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Europa und die Steuerflucht
Warum multinationale Konzerne wenig Steuern zahlen

50 Euro für eine Million Euro Gewinn: Apple musste am Unternehmenssitz Irland nur 0,005 Prozent Unternehmenssteuern abführen. Möglich ist das, weil EU-Staaten sich zu Steueroasen machen. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager will das ändern - doch bei 28 Finanzministern wird das schwierig.

Von Tom Schimmeck | 30.09.2018
    Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager spricht über die Milliardenstrafe gegen Google.
    Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager spricht über die Milliardenstrafe gegen Google. (AFP / JOHN THYS)
    "Zwei Steuerbescheide Irlands haben Apples Steuerlast mehr als zwei Jahrzehnte lang künstlich reduziert. Das ist eine Verletzung der EU-Regeln über Staatsbeihilfen. Apple wird nun Vorteile in Höhe von bis zu 13 Milliarden Euro zurückzahlen müssen, plus Zinsen."
    Im Sommer 2016 tritt EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager vor die Medien in Brüssel. Irland hatte der Firma Apple Steuervorteile gewährt. In manchen Jahren musste der Konzern nicht einmal ein Prozent Steuern zahlen.
    "Faire Besteuerung ist eine globale Angelegenheit. Sie muss für alle gelten."
    Kommissarin Vestager ist in Hochform. Eine gute halbe Stunde lang bietet sie tiefe Einblicke in ein Imperium der Steuervermeidung, beschreibt die verschachtelte Firmenkonstruktion. Sie rechnet vor, dass Apples effektive Steuerrate im Jahr 2012 nur 0,05 Prozent betrug. Und 2014 auf 0,005 Prozent fiel.
    "Was bedeutet, dass noch weniger Steuern gezahlt wurden. 50 Euro für eine Million Euro Gewinn."
    Firmen, die sich nicht an den Kosten der Gesellschaft beteiligen
    Heute, nach einer Serie globaler Enthüllungen – den Luxemburg Leaks, den Panama und den Paradise Papers – weiß die Welt um das Problem der Steuerflucht multinationaler Konzerne. Die Öffentlichkeit ahnt zumindest, welch ungeheure Summen an Orte fließen, die Konzernen wie Superreichen versprechen, dass sie ihre Reichtümer für sich behalten und weitgehend ungestört vermehren können. Allein die EU, so wird geschätzt, verliert jährlich 50 bis 70 Milliarden Euro durch "aggressive Steuervermeidung".
    "Dass die Leute nun aufwachen und begreifen, dass sie Steuern zahlen, während die Reichsten und die großen Konzerne dies nicht tun, setzt die Entscheidungsträger unter enormen Druck. Es ist offensichtlich: Das Steuersystem funktioniert nicht. Wir brauchen ein Neues."

    Tove Ryding vom Europäischen Netzwerk für Schulden und Entwicklung in Brüssel untersucht seit Jahren Firmen, die sich nicht an den Kosten der Gesellschaft beteiligen wollen. Und Staaten, deren Geschäftsmodell es ist, solche Konzerne mit Steuerrabatten und laxer Aufsicht anzulocken. Informationen, sagt sie, sind höchst mühsam zu ergattern.
    Seit Jahren wird in Brüssel darum gekämpft, welche Informationen Unternehmen wem preisgeben müssen. Ein Instrument ist das sogenannte "Country by country reporting" – also länderspezifische Berichte.
    "Das klingt ein bisschen technisch, ist aber sehr einfach. Es geht darum, dass die Konzerne Daten darüber veröffentlichen, wie viele Beschäftigte sie haben, wie viel Gewinn sie machen, und welche Vermögenswerte sie besitzen. All dies weiß die Öffentlichkeit nicht", sagt Nadja Salson, Steuerexpertin von EPSU, der Europäischen Föderation der Gewerkschaften für den öffentlichen Dienst. Mehr Transparenz sei dringend erforderlich in dieser Schattenwelt. Die EU-Kommission wollte einen Teil dieser Länderdaten öffentlich machen. Da sei man, heißt es auch aus der Kommission hinter vorgehaltener Hand, weniger erfolgreich gewesen.
     Der Schriftzug «Panama» ist am 04.04.2016 am Briefkasten eines Wohnhauses in Kaufbeuren (Bayern) befestigt.
    Auch seit den Panama-Papers weiß die Welt um das Problem der Steuerflucht multinationaler Konzerne (dpa/picture-alliance/Karl-Josef Hildenbrand)
    Globaler Standortwettbewerb um niedrige Unternehmenssteuern
    "Das ist nur der allererste Schritt. Und schon dieser Vorschlag wird im Rat blockiert. Zum Beispiel von der deutschen, der österreichischen, aber auch der schwedischen Regierung."
    Die zweite Front, sagt Salson, sei die Fairness-Frage.
    "Die wichtigste Steuerquelle sind heute Steuern auf Arbeit. Dann folgt die Mehrwertsteuer – also das, was die Konsumenten zahlen. Erst an dritter Stelle kommen die Unternehmenssteuern. In ganz Europa beobachten wir einen Rückgang der Steuern auf Unternehmensgewinne und hohe Einkommen. Während die Mehrwertsteuern steigen. Wir finden, dass dies unfaire Steuern sind, weil hier jeder denselben Satz zahlt, unabhängig von seinem Einkommen."
    Ein Grund für die Geheimniskrämerei: Seit Jahren tobt ein globaler Standort-Wettbewerb um immer niedrigere Unternehmenssteuern. Der Unterbietungswettlauf ist in vollem Gange. Irland bietet günstige 12,5 Prozent – mit vielen attraktiven Extras. Ungarn gar neun Prozent.
    Konzerne sind wie Zugvögel
    "Die wohl auffälligste weltweite steuerpolitische Entwicklung in den letzten Jahrzehnten war der Niedergang der Körperschaftssteuern. Zwischen 1985 und 2018 ist deren durchschnittlicher globaler Satz um mehr als die Hälfte gefallen. Von 49 auf 24 Prozent", heißt es in einer im Sommer 2018 erschienenen Studie von Wissenschaftlern der Universität Kopenhagen und der University of California Berkeley.
    Die Studie zeigt, dass Gewinne multinationaler Unternehmen im Umfang von rund 600 Milliarden Dollar in Steueroasen geparkt werden. Die USA, Großbritannien und Deutschland verlieren am meisten. Allein aus Deutschland flossen im Jahr 2015 an die 55 Milliarden Dollar ab. Die meisten westlichen Industriestaaten sind betroffen, auch Brasilien, China, Russland. Selbst Entwicklungsländer zahlen drauf. Nach Afrika etwa fließt in Summe weniger Entwicklungshilfe, als durch Steuerflucht und Finanztricks verschwindet.
    "Steuergerechtigkeit ist tatsächlich ein Schlüssel zu einer gerechten Gesellschaft."
    Die Hauptgewinner: Irland, Luxemburg und Singapur, aber zum Beispiel auch Karibik-Staaten, Hongkong, die Niederlande – und immer noch die Schweiz. Der Begriff "Gewinner" ist relativ. Die Oasen kassieren sehr geringe Steuern auf gewaltige Mengen verschobener Konzerngewinne. Was diese Staaten erhalten, ist nur ein winziger Bruchteil dessen, was die Konzerne anderswo sparen. Das ewige Dilemma: Die Konzerne sind wie Zugvögel. Während die Staaten versuchen internationale Wirtschaftsstrukturen national zu kontrollieren.

    "In Irland zum Beispiel – ohne Angestellte, ohne Direktor, an einer Briefkastenadresse. Und wenn Irland die Regeln ändert, Luxemburg aber nicht, schreiben sie auf einen neuen Zettel, die Firma sei jetzt in Luxemburg. Sobald Luxemburg dann die Regeln ändert, ziehen sie vielleicht nach Singapur."
    Sagt die Ökonomin Véronica Grondona, die in Brüssel als Expertin für die Linksfraktion im EU-Parlament arbeitet.
    Eine Miniaturfigur trägt zwei Geldkoffer auf einem Scrabble-Spiel in eine Bank (Illustration), auf dem das Wort Steueroase liegt.
    Wenn ein Land die Regeln ändert, dann ziehen Firmen in die nächste Steueroase mit den günstigeren Bedingungen (picture alliance / dpa / Jörg Carstensen)
    "Steuerbehörden haben nur sehr kleine Ferngläser"
    Man weiß heute mehr über solche Oasen-Strukturen, und auch über die Rolle der Fluchthelfer. Die großen Anwaltskanzleien etwa, oder die "Big Four", die vier dominanten Beratungsfirmen Deloitte, KPMG, EY – früher Ernst & Young – und PwC — Pricewaterhouse Coopers. Véronica Grondona hat früher für PwC gearbeitet, Konzerne beraten. Deutsche Firmen in ihrer Heimat Argentinien etwa, deren Manager ihr erklärten: "Wir bauen alles um, damit die Gewinne hier verschwinden."
    "Jedes Land kann derzeit höchstens sehen, was Konzerne in ihrem Land tun. Und vielleicht informiert die Firma die Behörden darüber, dass sie Transaktionen mit einer Tochter in der Schweiz machen. Aber sicher nicht darüber, dass von der Schweiz aus dann Transaktionen mit einer Tochter in Singapur gemacht werden, wo vielleicht der Löwenanteil der Gewinnverlagerung stattfindet. Das heißt: Die Steuerbehörden der Länder haben nur sehr kleine Ferngläser und sehen allenfalls, was in ihrem Umfeld stattfindet."
    In Staaten, die sich als Gewinner dieser Verschiebungen betrachten, gelten Niedrigsteuern, laxe Regulierung oder auch das Bankgeheimnis als eine Art Staatsräson, werden mit ängstlichem Trotz verteidigt. Das war schon im Schließfachparadies Schweiz zu beobachten, auch in Luxemburg oder auf den britischen Kanalinseln. In Irland ist es nicht anders. Als Margarete Vestager 2016 ihren Apple-Bescheid verkündete, wandten irische Journalisten ein, es hätten sich doch alle an die Regeln gehalten. Die Kommissarin reagierte kühl:
    "Wenn meine effektive Steuerrate 0,05 Prozent betragen – und auf 0,005 Prozent fallen würde, käme ich doch wohl auf die Idee, mal einen zweiten Blick auf meine Steuererklärung zu werfen."
    "Unsere nationale Entwicklung ist noch nicht über die Pubertät hinaus. Wir stecken immer noch in einer etwas paranoiden Mentalität fest: Erinnert euch an die schlechten Zeiten! Sagt bloß nichts, was die Multis ärgern könnte! Sonst wird alles schiefgehen. Und Weihnachten sitzen wir wieder im Armenhaus!"
    Meint Sorley McCaughey, Chef-Campaigner der irischen Organisation Christian Aid, die Steuerflucht früh zum Thema gemacht hat. Es geht hier um Abhängigkeiten, sagen die Kritiker. Irlands Rolle als Steueroase, sagt Richard Boyd Barrett, Abgeordneter im irischen Parlament, sei eine heilige Kuh, sogar für große Teile der Opposition.
    "Ich habe beantragt, dass wir Google, Facebook, Apple und all die großen Firmen, die im Zentrum dieses Sturmes stehen, als Zeugen einzuladen. Da gab es Aufruhr im Ausschuss."
    Da war Stimmung im Parlament. Der Vorsitzende ließ alle Kameras und Mikrofone abschalten. Selbst die Diskussion darüber sollte nicht öffentlich werden.
    EU-Kommission nimmt "aggressive Steuerplanung" ins Visier
    m EU-Parlament laufen zumindest die Mikrofone und Kameras weiter. Im Frühjahr 2018 unterstütze die Mehrheit der EU-Abgeordneten Pläne zur Einführung einer "Gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage". Sie soll es Unternehmen erschweren, Gewinne in Mitgliedstaaten mit niedrigeren Steuersätzen zu verlagern.
    Auch viele konservative Abgeordnete, wie hier der Franzose Alain Lamassoure, loben die Europäische Kommission dafür, dass sie die "aggressive Steuerplanung" von Mitgliedstaaten wie Belgien, Zypern, Ungarn, Irland, Luxemburg, Malta und den Niederlanden ins Visier nimmt.
    "Google und Facebook haben Millionen Kunden in meinem Land und zahlen keinerlei Steuern."
    Schon 2012 gab es einen ersten EU-Aktionsplan gegen Steuerbetrug. 2015 schickte die Kommission ein "Transparenzpaket" auf den Weg.
    "Die Politiker behaupten nun, sie würden jede Menge Aktivitäten entfalten. Tatsächlich aber haben wir immer noch genau jenes defekte Steuersystem, das all die Probleme verursacht."
    Auch Nichtregierungsorganisationen machen zunehmend Druck für mehr Steuergerechtigkeit, prangern die Methoden von Firmen wie Facebook, Amazon, Google, Uber – oder auch McDonald’s an.
    Der Gewerkschaftsdachverband EPSU etwa veröffentlichte mit amerikanischen Kollegen eine Studie unter dem Titel "Unhappy Meal", in dem Details eines Steuermodells von McDonalds analysiert wurden, mit Töchtern in Luxemburg, der Schweiz und den USA. Ein Konstrukt, das die europäischen Staaten zwischen 2009 und 2013, so schätzen die Autoren, etwa eine Milliarde Euro an Steuereinnahmen gekostet haben dürfte.

    Die Kommission ermittelte. Vergangene Woche verkündete Margrethe Vestager das Ergebnis: McDonalds habe nicht von illegalen Steuervergünstigungen profitiert und Luxemburg nicht gegen Beihilferegeln verstoßen. Obwohl alle Einnahmen von Franchise-Partnern in Europa, einschließlich Russland und der Ukraine, von Steuern befreit worden waren. Weil sie angeblich in den USA versteuert wurden, was nie geschah.
    "Die doppelte Nichtbesteuerung in diesem Fall beruht auf einer Unvereinbarkeit zwischen dem luxemburgischen und dem US-Steuerrecht und nicht auf einer Sonderbehandlung durch Luxemburg."
    Reklame von McDonalds an einer trostlosen Straße
    Nichtregierungsorganisationen machen Druck für mehr Steuergerechtigkeit - auch im Fall McDonald's (picture alliance/dpa-Zentralbild / Sascha Steinach)
    EU braucht Einstimmigkeit in Steuerfragen
    Ein sogenannter "Mismatch": eine Gesetzeslücke. Unfair, aber komplett legal. In anderen Fällen immerhin ordnete die Kommission an, dass Luxemburg wegen "selektiver steuerlicher Behandlung" hohe Beträge nachfordern muss – etwa von Amazon, Fiat Chrysler und dem französischen Engie-Konzern. Auch der Fall Starbucks in den Niederlanden endete mit Nachzahlungen wegen "unfairer Wettbewerbsvorteile".
    Auf Nachfragen aber hört man in der EU-Kommission lautes Seufzen. Bei 28 Finanzministern, so heißt es, passiere nicht viel. Zumal in Steuerfragen Einstimmigkeit vonnöten ist. Der Widerstand komme nicht nur von den üblichen Verdächtigen, sondern zum Beispiel auch aus Ungarn, Finnland, Schweden, Österreich und Deutschland.
    "Jedes Land in der EU hat leider irgendwelche Schlupflöcher, die dem Big Business nutzen", sagt die Gewerkschaftsexpertin Nadja Salson.
    "Alle Regierungen haben die Macht verloren, die Unternehmenssteuern zu regulieren. Das ist der Kern des Problems."
    Die Ökonomin sitzt in einem Gremium, das für die Kommission eine effizientere Steuerverwaltung entwerfen soll. Zusammen mit Experten, die eng verknüpft sind mit der "Steuervermeidungsindustrie", wie sie sagt. Die "großen Vier" sind überall dabei, agieren zugleich als Steuerflucht-Experten für Unternehmen und als Helfer der Politik.
    In der "Financial Times" spottete Karthik Ramanna, Professor an der Universität Oxford: "Die Kommission sollte es besser wissen als die Füchse einzuladen, um sie zu den Sicherheitsmaßnahmen für den Hühnerstall zu beraten."
    Schöne Worte, wenig Taten, findet auch die Ökonomin Grondona.
    "Ich sage nicht, dass die Kommission nicht arbeitet. Aber jede neue Initiative endet damit, dass genug Schlupflöcher bleiben und sich das System nicht wirklich ändert."
    Die Offenlegung der Konzernzahlen nach Ländern etwa ist eine zentrale Forderung auch der Sozialdemokraten. Der deutsche SPD-Finanzminister Olaf Scholz aber ruderte im Juli im EU-Parlament mit aller Kraft zurück.
    "Deshalb plädiere ich für ein sehr vorsichtiges Vorgehen, das am Ende ein effizientes Instrument herstellt, das aber von den Unternehmen und den verschiedenen Ländern, die wir brauchen, damit das international stattfindet, auch akzeptiert wird. Und bekenne ich mich ausdrücklich zu einem so vorsichtigen Weg."
    Was auf ein Vetorecht der Unternehmen hinausläuft. Kurz darauf wurde ein Papier aus seinem Ministerium bekannt, das vor einer "Dämonisierung" der großen Digitalunternehmen warnte.
    "Das ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen internationale Steuerhinterziehung."
    Sorge um nationale Einnahmen und Arbeitsplätze bremst viele Länder aus
    Schon Scholz' Vorgänger Wolfgang Schäuble galt als Bremser. Dahinter steht stets die Sorge um nationale Einnahmen und Arbeitsplätze. Ein Irrglaube, findet Tove Ryding.
    "Wir sehen doch, wer Jobs in Europa schafft: Kleine und mittlere Unternehmen. Genau die aber haben es schwer mit den großen Konzernen zu konkurrieren, die keine Steuern zahlen. Das schadet der Wirtschaft, das schafft keine Arbeit. Und es untergräbt die Gesellschaften in aller Welt, denn die brauchen Steuergeld, um Schulen, das Gesundheitswesen, Sicherheit, Straßen und andere Infrastruktur zu finanzieren."
    Offiziell ziehen alle an einem Strang. Selbst Irland kämpft gegen Steuervermeidung.

    "Irland spielte und spielt eine wichtige Rolle beim Projekt der OECD, das sich mit der Besteuerung multinationaler Konzerne beschäftigt", sagt Mark Redmond, CEO der amerikanischen Handelskammer in Dublin.
    "Die OECD hat 50 Jahre lang die internationalen Steuerregeln für multinationale Konzerne gemacht", kontert Tove Ryding. Genau die Regeln, die dieses Chaos produziert haben. Und die Konzerne haben sogar Recht, wenn sie sagen: Wir brechen keine Regeln. Das Problem ist: Die Regeln taugen schlicht nicht dazu, Steuern bei ihnen einzutreiben."
    "Ein gibt hier Konsens. Jede akademische Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass Irland eine Steueroase ist. Und dass die irische Regierung sich wie eine Krücke auf die OECD stützt, um behaupten zu können: Es gibt kein Problem. Da ist nichts", amüsiert sich Emma Clancy, irische Expertin im Europaparlament. In Dublin, sagt sie, bestimmen die Firmen die Politik.
    Beliebter Verschiebehafen für Firmengewinne: der Grand Canal in Dublin
    Beliebter Verschiebehafen für Firmengewinne: der Grand Canal in Dublin (Deutschlandradio / Tom Schimmeck)
    Trump senkt Unternehmenssteuer deutlich
    "Sie formulieren buchstäblich die Politik der Regierung. Sie machen Budget-Eingaben und sagen: 'Wir denken, dies und das sollte geschehen.' Und die Regierung übernimmt das und schreibt es in die Gesetze."
    Die Unternehmenssteuern fallen derweil weiter. Zuletzt hat Donald Trump in den USA sie von 35 auf 21 Prozent gesenkt. Er hilft dem Apple-Konzern, das Gros seines im Ausland geparkten Vermögens – gut 250 Milliarden Dollar – in die USA heimzuholen. Im August twitterte der US-Präsident:
    "Freue mich auf ein Dinner heute Abend mit Tim Cook von Apple. Er investiert jede Menge Dollars in die USA."
    Apple kündigt im Gegenzug ein paar Investitionen an.
    "Apple saying it will create 20.000 new jobs and build a new corporate campus in an American city still unnamed."
    Und auch für den "Double Irish", hat die Firma längst Ersatz gefunden – Apples viel geschmähtes Steuermodell, das drei Tochterfirmen in ein staatenloses – und steuerfreies – Niemandsland verlagerte.
    "Wir haben in etlichen Doppelbesteuerungsabkommen Irlands einen Mechanismus gefunden, den Double Irish fortzusetzen", berichtet Emma Clancy. Andy Storey, Dozent für politische Ökonomie am University College Dublin, erklärt die neue Methode.
    "Jetzt wird es ein bisschen kompliziert: Apples Töchter auf Jersey – die Insel ist ja selbst eine Steueroase – haben Apple Irland für den Kauf dieser Lizenzen, Copyrights und Patente das Geld geliehen. Die Lizenzen wiederum kann man steuerlich abschreiben. Und auch das Geld, das Apple Irland an Apple Jersey zur Rückzahlung der Schulden zahlt, ist steuerlich absetzbar. Was Steuervermeidung betrifft, öffnet sich jedes Mal, wenn sich irgendwo eine Tür schließt, anderswo eine neue."