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Fachkräftezuwanderungsgesetz
"Wir wollen uns die guten Leute aussuchen"

"Wir erleichtern mit diesem Gesetz den Zugang von Fachkräften", sagte Joachim Pfeiffer von der Unions-Bundestagsfraktion im Dlf. Man werde aber nicht alle Zuwanderer aufnehmen und müsse eine Einwanderung in die Sozialsysteme unterbinden. Das Fachkräftezuwanderungsgesetz soll heute im Kabinett beschlossen werden.

Joachim Pfeiffer im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Gleisarbeiten am an der KVB-Haltestelle Barbarossaplatz in Köln
    Die deutsche Wirtschaft ist und wird verstärkt auf ausländische Fachkräfte angewiesen sein (dpa / Geisler-Fotopress / Christoph Hardt)
    Sandra Schulz: Die Wirtschaft hatte schon mächtig gedrängelt, auch den Sozialdemokraten war es ein wichtiges Anliegen, das geplante Gesetz zur Zuwanderung von Fachkräften noch in diesem Jahr auf den Weg zu bringen. Gestern haben es Union und Sozialdemokraten noch mal spannend gemacht. Das Thema drohte, noch einmal von der Tagesordnung der heutigen Kabinettssitzung gestrichen zu werden - der letzten Kabinettssitzung dieses Jahres. Grund war der massive Widerstand einiger Unions-Abgeordneter. Dann kamen gestern Nachmittag aber doch noch die Meldungen, dass die Verabredungen stehen. Danach wurde aus einem Gesetz zwei.
    Ich kann darüber jetzt sprechen mit einem der CDU-Bundestagsabgeordneten, die zuletzt noch große Bedenken hatten. Am Telefon ist Joachim Pfeiffer, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Energie der Unions-Bundestagsfraktion. Schönen guten Morgen.
    Joachim Pfeiffer: Guten Morgen, Frau Schulz.
    Schulz: Den Kompromiss finden Sie jetzt gut?
    Pfeiffer: Ich denke, er geht in die richtige Richtung, weil die von Ihnen vorher erwähnten Eckpunkte, die wir ja so mitverhandelt und unterstützt haben, waren im ursprünglichen Entwurf nicht korrekt umgesetzt und da wurde jetzt einiges noch mal verbessert. Insoweit kann man davon ausgehen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
    Schulz: Da sind jetzt viele Details noch nicht bekannt. Sagen Sie uns vielleicht die Punkte, die aus Ihrer Sicht jetzt deutlich besser sind als vorher.
    Pfeiffer: Lassen Sie mich vielleicht aber mal zunächst auch noch mal sagen, um was es eigentlich grundsätzlich geht.
    Schulz: Das können wir gleich machen. Vielleicht vom Detail aufs Grundsätzliche kommend?
    Pfeiffer: Na, weiß ich nicht. Ich glaube, es geht schon darum, dass wir deutlich machen müssen, dass wir in Deutschland mehr Fachkräfte brauchen, und die Fachkräfte-Einwanderung und Zuwanderung kann dort eine Rolle spielen, ist aber mit Sicherheit eine nachrangige Säule gegenüber den anderen Säulen. Die erste Säule ist nämlich diejenige, dass wir in Deutschland nach wie vor über zwei Millionen Arbeitslose haben und über eine Million Menschen haben, die hier aufgrund mangelnder Qualifikation langzeitarbeitslos sind und andere Hemmnisse haben, nicht in den Arbeitsmarkt Zugang zu finden.
    Denen sollte vor allem unser erstes Augenmerk gelten und da ist schon Nachholbedarf, und da sind alle gefordert, insbesondere auch die Wirtschaft. Die zweite Säule …
    Schulz: … stand Ihnen bisher ja auch frei, die Weichen dementsprechend zu stellen. Nur, dass die Wirtschaft ja sagt, mit den Leuten können wir im Moment nicht arbeiten.
    Pfeiffer: Ja! Deshalb müssen die Anstrengungen unternommen werden, diese Menschen auch in den Arbeitsmarkt zu bringen. Die zweite Säule sind diejenigen, die aus der Europäischen Union kommen. Da ist in der letzten Zeit auch sehr viel passiert. Das Wachstum im Beschäftigungsbereich ist in den letzten Jahren gestiegen von der Zuwanderung aus der Europäischen Union.
    Dann ist die letzte die nachrangige Säule. Das ist die Fachkräfte-Zuwanderung, die von außerhalb der Europäischen Union kommt, und da gibt es jetzt zahlreiche Verbesserungen, wie beispielsweise der Wegfall der Vorrangprüfung. Aber es gilt auch sicherzustellen, dass unter dem Deckmantel der Fachkräfte-Zuwanderung kein Einfallstor geschaffen wird, um eine Zuwanderung in die Sozialsysteme zu ermöglichen oder gar noch attraktiver zu gestalten.
    "Jetzt haben wir Kriterien, was Grundvoraussetzung ist"
    Schulz: Die beiden Themen Asyl und Fachkräfte-Zuwanderung werden jetzt getrennt, in zwei getrennte Gesetze gegossen. Aber was ändert sich dadurch an der Sache?
    Pfeiffer: Es sind jetzt gegenüber dem ursprünglichen Entwurf zum Beispiel bei der Ausbildungsplatzsuche Verbesserungen aus unserer Sicht, der Fraktion von CDU und CSU erreicht worden. Ursprünglich waren bei der Ausbildungsplatzsuche, das heißt, dass jemand nach Deutschland kommen kann ohne Qualifikation, ohne einen Ausbildungsplatz zu haben, die Kriterien nicht ausreichend gewesen. Jetzt haben wir Kriterien, dass eine deutsche Auslandsschule oder ein Schulabschluss, der zum Hochschulzugang berechtigt, Grundvoraussetzung ist. Auch das Sprachniveau muss B2 - das ist ein relativ hoher Standard - betragen, was die Sprachfertigkeiten oder Schreibfertigkeiten anbelangt.
    Insoweit ist das eine klare Verbesserung gegenüber dem, was ursprünglich auf dem Tisch lag. Auch die Frage der sogenannten Nachqualifizierung, dass Teilausgebildete hier herkommen und dann hier sich weiterqualifizieren, die wurde befristet. Das sind zwei ganz wichtige Punkte aus Sicht der Fraktion, die jetzt noch eingeflossen sind.
    "Das sind aus meiner Sicht unbefriedigende Zustände"
    Schulz: Aber es ist schon so: Dieser Spurwechsel, gegen den Sie sich ursprünglich ja gewehrt haben, der auch schon seit längerem deswegen gar nicht mehr so genannt werden darf, der kommt jetzt. Richtig?
    Pfeiffer: Es geht zunächst ja darum, dass Fachkräfte gewonnen werden sollen aus dem außereuropäischen Ausland. Und Fachkräfte sind vor allem in den Bereichen, über die wir schon lange reden, aus dem IT-Bereich beispielsweise, aber auch aus dem Bereich von sozialen Dienstleistungen. Dort liegt vieles im Übrigen, um das auch noch mal deutlich zu machen, außerhalb auch von gesetzlichen Normierungen.
    Mir sind persönlich Fälle bekannt, wo heute bereits Fachkräfte im Pflegebereich, ausgebildete Krankenschwestern aus den Balkan-Ländern, Serbien, Mazedonien oder Kosovo, die Qualifikation haben, eine Sprachausbildung entsprechend hinter sich haben, die deutsche Sprache beherrschen, und einen Arbeitsvertrag in Deutschland vor- und nachweisen können. Dann dauert es aber bis zu einem Jahr, zum Teil sogar über ein Jahr, bis sie dann in der zuständigen Botschaft vor Ort einen Antrag stellen können, um ihr Arbeitsvisum für Deutschland zu erhalten.
    Das sind aus meiner Sicht unbefriedigende Zustände. Da ist viel Luft nach oben und da ist vor allem die Regierung gefordert und das Außenministerium gefordert, diese Zustände abzustellen. Dann können wir heute schon Fachkräfte holen.
    Schulz: Das wollen Sie jetzt ja beschleunigen. Das ist ja auch, wenn ich es richtig verstanden habe, der Punkt, der nicht umstritten ist. Aber jetzt wollte ich mich noch mal interessieren: Die Wirtschaft reibt sich ja an den Konstellationen, an den Fällen, die wir jetzt auch viel beobachten, von denen viele Fälle dokumentiert sind, abgelehnte Asylbewerber, die aber fest in Lohn und Brot stehen, die konkret von einem Arbeitgeber gebraucht werden. Was ist eigentlich so schlimm daran, wenn die bleiben?
    Pfeiffer: Wie gesagt, es sollen keine falschen Anreize gemacht werden.
    Joachim Pfeiffer, der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, am Rednerpult im Bundestag
    Joachim Pfeiffer, der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag (dpa / Christoph Schmidt)
    "Wir wollen nicht, dass alle nach Deutschland kommen können"
    Schulz: Was ist der falsche Anreiz, in Lohn und Brot zu stehen?
    Pfeiffer: Wenn jemand nach Deutschland kommt, illegal einreist, keinen Asylgrund vorweisen kann oder nachweisen kann, und dann auch noch über seine Identität täuscht, sogenannte Identitätstäuscher, die dürfen aus unserer Sicht - und da ist nach wie vor noch Gesprächs- und Nachholbedarf im parlamentarischen Verfahren -, die dürfen nicht in den Genuss der Duldung kommen und schon gar nicht in den Genuss einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis, weil das wäre ja geradezu eine Einladung zum Missbrauch des bestehenden Systems und würde hier eine ganz neue Missbrauchsindustrie wieder auf den Weg bringen.
    Deshalb müssen wir an der Stelle genau aufpassen, dass dieses nicht passiert, dass derjenige, der über seine Identität täuscht, nicht durch die Hintertür quasi im Eiltempo eine Duldung oder gar eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung bekommt.
    Schulz: Soweit ich die Diskussion verstanden habe, wirbt die Wirtschaft auch nicht für Identitätstäuscher. Das ist ja jetzt eine rhetorische Verschärfung, die Sie reinbringen. Aber aus der Wirtschaft gibt es ganz klar die Stimmen, die sagen, wir brauchen gute Leute, egal von wo sie kommen aus aller Welt. Warum ist da dem CDU-Wirtschaftspolitiker explizit diese Stimme aus der Wirtschaft nicht wichtig?
    Pfeiffer: Natürlich ist uns das wichtig. Wir müssen aber auch aufpassen, dass die Wirtschaft hier nicht Rosinenpicken veranstaltet, nämlich dass die Kosten, die die Erfolgreichen haben, in den Unternehmen verbleiben und die Kosten der Erfolglosen dann entsprechend sozialisiert werden.
    Und die Zahlen bei den Flüchtlingen, sie sprechen leider eine klare Sprache. Es ist zwar einiges erreicht worden, dass da welche in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung sind, aber zwei Drittel der Flüchtlinge, die wir heute in Deutschland haben, die leben in und von Hartz IV und sind alles andere als Fachkräfte. Da wird vieles durcheinandergeworfen.
    Wir wollen Fachkräfte und wir erleichtern mit diesem Gesetz auch den Zugang von Fachkräften. Aber ich sage ganz klar und deutlich: Wir wollen uns die Leute aussuchen, die gut sind, die wir wollen. Die wir brauchen können, die nehmen wir und da verbessern wir die Rahmenbedingungen. Aber wir wollen nicht, dass alle nach Deutschland kommen können und eine Einwanderung in die Sozialsysteme veranstalten, und deshalb werden wir sehr genau darauf achten, dass insbesondere bei der sogenannten Beschäftigungsduldung, die Sie auch vorher ja erläutert haben, hier nicht die Tore so aufgemacht werden.
    Da wird nämlich nachher keiner glücklich damit, auch nicht die Wirtschaft, weil die Fachkräfte, die sie sich wünscht, dann überhaupt nicht kommen, aber über die Sozialversicherung, die Sozialsysteme die dann zu bezahlen sind. Das kann nicht zielführend sein.
    Schulz: Der CDU-Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Ganz herzlichen Dank Ihnen!
    Pfeiffer: Bitte schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.