Kommentar
Finanzierung der Bundeswehr: Sicherheit geht vor Sozialpolitik

Die Bundesregierung muss alles tun, um die Finanzierung der Bundeswehr sicherzustellen, fordert Markus Pindur - der russische Imperialismus sei das drängendste Problem unserer Zeit. Teure sozialpolitische Projekte dürfe es vorerst nicht mehr geben.

Ein Kommentar von Marcus Pindur |
Soldat auf einem Panzer, aufgenommen im Rahmen einer Übung der Bundeswehr mit Streitkräften aus Norwegen und der Tschechischen Republik in der Übungsstadt Schnöggersburg.
Militärübung "Wettiner Schwert": Die Bundeswehr braucht langfristig deutlich mehr Geld, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. (picture alliance / dpa / photothek.de / Florian Gaertner)
Wie das Problem gelöst wird, ist eigentlich egal. Hauptsache, es wird schnell und umfassend gelöst. Die Ausfinanzierung der Bundeswehr ist elementarer Bestandteil der sogenannten Zeitenwende. Kann dies nicht von der Regierungskoalition gewährleistet werden, dann hat die Ampel ungeachtet aller anderen Leistungen versagt.
Das existentielle Problem unserer Zeit ist nicht die Vorratsdatenspeicherung oder die Art und Weise der Umsetzung der Kindergrundsicherung. Das bedrohlichste und drängendste Problem ist der russische Imperialismus und der von ihm ausgehende Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Kriegsgefahr an der NATO-Ostflanke.

Der Sonderfonds ist spätestens 2027 erschöpft

Ohne Sicherheit ist alles andere nichts, erklärte Bundeskanzler Scholz vor zwei Monaten auf der Münchener Sicherheitskonferenz. Das wären klare Worte, wenn ihnen ebenso klare Taten folgten. Kein Wunder, dass der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, André Wüstner, jetzt ein Machtwort des Kanzlers zur Finanzierung der Verteidigung gefordert hat.
Sobald der Sonderfonds für die Ausstattung der Bundeswehr leer ist, und das wird 2025, nach anderen Berechnungen 2027 der Fall sein, müssen knappe 30 Milliarden Euro pro Jahr mehr in den Verteidigungshaushalt gehen.
Selbst mit dem Sondervermögen wird derzeit das der NATO zugesagte Zwei-Prozent-Ziel nur mit Hängen, Würgen und einigen Buchungstricks erreicht. Wenn Deutschland zeigen will, dass es die reale Bedrohung durch Putin ernstnimmt, dann muss die Bundesregierung schnell handeln. Auf ein Machtwort des Kanzlers wird man sich dabei nicht verlassen können.

Zeitenwende: Die Ampel muss jetzt liefern

Wenn die Ampel das Problem glaubwürdig angehen will, dann werden mehrere finanzpolitische Instrumente kombiniert werden müssen. Teure sozialpolitische Projekte verbieten sich in kommenden Jahren. Die Rückzahlung der Corona-Kredite muss gestreckt werden. Die Schuldenbremse muss zugunsten der Sicherheit reformiert werden. Alle drei Koalitionspartner werden Federn lassen müssen.
Davon hängt nicht nur die Glaubwürdigkeit Deutschlands in der NATO ab, sondern auch die Glaubwürdigkeit unserer Abschreckung. Die Koalitionäre sollten sich alle drei am Riemen reißen. Ein langer, ampeltypischer Streit würde von Putin als Unentschiedenheit und Schwäche gelesen werden.
Die Ampel hat jetzt die Chance, zu beweisen, dass sie Zeitenwende kann. Wenn sie diese Chance nicht wahrnimmt, dann wäre es besser, die Probleme suchten sich eine andere Koalition.
Dr. Marcus Pindur
Marcus Pindur hat Geschichte, Politische Wissenschaften, Nordamerikastudien und Judaistik an der Freien Universität Berlin und der Tulane University in New Orleans studiert. Er war Stipendiat der Fulbright-Stiftung, der FU Berlin sowie des German Marshall Fund. 1997 bis 1998 arbeitete er als Politischer Referent im US-Repräsentantenhaus. Pindur war ARD-Hörfunkkorrespondent in Brüssel, bevor er 2005 zum Deutschlandradio wechselte. Von 2012 bis 2016 war er Korrespondent in Washington. Seit Anfang 2019 ist er Deutschlandfunk-Korrespondent für Sicherheitspolitik.