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Fall Edathy
CSU-Innenpolitiker: Friedrich wollte Interessen Deutschlands schützen

Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer sieht weiter Ungereimtheiten im Fall des zurückgetretenen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy. Im DLF sagte er, es sei womöglich nicht zu klären, wer wen gewarnt und wer mit wem über was geredet habe. Das zu klären sei aber nicht Sache des Bundestags, etwa durch einen Ermittlungsausschuss.

Stephan Mayer im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 21.02.2014
    Der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer spricht bei einem Statement vor einem Sitzungssaal in mehrere hingehaltene Mikrofone.
    CSU-Politiker Mayer: Merkel habe erkannt, dass Friedrich die notwendige Unterstützung fehle. (dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Christoph Heinemann: Für die Opposition sind die Ungereimtheiten rund um den ehemaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy noch längst nicht aufgeklärt. Der Bundestagsinnenausschuss möchte unter anderem abermals Jörg Ziercke, den Präsidenten des Bundeskriminalamtes, hören. Letzteren hatte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann mit seinem Anruf in Bedrängnis gebracht. Was wollte Oppermann? Wer hat Sebastian Edathy gewarnt? Wieso ließ sich die Staatsanwaltschaft Hannover viel Zeit und warum, wenn ja, hat sich der frühere Innenminister Hans-Peter Friedrich gesetzeswidrig verhalten? Das sind einige Fragen. – Am Telefon ist jetzt der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer. Guten Morgen.
    Stephan Mayer: Guten Morgen, Herr Heinemann.
    Heinemann: Herr Mayer, blicken Sie noch durch?
    Mayer: Ja, Sie haben schon recht: Es ist nicht mehr ganz so einfach, durch diese ganzen Ungereimtheiten und auch vielen Fragen durchzublicken. Aber ich glaube, das Licht hat sich in dieser Woche schon deutlich gelichtet. Es ist schon wesentlich mehr Licht ins Dunkel gekommen. Wir hatten ja sehr intensive Befragungen im Innenausschuss am vergangenen Mittwoch, hatten eine Aktuelle Stunde. Es gibt natürlich nach wie vor Ungereimtheiten, Sie haben ein paar davon angesprochen, die Staatsanwaltschaft Hannover hat sich sehr viel Zeit gelassen. Man muss auch sagen, auch das Bundeskriminalamt in Wiesbaden hat sich sehr viel Zeit gelassen mit der Abarbeitung dieser Liste von 800 Verdächtigen. Aber im Grunde genommen, glaube ich, ist mittlerweile schon klar, wie der Sachverhalt sich insgesamt abgespielt hat.
    Heinemann: Eine wichtige Frage ist: Wer hat Herrn Edathy gewarnt?
    Mayer: Ja, das ist eine Frage, die wahrscheinlich unbeantwortet bleiben wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich irgendwann mal jemand meldet und sagt, ich war’s. Ich glaube, man kann noch so viele Untersuchungsausschüsse einsetzen; es wird sich nicht klären lassen, wer letzten Endes den ehemaligen Abgeordneten Edathy gewarnt hat. Ob diese Warnung aus den Sicherheitskreisen von der Polizei kam, wenn, dann von welcher Polizei, aus dem Bundeskriminalamt oder möglicherweise von seiner Heimatpolizeiinspektion, aus dem Landeskriminalamt, oder möglicherweise aus politischen Kreisen, das sind, denke ich, Dinge, die lassen sich einfach letztendlich dann nicht klären.
    Heinemann: Aber man kann es doch mal versuchen mit einem Untersuchungsausschuss.
    Mayer: Ein Untersuchungsausschuss hat natürlich konkrete Aufgaben, die den parlamentarischen Betrieb betreffen, und in dieser Frage, Warnung des Abgeordneten Edathy, geht es um das strafrechtliche Ermittlungsverfahren. Auch was die lange Dauer des Verfahrens an der Staatsanwaltschaft Hannover anbelangt, gibt es natürlich viele Fragen. Nur ganz offen gesagt: Das sind Fragen, die müssen nicht im Bundestag beantwortet werden, sondern wenn, dann im Landtag in Niedersachsen. Also man muss auch wenn, dann sich immer klar vor Augen halten, was kann überhaupt ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss auf Ebene des Deutschen Bundestages klären, und ich denke nicht, dass er klären kann, wer den ehemaligen Abgeordneten Edathy informiert hat.
    Heinemann: Aber vielleicht kann man klären, wieso Herr Friedrich offenbar die Koalition für wichtiger hielt als seine Amtspflicht als Bundesinnenminister.
    Mayer: Ich gehe nicht davon aus - und habe auch keinen Anlass dazu - dass Hans-Peter Friedrich die Koalition wichtiger nahm als das Strafermittlungsinteresse gegenüber dem Edathy. Er hat beileibe nicht die Koalition schützen wollen, er hat die Interessen Deutschlands schützen wollen. Man möge sich nur vorstellen, dass der Edathy, der ja damals wirklich auch auf dem Karrieresprung war – er hat sich ja profiliert über den NSU-Untersuchungsausschuss -, ein exponiertes Amt in der Bundesregierung bekommen hätte, zum Beispiel als Staatssekretär oder als Staatsminister im Auswärtigen Amt, und dann wäre ein paar Monate später so wie jetzt die Bombe geplatzt, vielleicht sogar bei einem seiner ersten Auslandsaufenthalte…
    Heinemann: Ja gut, dann hätte die Koalition Pech gehabt.
    Mayer: Ja, die Koalition hätte Pech gehabt, aber nicht nur die Koalition, sondern, ich glaube, Deutschland hätte Pech gehabt.
    Heinemann: Aber der Innenminister hätte rechtsstaatlich sauber gehandelt.
    Mayer: Ob der Innenminister rechtsstaatlich sauber gehandelt hat, das wird sich klären im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens.
    Heinemann: Wenn nicht, warum ist er dann zurückgetreten?
    Mayer: Er ist zurückgetreten nicht wegen des möglichen strafbaren Verhaltens, sondern weil der Druck sehr groß war und die politische Unterstützung zugegebenermaßen sich Ende letzter Woche deutlich abgemildert hat, er eigentlich von keiner Seite aus mehr die notwendige Unterstützung hatte, und ich glaube, ein Bundesminister, der spürt, dass er nirgendwo mehr Halt findet, dass er von allen Seiten auch entsprechend die notwendige Unterstützung nicht mehr bekommt, der sollte dann zurücktreten. Deswegen habe ich nach wie vor großen Respekt und auch Hochachtung vor diesem Schritt von Hans-Peter Friedrich.
    Heinemann: Hat Angela Merkel Hans-Peter Friedrich zu früh fallen lassen?
    Mayer: Ich glaube nicht, dass es darum geht, jetzt zu eruieren, ob die Bundeskanzlerin Hans-Peter Friedrich fallen hat lassen. Es war so, dass der Druck groß war, auch der mediale Druck, muss man ganz ehrlich auch noch mal Revue passieren lassen.
    Heinemann: Aber wohl auch der politische Druck, und zwar aus den eigenen Reihen.
    Mayer: Es war so, dass die politische Unterstützung auch in den eigenen Reihen nicht mehr sehr groß war. Da haben Sie vollkommen recht. Das räume ich auch ein. Und ich glaube, deswegen hat Hans-Peter Friedrich dann auch konsequent gehandelt. Aber man muss dann aus meiner Sicht auch Respekt haben vor dieser Entscheidung.
    Heinemann: Kann man ja haben, doch. Dennoch noch mal die Frage: Hat Frau Merkel Herrn Friedrich zu früh fallen lassen?
    Mayer: Nein. Ich glaube nicht, dass Frau Merkel Hans-Peter Friedrich zu früh fallen hat lassen. Ich glaube, dass Angela Merkel erkannt hat, dass die Sache immer mehr auf die abschüssige Bahn gerät und letzten Endes Hans-Peter Friedrich selbst auch nicht mehr die notwendige Unterstützung sowohl im politischen Bereich als auch in der Öffentlichkeit, aber auch in der veröffentlichten Meinung, auch bei den Journalisten hatte.
    Heinemann: Herr Mayer, was ja auffällt in den letzten Tagen ist, dass auch auf Unions-Seite keine Rücktrittsforderungen an die Adresse des SPD-Fraktionschefs erhoben werden. Ist ein Thomas Oppermann auf Knien für die Union angenehmer, als es ein starker SPD-Fraktionschef wäre?
    Mayer: So profan wird nicht in Berlin Politik gemacht, auch wenn man es vielleicht häufig glauben mag. Aber es ist nicht so, dass wir hier nach dem archaischen Grundsatz vorgehen, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Es geht auch insbesondere mir als innenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion nicht darum, dass wir jetzt Rache üben. Wir wollen Aufklärung, wir wollen Transparenz, deswegen stehen wir auch diesem zusätzlichen Innenausschuss, der Innenausschuss-Sitzung heute Nachmittag auch noch mal sehr offen gegenüber. Aber es geht nicht darum, jetzt den Rücktritt von Thomas Oppermann zu verlangen. Aus meiner Sicht hat Thomas Oppermann Fehler gemacht, mehrere Fehler gemacht, ich sage das auch ganz offen, gravierende Fehler gemacht, insbesondere indem er den BKA-Präsidenten Ziercke angerufen hat. Das war nicht sehr klug und nicht sehr weise. Und auch die Presseerklärung, die er in der letzten Woche abgegeben hat, die dann letzten Endes auch zum Rücktritt von Hans-Peter Friedrich geführt hat, die war alles andere als glücklich. Er hat dies auch eingeräumt, er hat auch offen gesagt am Mittwoch, dass er den Rücktritt von Hans-Peter Friedrich außerordentlich bedauert, dass er ihm leidtut. Ich weiß nicht, ob es jetzt dann zur Befriedigung der eigenen Emotionen unbedingt erforderlich ist, jetzt stereotyp den Rücktritt von Thomas Oppermann zu fordern. Abgesehen davon können wir diese Entscheidung auch in keiner Weise beeinflussen. Das wäre eine originäre Entscheidung der SPD-Bundestagsfraktion. Ich glaube nicht, dass es jetzt darum geht, hier noch ein Opfer aufseiten der SPD zu fordern.
    Heinemann: Wann wird der Kuhhandel ausgehandelt Maut für Friedrich?
    Mayer: Auch das ist so eine Mär, die sich beständig hält. Es gibt hier keinen Kuhhandel. Um was es uns geht, dass wir endlich auch wieder vernünftig, seriös und verantwortungsvoll Politik betreiben können. Sie haben ja gerade eben den sehr interessanten Beitrag über die mögliche Einigung in der Ukraine gezeigt. Wir sehen doch tagtäglich, vor welch großen Herausforderungen wir stehen, in Deutschland, aber auch in Europa, außerhalb Deutschlands. Deutschland spielt – Außenminister Steinmeier hat ja entscheidend auch zu diesem Kompromiss beigetragen – mittlerweile eine außerordentlich wichtige Rolle, sowohl…
    Heinemann: Also keine Maut für Friedrich?
    Mayer: Diesen platten Kuhhandel wird es mit Sicherheit nicht geben.
    Heinemann: …, sagt der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören!
    Mayer: Ich bedanke mich. Alles Gute! Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.