacher, sondern auch deutlich günstiger werden, kaputte Sachen reparieren zu lassen.
    Wer sein Gerät zukünftig zur Reparatur bringt, soll von einem zusätzlichen Garantiejahr profitieren. Hersteller sollen außerdem verpflichtet werden, bereits während der gesetzlichen Garantie eine Reparatur anzubieten. Es sei denn, sie fällt teurer aus als ein neues Produkt, ist nicht machbar oder für den Verbraucher unvorteilhaft.
    Das Reparieren selbst soll nach dem Willen des Parlaments ebenfalls leichter werden. Vor allem Tüftler, unabhängige Werkstätten oder Repair Cafés würden davon profitieren. Denn die Vereinbarung verpflichtet Hersteller, Informationen über Ersatzteile auf ihrer Website bereitzustellen, wodurch der Wettbewerb unter Reparaturanbietern verbessert werden soll. Außerdem ist geplant, ein EU-weites Online-Portal einzurichten, auf dem Verbraucher etwa Werkstätten, Geschäfte für reparierte Altgeräte oder Interessenten für den Kauf defekter Geräte suchen können.
    Dass es die EU ernst meint mit ihrer Politik, Ressourcen zu sparen und die Umwelt zu schonen, zeigt auch die bereits im Sommer 2023 in Kraft getretene neue Batterieverordnung. Sie sieht unter anderem vor, dass ab Februar 2027 Akkus in Handys und Laptops von Verbrauchern und Verbraucherinnen selbst austauschbar sein müssen.

    Für welche Geräte gilt das "Recht auf Reparatur"?

    Das neue Reparatur-Gesetz soll zunächst nur für Produkte gelten, für die es bereits auf EU-Ebene Reparaturvorschriften gibt. Das sind unter anderem Fahrräder, Smartphones und Tablets sowie große Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen, Staubsauger, Spülmaschinen oder Kühlschränke. In Zukunft können die Vorgaben mittels der sogenannten Ökodesign-Verordnung auch auf weitere Produkte ausgeweitet werden.
    Schätzungen zufolge verlieren Verbraucher und Verbraucherinnen in der Europäischen Union jedes Jahr rund zwölf Milliarden Euro, weil sie sich für neue Produkte entscheiden, statt ihre alten Produkte zur Reparatur zu bringen.

    Was sind die Vorteile einer Kreislaufwirtschaft?

    Die Verlängerung der Garantie nach einer Reparatur soll nach dem Willen der EU zu einer Kreislaufwirtschaft beitragen. Von dieser angestrebten Kreislaufwirtschaft erhofft sich die Europäische Union viel, denn bestehende Materialien und Produkte sollen so lange wie möglich geteilt, wiederverwendet, repariert oder recycelt werden. So soll der Lebenszyklus von Produkten verlängert werden. In der Praxis würde somit der Müll um ein Vielfaches reduziert werden. Zudem wäre es ein Paradigmenwechsel zum bisherigen Modell der „Wegwerfgesellschaft“, das auf große Mengen billiger, leicht zugänglicher Materialien und Energie basiert.
    So sei die Idee der Kreislaufwirtschaft, Rohstoffe am Ende der Nutzungsphase, also wenn man Dinge wegschmeißen würde, so optimal wie möglich wieder zurückzugewinnen und im Kreis zu führen, erklärt Henning Wilts vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Das sei ein völlig anderer Ansatz als die derzeitige „erschreckend kurze“ Nutzung und anschließender Entsorgung von Produkten.
    Die Kreislaufwirtschaft sei „ein ganz zentraler Hebel“, um den massiven Abbau natürlicher Ressourcen (jährlich weltweit mehr als 100 Milliarden Tonnen) zu reduzieren, sagt Henning Wilts. EU-weit seien die Niederlande ein Vorbild. Denn im Gegensatz zu Deutschland, wo die Industrie nur zu 13 Prozent der Rohstoffe aus recycelten Materialien nutzt, sind es in den Niederlanden fast ein Drittel, so Henning Wilts.
    Kreislaufwirtschaft sei vor allem auch eins nicht: Abfallwirtschaft. Es sei ein komplexes System, bei dem auch Designer und Menschen, die Geschäftsmodelle entwickeln, mit am Tisch sitzen müssten. Mit Blick auf den Klimaschutz und die Wettbewerbsfähigkeit sei es „unerlässlich“, dass man diesen Weg geht, betont Wilts. Aber auch in Deutschland habe die Politik mittlerweile erkannt, dass sie Rahmenbedingungen schaffen müsse. So gibt es eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS), mit der Henning Wilts Hoffnungen verbindet. Denn der Markt werde es alleine „nicht hinbekommen“.

    Welche Probleme gibt es beim Recyceln?

    Der politische Wille mehr zu recyceln ist das eine, die Umsetzung das andere. Denn viele Technologien stecken noch in den Kinderschuhen - wie beispielsweise bei Lithium. Das Leichtmetall ist in Handyakkus und in E-Batterien enthalten und könnte massenhaft recycelt werden. Das industrielle Verfahren dafür ist in Deutschland aber noch in der Entwicklungsphase.
    Ähnlich sieht es bei den Seltenen Erden wie Neodym oder Dysprosium aus. Sie werden zu einem großen Teil aus China importiert und für Solarzellen, Windräder oder Elektroautos genutzt. Bisher werden diese seltenen Erdmetalle aber nur zu einem Prozent wiederverwertet – Recycling lohnt sich einfach nicht.
    Dabei sollte eine höhere Recyclingquote durchaus ein Ziel sein, denn die Umweltschäden beim Abbau sind immens. Allein bei der Gewinnung einer Tonne Seltener Erden werden bis zu 100 Tonnen CO2 frei und es fallen bis zu 1.000 Tonnen schwermetallhaltiges Abwasser sowie bis zu 2.000 Tonnen Abraum an.
    Hinzu kommt: Weltweit wird die Produktion solcher Seltenen Erden zu drei Viertel von China, Russland und den USA kontrolliert. Recycling könnte Europa also auch diesbezüglich unabhängiger machen. Allerdings sind auch in diesem Bereich die Technologien bisher nicht ausgereift.

    jad

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