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Extreme Temperaturen
Arabien droht der Hitzekollaps

Klimaforscher sagen den Großstädten am Arabischen Golf Temperaturen von 50 und sogar 60 Grad Celsius voraus - für Menschen ist das die Grenze der Belastbarkeit. Einige Wissenschaftler befürchten, dass heute noch dicht besiedelte Gebiete am Arabischen Golf zukünftig unbewohnbar werden könnten.

Von Karl Urban | 12.11.2017
Eine Ansicht auf die saudi-arabische Hafenstadt Dschidda. Im Vordergrund ein Monument mit einem Halbmond, im Hintergrund Hochhäuser.
Klimaanlagen und Air Condition machen das Leben auf der Arabischen Halbinsel erträglich - doch nicht alle können sich das leisten. (Imago/Danita Delimont)
Die Arabische Halbinsel. Hier leben heute knapp 80 Millionen Menschen. Die Hitze des Sommers sind sie gewöhnt.
"38 Grad oder mehr (…) und dann auch mal 40 und auch mal 45 und auch mal 48."
Doch jetzt hat eine Studie ergeben: Die Temperaturen könnten schon bald ins Unerträgliche steigen.
"Jedes Jahr wird da ein neues Extrem gemessen - in Kuwait zum Beispiel, im Irak und auch in den Emiraten und in Saudi-Arabien."
"Wenn diese Modellprognosen wahr werden und wir laufen darauf hinaus, dann wird diese Region aufgrund ihrer hohen Luftfeuchtigkeit und Wärme unbewohnbar."
Eine Region, zu der die reichsten Staaten der Welt gehören - und gleichzeitig die ärmsten. Hier könnte die schleichende Klimaveränderung bald eine tödliche Schwelle überschreiten.
"Diese Länder müssen jetzt über den Klimawandel nachdenken: In 50 Jahren werden sie getoastet, geröstet und gegrillt sein. Entscheidungen müssen jetzt gefällt werden."
Unbewohnbar.
Am Arabischen Golf droht der Hitzekollaps.
Von Karl Urban.

Berlin, am Rande des Tiergartens: Eingepfercht zwischen riesigen Botschaftsbauten und Vertretungen verschiedener Bundesländer steht ein schmales, aber prächtiges Gebäude im arabischen Baustil, wie aus 1001 Nacht: eine gut geschützte Botschaft.
"Er kommt jetzt rein, aber er braucht seine Tasche drinnen. Für das Interview."
Durch die Eingangshalle mit Marmorsäulen geht es in einem golden glänzenden Fahrstuhl nach oben, ins Büro von Ali Abdullah Al Ahmed, dem Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate. Es ist eines der wenigen Länder der Region, die sich Klimafragen schon heute offensiv widmen.
"Die Vereinigten Arabischen Emirate wurden 1971 gegründet. Wir sprechen also nur über 45 Jahre. In dieser Zeit gab es gewaltige Veränderungen in allen Dimensionen, die viele neue Ideen ins Land gebracht haben. Und heute ist ein wichtiger Teil unserer Strategie, uns für die Zeit nach dem Öl vorzubereiten."
Im Nebel stehen die Hochhäuser der Skyline von Doha, Katar, am 15.0.2014.
Blick auf die Skyline von Doha, der Hauptstadt Katars. (dpa/EPA/Yoan Valat)
Ali Al Ahmed ist jung, gerade ein knappes Jahr im Amt. Ein Vertreter eines aufstrebenden Landes.
"What I can tell you: 45 [°C] in our part of the world, it comes. And it may even come for weeks."
"Wir müssen in Technologie investieren"
Ahmed redet über die Hitze in seinem Land, die schon heute mit 45 °C und mehr extrem sei. Und die Temperaturen würden weiter zunehmen, was sein Land belasten werde. Aber sie hätten einen Plan gegen den Klimawandel. Ein Wort benutzt der Botschafter auffallend oft.
"You need to invest into technology that would help you..."
Technology.
"I think we need to work in two dimensions in parallel: number one, invest in technology..."
Technologie.
"That's what makes right now the investment in technology..."
Technologie.
"You need the brains to come together."
Milliarden für erneuerbare Energien
15 Milliarden US-Dollar haben die Emirate für die Entwicklung erneuerbarer Energien investiert. Über 160 Milliarden Dollar sollen über die nächsten drei Jahrzehnte dazukommen.
"Der Plan besteht aus drei Teilen: Wir wollen unsere Treibhausgas-Emissionen senken. Wir überlegen, wie wir widerstandsfähiger gegenüber dem Klima werden. Und es geht darum, unsere Wirtschaft breiter aufzustellen."
Dazu gehören Programme, der Hitze und der damit verbundenen Wasserknappheit zu begegnen.
"Die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate hat auch 1,5 Millionen Dollar an die Universität Hohenheim vergeben, für Forschung zum Klimawandel und über künstlich erzeugten Regen."
Die Universität Hohenheim im Süden von Stuttgart: Neben dem Schloss aus dem 18. Jahrhundert reihen sich sichtbetondominierte Hörsaalgebäude aneinander. Die Landwirtschaftsuniversität von Baden-Württemberg.
"Ich wollte zu Herrn Behrendt"
"Ja, das bin ich."
Forschung in der Wüste
Andreas Behrendt arbeitet im Fachbereich Physik und Meteorologie. Erst vor einigen Wochen ist er aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zurückgekehrt. Jetzt zeigt er Fotos auf seinem Laptop: Eine weite Landschaft in staubigen Ockertönen unter einem weißlich blauen Himmel, die wenige Autominuten hinter Abu Dhabi beginnt.
"Man kennt vielleicht die Bilder aus dem Fernsehen oder wenn man noch nicht da war: Von den großen Hochhäusern, die an der Küste hochgezogen wurden."
Auf dem Bildschirm folgt Bild auf Bild einer abenteuerlichen Forschungsreise: Quer durch eine Wüstenebene, eine staubige Schotterpiste hinauf, markiert mit den Worten "very steep and bumpy".
"Haben Sie gleich gelesen? Das ist das Problem: Es gibt hier zwei Straßen. Aber eine ist nicht benutzbar und die andere ist very steep and bumpy."
Ein Ölfeld in der Wüste Saudi-Arabiens, aufgenommen im Juni 2008.
Noch profitieren die Scheichs vom Öl aus der Wüste. (picture alliance / dpa / epa Ali Haider)
Die Fahrt war auch sonst nicht angenehm.
"Es war extrem heiß. Es sind tagsüber über 45 Grad Celsius. Auf dem Berg ein bisschen weniger, da haben wir vielleicht 35, was immer noch viel ist, und auch nachts über 30 Grad, aber eine sehr feuchte Atmosphäre zusätzlich. Also sehr viel Wasser ist da, aber eben in der Atmosphäre und nicht am Boden. Und das versuchen wir ein bisschen zu ändern."
Wolken säen bis sie abregnen
Der Name des Projekts: "Optimizing Cloud Seeding", also das Säen von Wolken, bis sie abregnen. Paraden in der Sowjetunion oder zuletzt die Olympischen Spiele in China wollte man so vor schlechtem Wetter bewahren.
"Es gibt nicht sehr viel Forschung in diesem Bereich, weil es eben auch als exotisch gilt und als etwas, was man schon so lange will und nie wirklich geschafft hat."
Die Vereinigten Arabischen Emirate wollen die Methode nun weiterentwickeln. Sechs Flugzeuge stehen in der Wüste bereit. Wenn sich feuchte Luftströmungen oder erste Wolken am Himmel zeigen, dann starten sie und zünden dort an ihren Tragflächen montierte Fackeln, die feine Salzpartikel freisetzen. Diese Partikel wirken als Kondensationskeime, lassen den meist weit unter dem Gefrierpunkt kalten Wasserdampf also zu Eispartikeln gefrieren. Die beginnen zu fallen - und werden mit etwas Glück zu einem Regenschauer und Trinkwasser. Oder wenigstens zu Nässe, die beim Verdunsten kühlt.
"Es geht darum, dass man versucht zu beeinflussen, was in der Atmosphäre geschieht. Und das so zu beeinflussen, dass eben mehr Regen fällt, wenn man es denn gerne haben möchte."
Extreme Luftfeuchtigkeit durch das Meer
Die Golfküste ist Teil des Wettersystems des indischen Monsuns: Absinkende Luftmassen sorgen für klaren Himmel und wenig Wolken. Das Meer heizt sich durch die intensive Sonnenstrahlung aber so stark auf, dass die Luft extrem feucht ist.
"Sehen Sie da die anderen Berge im Hintergrund. Man sieht auch wie diesig es ist."
Die Messgeräte der Hohenheimer stehen jetzt 900 Meter hoch in den Hajar-Bergen. Bisher starten die Flugzeuge des Emirs erst, wenn einzelne Regenwolken im Radar bereits sichtbar sind.
"Wenn sich eine Gewitterzelle bildet, dann sieht man das irgendwann auf dem großskaligen Wetterradar. Aber dann regnet es eben schon. Und dann ist es eigentlich zu spät, um die so genannte Wolkenmikrophysik noch zu beeinflussen, also die Wolkentröpfchen größer werden zu lassen, so dass dann mehr Niederschläge fallen."
Skepsis gegenüber technischen Lösungen
Ein Regenradar, das schon wenige hundert Meter große Luftverwirbelungen auflösen kann. Und ein Lidar, ein Lasermessgerät, das die Windgeschwindigkeit über viele Kilometer weit genauer vermisst, als dies Meteorologen bisher können. Es ist die nächste Generation der Wetterüberwachung, die den Regenfliegern den nötigen zeitlichen Vorsprung verschaffen soll. Andererseits: Ob das optimierte Cloud Seeding das Klima am Golf erträglicher macht, ist noch gar nicht gesagt.
"In der Tat ist es Grundlagenforschung: Es ist unethisch etwas zu versprechen und die Hoffnung zu wecken, dass durch gewisse Dinge etwas auf jeden Fall funktionieren wird. Das machen wir nicht."
Verwehte Fußspuren auf einer Sanddüne bei Assuan in Ägypten, im Hintergrund blauer Himmel
Verwehte Fußspuren auf einer Sanddüne bei Assuan in Ägypten (dpa / picture alliance / Arved Gintenreiter)
In Mainz, am Max-Planck-Institut für Chemie, untersucht Jos Lelieveld seit vielen Jahren, wie sich Temperaturen und Niederschläge zwischen dem östlichen Mittelmeer, Nordafrika und Südasien entwickeln werden. Es ist wohl das Ausmaß der anstehenden Veränderungen, die ihn gegenüber technischen Lösungen skeptisch machen.
"Wenn die globale Erwärmung zwei Grad sein wird, dann wird im Sommer die Wärme in diesem Gebiet nochmal um einen zwei Faktor mehr (steigen), das heißt (um) vier bis fünf Grad."
Unbewohnbar werden zunächst die Städte
Diese Mittelwerte sagen aber noch gar nicht alles: So könnten die heißesten Sommertage von heute schon in wenigen Jahrzehnten Alltag werden. Eine Hitzewelle im Jahr 2070 dagegen hieße: 55 oder sogar mehr als 60 Grad Celsius.
"Das heißt, in Gebieten, wo Hitzewellen eigentlich schon mehr oder weniger normal sind, werden diese Extremereignisse noch sehr viel extremer."
Eine US-amerikanischen Studie im Magazin "Nature" aus dem Jahr 2015 kommt zu dem Schluss: Längerer Aufenthalt im Freien ist dann nicht mehr möglich, selbst im Schatten. Die Region am Arabischen Golf wird binnen 50 Jahren im Sommer unbewohnbar. Zunächst wird es die Städte treffen. Im mittleren Osten drängen sich in den Metropolen heute schon 80 Prozent der Bevölkerung - und dort wird es noch einmal heißer.
"Wir nennen das den Urban Heat Island Effect. Das heißt, in den Städten wird es noch ein paar Grad wärmer als drumherum. Das hat einfach mit den Aktivitäten von Menschen zu tun. In den Städten ist es auch feuchter, weil einfach Wasser vorhanden ist, was auch nicht gut ist, weil die hohe Luftfeuchte auch sehr unangenehm ist. Das heißt, die Situation in den Städten ist eigentlich noch schlimmer."
Forschung zum Säen von Wolken
Ein Regenschauer aus einer manipulierten Wolke brächte da wohl kaum mehr als den sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein. Aber Lelieveld glaubt, das Konzept des Wolkensäens sei auch prinzipiell fehlgeleitet.
"Es wird unmöglich sein, im Sommer Regen zu erzeugen. Es ist einfach meteorologisch bedingt nicht möglich, auch nicht mit Chemikalien oder Ionen, die man erzeugt oder was auch immer. Diese Methoden funktionieren, wenn zum Beispiel die Teilchenzahl, an denen sich die Wolkentröpfchen bilden, wenn das ein Faktor ist, der limitierend ist. Das ist in diesem Gebiet nie der Fall. Es gibt immer Staub. Es gibt immer Verschmutzungs- und Feinstaubteilchen."
Andreas Behrendt kennt den Einwand, ist aber vorsichtiger.
"Das wissen wir ehrlich gesagt nicht."
Sein Projekt an der Universität Hohenheim ist nur eines von vielen, das die Emirate gerade fördern.
"Das wird auch untersucht, jetzt nicht in unserem Projekt, aber in einem Parallelprojekt von japanischen Wissenschaftlern, die dort die Aerosole wirklich sammeln in den Wolken, die Keime und untersuchen wie die Wolkenmikrophysik dort aussieht."
Über Jahrhunderte angepasstes Leben
Die arabische Halbinsel, Nordafrika, auch die Wüsten, die den Irak und den Iran durchziehen, sie gehörten schon immer zu den heißesten Gebieten der Welt und haben mit ihrem Klima die dort lebenden Kulturen geprägt. Die Menschen trotzten der Hitze mit luftigen Gewändern und Kopfbedeckungen, mit weißen Gebäuden und Schatten spendenden Gewölben.
Doch dann wurden aus den Scheichs Ölscheichs. Und auf die Jahrhunderte einer angepassten Lebensform folgten Jahrzehnte der Dekadenz.
"Egal wo man hingeht, egal ob man eine Sparkasse betritt oder einen Supermarkt oder einen Kiosk oder einen Obst- und Gemüseladen oder ein Ministerium oder eine Schule. Es ist wirklich egal, was man für ein Gebäude betritt. Es ist immer alles komplett durchklimatisiert."
Blick aus der 46. Etage des Hotels Four Seasons auf die Innenstadt der etwa 4,6 Millionen Einwohner zählenden saudi-arabischen Hauptstadt Riad.
Das Leben in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad könnte im Sommer bald unerträglich sein. (dpa / Peer Grimm)
Das sagt Miriam Seyffarth. Die Islamwissenschaftlerin hat zwei Jahre lang in Saudi-Arabien gearbeitet. Dort konnte sie beobachten: Nicht alle haben die Wahl, drinnen zu bleiben.
"Ich glaube auf jeden Fall, dass das für die Pilgerfahrt, die Haddsch, ein großes Problem wird, wenn die Temperaturen noch weiter ansteigen."
Arbeiten im Freien werden zur Belastung
Die meisten religiösen Rituale, für die jedes Jahr Millionen Moslems zu den heiligen Stätten pilgern, finden im Freien statt. Auch bei über 40 Grad, wenn die Haddsch wie in den nächsten Jahren in den Sommer fällt.
"Ansonsten sieht man Gastarbeiter, die auf Baustellen arbeiten. Man sieht häufig Hausangestellte, die irgendetwas rund ums Haus machen, gärtnern zum Beispiel, die Autos waschen, Dinge einkaufen. Man sieht viele Leute, die auch die öffentlichen Grünanlagen pflegen zum Beispiel oder man sieht auch viele Leute, die die Müllabfuhr erledigen."
Der Wohlstand der Golfstaaten, das Wachstum glanzvoller Großstädte - die Gastarbeiter haben einen entscheidenden Anteil daran.
"Das sind alles Menschen aus Pakistan, Indien und was weiß ich, wo die alle herkommen. Die arbeiten in der Straße und diese Leute sind richtig gefährdet, weil die nicht richtig geschützt sind. Um die Scheichs mache ich mir wenig Sorgen, aber um diese anderen Personen."
Dampfbadklima am Arabischen Golf
Im Hochsommer stellen sich auf der arabischen Halbinsel schon heute gelegentlich 50 Grad Celsius ein. Der Anstieg auf weit über 50 Grad wäre zu verkraften, wäre die Luft trocken wie in einer finnischen Sauna. Aber am Arabischen Golf herrscht ein Dampfbadklima.
"Für die Körperfunktionen bedeutet das natürlich eine immense Belastung."
Karin Müller ist Oberärztin und Kardiologin am Universitätsklinikum Tübingen. Unter den heute vorkommenden Bedingungen kommt der menschliche Körper mit seinen zwei Kühlsystemen noch zurecht: Wem zu warm ist, dessen Blutgefäße weiten sich. Das Herz schlägt schneller, um die Wärme über das Blut und über die Haut abzuführen. Wenn das nicht reicht, fängt der Körper an zu schwitzen.
"Es mag in der Sahara draußen 50 Grad haben und der Schweiß verdunstet sofort auf der Haut. Aber nichtsdestotrotz bleibt dieses Kühlsystem intakt."
Wolken über der Wüste Wahiba im Oman
Wolken über der Wüste Wahiba im Oman (imago / Wolfgang Zwanzger)
Wer ausreichend trinkt, kann sich selbst in den heißesten Ländern heute noch im Freien bewegen. Die "Nature"-Studie der beiden US-Klimaforscher zeigt allerdings: Wegen der feuchten Luft am Arabischen Golf könnte das Kühlsystem des Menschen versagen.
"Die stärkste Ausprägungsform ist der klassische Hitzschlag, mit einer Mortalität, also mit einer Sterblichkeit, von 50 Prozent, wenn das nicht behandelt wird."
Pflanzen gegen die Hitze
Es ist ein schleichender Prozess, der nur in den Statistiken exakt im Jahr 2070 die tödliche Schwelle überschreiten wird. Sechs Stunden im Schatten. Wo die Erde einem gesunden Erwachsenen dies nicht mehr erlaubt, gilt sie als unbewohnbar.
"Wenn sie Zahnschmerzen haben dann gehen sie zum Zahnarzt. Dann sagen Sie nicht, den Schmerz drücke ich weg. Das geht genau so mit dem Klima. Die Leute im Orient, die werden irgendwann merken, dass man unter diesen Bedingungen nicht mehr vor die Tür gehen kann."
Auch Klaus Becker macht sich Sorgen. Er propagiert eine andere Technologie gegen die Hitze.
"Dieses Beschießen der Wolken mit Nitraten, Silbernitrate oder was immer da genommen wird. Das ist auch noch umweltschädlich und es wird keine Lösung sein. Die Lösung sind die Pflanzen."
Becker hat an der Universität Hohenheim geforscht, inzwischen ist er emeritiert. Vor zwei Jahrzehnten entdeckte er in einer heißen Region Nicaraguas Jatropha curcas für sich: die Purgiernuss oder Schwarze Brechnuss.
"Jatropha (...) ist gekennzeichnet durch die Tatsache, dass die Pflanze von keinem Tier gefressen wird, weil sie einen Stoff enthält und dieser Stoff ist toxisch beziehungsweise hält die Tiere vom Grasen dieser Pflanze ab."
Jatropha ist an jede Temperatur adaptiert
Werden Jatropha-Samen in die Wüste gesetzt, wird aus den scharf brennend schmeckenden und giftigen Sämlingen schon nach wenigen Jahren ein Baum mit einem wulstigen Stamm, ein Zeichen für den Feuchtevorrat, von dem die Pflanze zehrt.
"Die Jatropha-Pflanze ist an jede Temperatur, sei sie noch so hoch, adaptiert. Das kann man von vielen anderen Pflanzen nicht sagen."
30, 40 und sogar über 50 Grad. Und: Jatropha braucht wenig, um zu gedeihen. Tiere rühren sie nicht an. Und sie wächst fast überall.
"Man kann es fast sagen, in Silizium im Wüstensand."
Ein Jodbaum, Purgiernuss, in Tansania.
Ein Jodbaum, Purgiernuss, in Tansania. (imago / blickwinkel )
In Luxor am Nil ließ Klaus Becker auf einer tausend mal tausend Meter großen Fläche fast 100.000 Bäume anpflanzen. Ein Zuchtprogramm machte aus der Wildpflanze mit mäßigem Ertrag eine Nutzpflanze, die schnell wächst und das Zehnfache an Nüssen trägt. Das Öl dieser Nüsse ließe sich sogar als Dieseltreibstoff verkaufen. Damit ist der nächste Schritt für den Biologen klar: Die Begrünung der heißesten Wüsten der Welt, entlang einer immensen Küstenlinie.
"Wir haben etwa 15.000 Kilometer an den warmen Ozeanen. Das geht von Luanda in Angola, über Saudi-Arabien, Oman und Namibia."
Pflanzen könnten CO2 binden
Gewaltige Mengen CO2 aus der Atmosphäre könnten dort im festen Kohlenstoff der Pflanzen gebunden werden. Deshalb erwähnt schon ein Bericht des Weltklimarats von 2007 den Jatropha-Anbau. Für von Hitze betroffene Regionen aber gäbe es einen weiteren Effekt.
"Wir konnten feststellen, dass in der Sonoran-Wüste in Mexiko oder auch im Oman eine Plantage von einer Million Hektar gut und gerne die Temperatur regional und kleinregional um über ein Grad Celsius absenken würde. Das ist eine ganze Menge, wenn wir uns darüber unterhalten, ob wir den Temperaturanstieg weltweit auf zwei Grad drücken können."
Der wohl kritischste Faktor ist das Wasser. Becker würde dazu zunächst die boomenden Wüstenstädte selbst anzapfen.
"Die Emirate produzieren im Moment 6000 Millionen Kubikmeter Abwasser. 2030 werden es 9000 Millionen Kubikmeter Abwasser sein. Und mit diesem Abwasser allein in dieser Region könnte man mit unseren Pflanzen, die am effizientesten mit dem Bewässerungswasser umgegangen sind, gut und gerne 1,5 Millionen Hektar in der Region Sandwüste bewässern."
Im Juli 2017 zum ersten Mal 53 Grad Celsius
Ein grüner Gürtel könnte von den Städten aus wachsen - und müsste im Niemandsland mit Meerwasser versorgt werden, von Salz befreit in gigantischen solarbetriebenen Meerwasserentsalzungsanlagen. Ein technologisches Großprojekt, wie es Ali Al Ahmed, dem Botschafter der Emirate, vorschwebt? Er will noch nicht so ganz an die begrünten Wüsten glauben.
"In den Emiraten haben wir vor drei Jahrzehnten damit begonnen, mehr Bäume anzupflanzen. Aber der Sand selbst, er ist so salzig. Und es war fast unmöglich, die Bäume wachsen zu lassen."
Auch diese verheißungsvolle Technologie hat also Startschwierigkeiten.
Die Zeit drängt: Immer neue Rekordtemperaturen werden in Kuwait, im Irak und dem Iran gemessen. In Saudi-Arabien herrschten im Juli 2017 zum ersten Mal 53 Grad Celsius.
"Man müsste eigentlich gestern angefangen haben."
Erste Schritt hin zu ökologischerem Wirtschaften
Immerhin: Die reichen arabischen Staaten haben begonnen, erste Schritt hin zu ökologischerem Wirtschaften zu gehen: weniger Wasserverbrauch, effizienterer Umgang mit Energie. Dazu gehört die Ankündigung des saudischen Erdölministers, 50 Milliarden Dollar für neue Solarkraftwerke auszugeben. Und da ist Masdar City in den Emiraten.
"The answer is in the wind and in the rain. The answer is at the sun. The answer is clean energy. The answer is Masdar."
Vor zehn Jahren angekündigt, galt die Vorzeige-Ökostadt als Symbol des Aufbruchs der arabischen Welt. Eine Stadt, die komplett aus erneuerbaren Energien versorgt wird, die dazu effizienter mit Wasser umgeht, in der Luftverschmutzung keine Rolle spielt.
"Constructed using green building materials and designed to reduce energy and water consumption by 40 percent."
Gegenüber diesem Werbespot wirkt die Realität blass. Masdar hat bereits viele Milliarden Dollar verschlungen: Aber das ausgeschriebene Bauland ist noch fast leer, der emissionsfreie Nahverkehr wurde nie gebaut, die hundertprozentig erneuerbare Energieversorgung: eine Illusion. Masdar taugt kaum als Leuchtturm für den Umbau der Region. Und müssten die reichen Staaten am Golf nicht längst auch politisch aktiver werden?
"Wenn man die letzten zehn bis 15 Jahre mal passieren lässt, dann muss man feststellen, dass viele arabische Staaten sicherlich nicht zu den progressiven Kräften der Klimaschutzverhandlungen gehört haben."
Ein starker Impulsgeber für Klimaverhandlungen
Manfred Fischedick ist Vizepräsident des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie. Er nimmt seit Jahrzehnten an den Klimagipfeln teil - und kennt das politische Tauziehen der letzten Jahre. Saudi-Arabien etwa gehörte zu den größten Bremsern ambitionierter Klimaabkommen. Doch diese Rolle wandelt sich langsam.
"Grundsätzlich muss man feststellen, dass sich das gerade in den letzten zwei bis drei Jahren ein Stück weit geändert hat, weil es viele der Staaten, Saudi-Arabien eingeschlossen, jetzt verstanden haben, dass sie in den nächsten 20, 30, 40 Jahren nicht einfach so weitermachen können."
Diese Schritte der Golfstaaten sind heute zaghaft: Noch profitieren sie vom schwarzen Gold - und wollen das vorerst auch weiter tun. Längst wären aber drastischere Schritte gefragt: Die arabische Welt als einer der größten Leidtragenden des Klimawandels wäre ein starker Impulsgeber für Klimaverhandlungen, um die von der Region abhängigen Industriestaaten unter Druck zu setzen. In den letzten zehn Jahren erlebten einige Staaten im Mittleren Osten die größten Dürren ihrer Geschichte. Kriege in Syrien oder im Jemen sind vielleicht nicht direkte Folge steigender Temperaturen. Aber das Klima begünstigt diese Konflikte, was die reichen Ölstaaten eigentlich zutiefst beunruhigen müsste.
"The heat waves and the rise of the temperature will impact each country differently."
Städte der reichen Golfbewohner werden zu Raumschiffen
Darauf angesprochen, weicht der Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate in Berlin aus. Jedes Land werde unterschiedlich von der Hitze getroffen. Und ja: manche würden die Flucht ergreifen.
"Some people will move from one place to another."
Die Touristenzahlen könnten zurückgehen; es könnte teurer werden, Klimaanlagen zu betreiben. Solche Sorgen muss man sich leisten können.
"Vielleicht liegt das daran, dass sie das einfach in ihrem Alltag nicht so stark spüren, weil es einfach immer schon extrem heiß dort war. Und wenn man ihnen jetzt sagt: Es wird übrigens noch heißer. Vielleicht kriegt man dann einfach so ein Achselzucken: Es war schon immer unerträglich heiß hier. Was soll da noch kommen? Wir leben sowieso in unseren klimatisierten Wohnungen - das macht für uns auch keinen Unterschied mehr."
3180966 08/29/2017 The construction of high-rises in Doha.
Die futuristischen Städte am Golf werden den Reichen vorbehalten bleiben (picture alliance / dpa / Vitaliy Belousov)
Die futuristischen Städte der reichen Golfbewohner entwickeln sich zu Raumschiffen: innen bewohnbar, außen tödliche Hitze. Noch scheint es fraglich, ob Eingriffe ins Wetter oder die Aufforstung einer Wüstenlandschaft überhaupt realisierbar sind. Immerhin - es gibt auch günstigere Maßnahmen, die etwas Linderung versprechen.
Tagesrhythmus verlagert sich in die Abend- und Nachtstunden
"Der Raum zwischen den Hochhausreihen muss groß genug sein, dass es noch Belüftungseffekt gibt. Das kriegt man stadtplanerisch durchaus in den Griff. Das zweite, was man machen kann, ist, das Mikroklima positiv zu beeinflussen durch eine Begrünung von Fassaden oder grüne Hausdächer. Auch das wird ansatzweise in vielen Ländern schon gemacht."
Der Mensch wird das tun, was er immer getan hat: sich anpassen. Botschafter Ali Al Ahmed jedenfalls glaubt daran, dass das in den Golfstaaten gelingen wird.
"Es geht darum, die Bevölkerung vorzubereiten. Was ist bei 45 Grad zu tun? Gibt es Dinge, die man zu bestimmten Zeiten vermeiden sollte? Solche Gedanken haben bereits das Arbeitsgesetz der Emirate verändert: Rund um die Mittagsstunden ist das Arbeiten draußen verboten, zum Beispiel auf Baustellen. Dafür sind Gesetze notwendig."
Der Tagesrhythmus und normale Arbeitszeiten dürften sich weiter in die Abend- und Nachtstunden verlagern. Vielleicht werden die heißesten Städte einfach nur noch im Winter bewohnt, wie bei der saudischen Hauptstadt Riad: Der hier ansässige Hofstaat zieht samt der Verwaltung des Landes schon heute jeden Sommer ins kühlere Dschidda ans Rote Meer.