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Finanztransaktionssteuer
"Der Lobby die Stirn bieten"

Erdacht von Ökonomen, propagiert von Aktivisten seit Ende der 90er-Jahre - die Idee einer Finanztransaktionssteuer bekam in Europa viel Zuspruch nach der Finanzkrise 2008. Doch was jetzt auf dem Tisch liegt, hat mit einer umfassenden Finanztransaktionssteuer nur wenig zu tun.

Von Caspar Dohmen | 13.03.2020
Oxfam-Aktivisten in Geschäftskleidung sitzen auf Liegestühlen vor der Attrappe einer Südseeinsel.
Selten begeistern sich derart viele Menschen für eine Steuer wie bei der Finanztransaktionssteuer. Im Bild: Oxfam-Aktivisten in Brüssel (AFP / Emmanuel Dunand)
"Schön, dass Sie da sind, so zahlreich da sind, zu diesem Diskussionsabend, dieser Talkrunde, auf unserer blauen Couch, zum vierten Mal jetzt."
Die Stadtkirche Göppingen an einem Abend im Oktober vergangenen Jahres. Ein Streitgespräch zwischen dem örtlichen Kreissparkassen-Chef und Gerhard Schick, der lange finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag war und heute Leiter der NGO-Bürgerbewegung Finanzwende ist. Die Rede kommt auf die Finanztransaktionssteuer, deren Einführung nach der Finanzkrise von 2008 auf die politische Agenda kam - in Deutschland und in der EU. Gerhard Schick:
"Es ging damals um eine Finanztransaktionssteuer. Die Idee war, es gibt diesen verrückten Hochfrequenzhandel, wo Milliarden in kürzester Zeit hin und hergeschoben werden, ohne volkswirtschaftlichen Nutzen."
Die Bankentürme von Frankfurt am Main scheinen kurz nach Sonnenuntergang aus vielen kleinen Eurozeichen zu bestehen.
Warum sich die Umsetzung der Finanztransaktionssteuer schwierig gestaltet Mehrere EU-Länder bemühen sich um eine Umsetzung. Nun hat Österreich den Gesetzesentwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) abgelehnt. Ein Überblick.
Der Hochfrequenzhandel sollte mit einer winzigen Steuer auf Finanztransaktionen geschrumpft werden. Damit sollte die Finanzindustrie auch einen Beitrag leisten, die zuvor mit Milliardensummen von Staaten gerettet worden war. Bei dem aktuellen Vorschlag sollen allerdings 90 Prozent der Finanzprodukte nicht besteuert werden und das Derivategeschäft soll genauso außen vor bleiben wie alle Finanzgeschäfte, die innerhalb eines Tages abgewickelt werden. Gerhard Schick: "Und damit ist die Idee ad absurdum geführt."
Finanzindustrie – mit Milliardensummen von Staaten gerettet
Im Dezember 2019 hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz einen finalen Gesetzentwurf zur Besteuerung von Finanzgeschäften in Europa vorgelegt. Wer Aktien eines großen Unternehmens kauft, müsste demnach einen Steuersatz in Höhe von 0,2 Prozent zahlen. Als groß gelten Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro, wovon rund 500 Firmen in den zehn EU-Staaten zu Hause sind, die eine solche Steuer prinzipiell einführen wollen. Sarah Ryglewski, SPD-Politikerin und parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium:
"Wenn man eine idealtypische Finanztransaktionssteuer aufsetzen würde, sähe sie anders aus. Das haben wir auch immer deutlich gemacht. Aber man muss jetzt die Chance nutzen, dass man einen ersten Schritt geht."
Nächste Woche Dienstag wird die Steuer ein Thema bei der Tagung der Finanz- und Wirtschaftsminister der EU sein. Aber eine Entscheidung wird erst im Verlauf dieses Jahres erwartet. Möglicherweise scheitert die Steuer auch noch, deren Einnahmen die Bundesregierung für die Finanzierung der Grundrente schon verplant hatte.
Viele Bürgerinnen und Bürger wollen die Steuer
Österreich lehnt den Plan von Bundesfinanzminister Scholz ab, weil er, so die Begründung, den ursprünglichen Zweck verfehle. Die österreichische Regierung hat sich von dem Ökonom Stefan Pichler ein Gutachten schreiben lassen. Demnach wären weniger als ein Prozent der Finanztransaktionen von der Steuer betroffen und die Einnahmen würden nur gering ausfallen.
"Während etwa erste Schätzungen des Aufkommens einer umfassenden Finanztransaktionssteuer im Bereich von 28,3 bis 65,8 Milliarden Euro pro Jahr lagen, belaufen sich die aktuellen Schätzungen auf 2,3 Mrd. Euro."
Das Ringen um die Steuer auf Finanzgeschäfte zeigt, wie schwer sich Regierende in Europa mit einer einheitlichen Steuergesetzgebung tun. Sogar, wenn es sich wie in diesem Fall um eine Abgabe handelt, die von vielen Experten und Politikern aus unterschiedlichen politischen Lagern für sinnvoll erachtet wird und gleichzeitig von vielen Bürgern gewollt ist.
Attac-Aktivistinnen stehen mit Protestplakaten in der Paulskirche
Nicht nur Aktivisten der NGO Attac, auch viele Bürgerinnen und Bürger sind für die Steuer (picture alliance / dpa / Boris Roessler)
Anfang der 1990er-Jahre hatten große Teile der Politik die Steuer noch als linke Spinnerei abgetan – sie wurde von dem neu gegründeten Netzwerk Attac gefordert. Sven Giegold, damals Sprecher von Attac Deutschland und heute für die Grünen im EU-Parlament, sitzt im Ökozentrum im niedersächsischen Verden. "Ja, hier war das Gründungsbüro."
Attac: "Menschen sollten Zukunft in die eigene Hand nehmen"
Der Anstoß kam aus Frankreich von Ignacio Ramonet. Der Chefredakteur der französischen Wochenzeitung "Le Monde diplomatique" schrieb am 12. Dezember 1997:

"Will man verhindern, dass die Welt sich im 21. Jahrhundert endgültig in einen Dschungel verwandelt, in welchem die Räuber den Ton angeben, wird die Entwaffnung der Finanzmächte zur ersten Bürgerpflicht. Es wird höchste Zeit, diesen zerstörerischen Kapitalbewegungen Sand ins Getriebe zu streuen. Warum nicht eine weltweite regierungsunabhängige Organisation Attac ins Leben rufen?"

Sven Giegold: "Der Impuls war der Schock über die Asienkrise an den Finanzmärkten der Neunziger Jahre, wo innerhalb weniger Jahre Entwicklungserfolge hinweggespült wurden durch Währungsinstabilität und Spekulation. Natürlich lagen dahinter auch wirtschaftspolitische Fehler der asiatischen Staaten, aber durch die globalen Finanzmärkte kam es erst zu einem so tiefen Schock. Und das führte in Frankreich dazu, dass man die demokratische Kontrolle über die Finanzmärkte zurückgewinnen muss. Das man also nicht dem globalen Kapital überlassen kann, ob ein bestimmtes Demokratiemodell, ob ein Entwicklungsmodell jetzt genehm ist oder nicht, sondern dass Menschen, so war unser Schlagwort ja, dass sie ihre Zukunft wieder in die eigene Hand nehmen sollten und das eben nicht den Bewegungen des internationalen Kapitals überlassen sollten." So Sven Giegold.
2007 platzte in den USA eine Immobilienblase und diesseits und jenseits des Atlantiks standen Banken am Abgrund, weil sie Schrottimmobilien in den USA finanziert hatten. Staaten retteten Banken mit hohen Summen und einige Staaten gerieten deswegen selbst in Schwierigkeiten – allen voran Griechenland. Menschen mussten Häuser und Wohnungen räumen, verloren ihre Arbeit oder litten unter Sparmaßnahmen von Staaten, etwa bei der Gesundheit. Das gab Rückenwind für die Finanztransaktionssteuer. 61 Prozent der EU-Bürger befürworteten sie laut Eurobarometer 2010. Im gleichen Jahr startete in Deutschland die Kampagne "Steuer gegen Armut", getragen von rund einhundert zivilgesellschaftlichen und kirchlichen Organisationen.
Vorschlag der globalen Einführung einer solchen Steuer
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy schlug 2011 bei einem Treffen der 20 größten Industrieländer gar die globale Einführung einer solchen Steuer vor. Das forderten auch tausend Ökonomen aus 53 Ländern, darunter fünf Wirtschaftsnobelpreisträger. Markus Henn, Attac-Aktivist und Mitarbeiter bei Weed, einer NGO, die sich mit Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung befasst:
"Wir hatten in der Tat anfangs Hoffnungen, vielleicht sogar auf internationaler Ebene eine Steuer durchbringen zu können. Es gab sogar mal vom Internationalen Währungsfonds erste Bemühungen, wirklich das Thema ernsthaft zu bearbeiten, Papiere, die das sogar unterstützt haben, was auch eben damals neu war. Es gab ernsthafte Diskussionen bei den G20 für eine kurze Weile, wo die Steuer noch im Spiel war. Sie ist aber dann doch ziemlich schnell dort abgeräumt worden, als sich abgezeichnet hat, dass wichtige Staaten wie die USA und auch andere einfach nicht mitmachen würden."
EU-Kommission präsentiert anspruchsvolles Steuerkonzept
Nun lag die Hoffnung der Verfechter auf Europa. Zwei Mal votierte das EU-Parlament für die Steuer und im Herbst 2011 präsentierte die EU-Kommission ein anspruchsvolles Konzept für eine Finanztransaktionssteuer, die sie zuvor, wie auch der Internationale Währungsfonds, abgelehnt hatte. Geplant war ein Steuersatz von 0,1 Prozent beim Kauf von Aktien und Anleihen sowie 0,01 Prozent für Derivate – umzusetzen bis 2014. Um es Akteuren zu erschweren, die Steuer zu umgehen, sollten alle Transaktionen von Finanzinstitutionen mit Sitz in der EU der Steuer unterliegen. Helge Peukert, der in Siegen Wirtschaft lehrt und Attac wissenschaftlich berät:
"Der Kommissionsvorschlag hat ja erstaunlicherweise sogar sinnvollerweise vorgesehen, dass also Anleihen und Aktien, die im Euroraum aufgelegt sind, egal, wo sie gehandelt werden, dass diese Steuer anfällt."
Die Logos der US-Internetkonzerne Google (l-r), Amazon und Facebook sind auf dem Display eines iPhone zu sehen.
Europa Steuerpolitik ohne Einstimmigkeit EU-Mitgliedstaaten sollen künftig in steuerpolitischen Fragen nicht mehr einstimmig entscheiden müssen, so die Pläne der EU-Kommission. Denn an dieser Regel scheiterten wichtige Entscheidungen wie beispielsweise im Kampf gegen Steuerflucht, zur Digitalsteuer oder Finanztransaktionssteuer.
Eine alte Idee war gesellschaftsfähig: die Besteuerung von Finanztransaktionen. Bereits 1936 hatte der britische Ökonom John Maynard Keynes eine solche Steuer beschrieben. Seine Idee blieb jedoch in der Schublade. Trotzdem zähmte die Staatengemeinschaft nach dem Zweiten Weltkrieg die Finanzindustrie – vor allem durch das in Bretton Woods beschlossene Währungssystem fester Wechselkurse und diversen Beschränkungen für den Kapitalverkehr. Drei Jahrzehnte gab es keine große Finanzkrise.
1971 - Goldbindung des Dollars aufgehoben
Am 15. August 1971 beendete der damalige US-Präsident Richard Nixon die Goldeintauschpflicht für Dollar. Fortan bildete sich der Wert von Währungen wie Yen, Dollar oder Pfund durch Angebot und Nachfrage auf dem Devisenmarkt. Im Falle der Einführung eines Systems freier Wechselkurse hatten neoliberale Ökonomen einen Wachstumsschub versprochen. Tatsächlich ist die Wirtschaft in den folgenden Jahrzehnten stark gewachsen. Allerdings nahmen auch die Turbulenzen an den Finanzmärkten enorm zu.
Der amerikanische Ökonom James Tobin, ein Vertreter der keynesianischen Schule, hatte sich schon Anfang der 1970er-Jahre damit beschäftigt, wie sich das Ende von Bretton Woods auf die Nationalstaaten auswirken würde. Helge Peukert, der Siegener Wirtschaftswissenschaftler und Attac-Berater:
"Er hatte eigentlich das Ziel, Ländern eine größere Gestaltungsfreiheit in der Geldpolitik zu geben. Aufgegriffen wurde das dann ja zum Beispiel von NGOs wie Attac, die das ja im Namen schon führen. Und es ist natürlich nach der Finanzkrise wieder aufgekommen, diese Idee, einmal um die Finanzbranche ein bisschen an den Kosten der ganzen Geschichte zu beteiligen. Und es ist ja merkwürdig, wenn wir für unsere Konsumartikel 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen und bei Finanztransaktionen die Steuer null beträgt."
Großbritannien und Schweden sind dagegen
Der Plan der EU-Kommission, eine allgemeine Finanztransaktionssteuer für die 27-EU-Länder einzuführen, scheiterte an Großbritannien und Schweden: Großbritannien befürchtete Nachteile für die City of London, dem neben New York wichtigsten Finanzplatz der Welt. Die Schweden hatten schon einmal im Alleingang eine solche Steuer eingeführt und schlechte Erfahrungen damit gemacht, denn Anleger zogen im großen Umfang Kapital aus dem Land ab.
Im Oktober 2012 beschlossen elf EU-Länder, nämlich Belgien, Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Portugal, Slowenien, Slowakei und Spanien, voranzugehen und die Steuer im Rahmen der so genannten "verstärkten Zusammenarbeit" einzuführen: Das Vorhaben wurde von der EU-Kommission akzeptiert und auch das EU-Parlament votierte mit großer Mehrheit dafür. Markus Henn war zu dem Zeitpunkt optimistisch.
"Man hatte ja wichtige EU-Staaten an Bord. Ich denke auch glaubhaft, zumindest war selbst bei uns der Eindruck, dass unter den Regierungen nach der Krise in den ersten eben so zehn Jahren jetzt dann ernsthaft verhandelt wurde. Wir hatten nicht den Eindruck, dass das nur eine Show war."
Schließlich hätten sich vermeintliche Gewissheiten als falsch herausgestellt und zu einem Umdenken bei Entscheidern geführt.
"Die Philosophie, die eigentlich hinter dem Markt stand, zu sagen, der freiere Markt ist immer besser, die war einfach nicht mehr geglaubt worden. Ich nehme mal Finanzminister Schäuble damals, der immer gesagt hat, so als eine Lehre aus der Krise, man hat gesehen, dass diese Philosophie, immer mehr Spekulation ist immer besser, einfach nicht stimmt"
Widerstand der Finanzlobby 2013
Miniaturfiguren stehen vor einer Börsenkurve
CDU-Finanzexperte: "Die SPD muss einsehen, dass sie zu weit gerudert ist" Ursprünglich sollte die Finanztransaktionssteuer den Hochfrequenzhandel an den Börsen besteuern, nun ist Finanzminister Olaf Scholz (SPD) umgeschwenkt und will alle in Deutschland anfallenden Aktien besteuern. Das würde Kleinanleger schädigen, sagte CDU-Finanzexperte Christian von Stetten im Dlf.
Die EU-Kommission legte im Frühjahr 2013 ein leicht modifiziertes Finanztransaktionssteuer-Konzept für die elf Länder vor. Beobachter erwarteten eine zügige Umsetzung. Aber die Finanzlobby leistete Widerstand. Sie hätten die "Kommission und die Öffentlichkeit mit wilden Behauptungen über die verheerenden Wirkungen der Steuer" bombardiert, schreibt der Ökonom Stephan Schulmeister in ‚Le Monde Dipolomatique‘. Dabei seien die Fakten weder neu noch empirisch fundiert gewesen. Frankreich machte einen Rückzieher bei der umfassenden Steuer, nachdem die Lobby der heimischen Großbanken beklagten, sie würden benachteiligt. Später verabschiedet sich Estland aus der Gruppe der Willigen.
Den Lobbyisten spielte die Entscheidungsstruktur der EU in die Hände – wie regelmäßig bei Fragen der Besteuerung. Denn die Steuerhoheit liegt in der EU bei den Nationalstaaten. Einheitliche Steuern müssen einstimmig beschlossen werden, und das gelingt in der Regel nicht. Selbst die Mehrwertsteuer ist in der EU uneinheitlich. Es gibt nur Mindestvorgaben von 15 Prozent für den gewöhnlichen und fünf Prozent für den ermäßigten Mehrwertsteuersatz.
EU-Mitglieder – schwierige Zusammenarbeit in der Steuerpolitik
Statue "Europa" der belgischen Künstlerin May Claerhout vor dem Europäischen Parlament in Brüssel. 
Wettbewerb kann eine wunderbare Sache sein, wenn etwa viele Anbieter um Kunden konkurrieren – durch gute und günstige Angebote. Anders ist es beim Steuerwettbewerb. Hier verschaffen sich einzelne Staaten Vorteile gegenüber anderen, etwa Niedrigsteuerländer wie Irland innerhalb der EU oder Steueroasen zu Lasten der restlichen Länder. Die deutsche parlamentarische Staatssekretärin im Finanzfinanzministerium, Sarah Ryglewski:
"Wettbewerbspolitik über Steuern zu machen ist am Ende immer toxisch, auch für den Staat, der vielleicht im ersten Schritt davon profitiert, weil die Schraube wird immer weiter nach unten geht. Und das sieht man ja auch innerhalb der EU ganz deutlich. Die Staaten, die mit sehr niedrigen Steuersätzen operieren, die befinden sich dann irgendwann nicht mehr in der Konkurrenz mit Deutschland, sondern mit irgendwelchen so genannten Steueroasen."
Die Politikerin wirbt um Verständnis für die Schwierigkeiten, gemeinsame Sache bei Steuern zu machen. "Natürlich, Europa ist ein großes Einigungsprojekt, wo man von ganz unterschiedlichen Ausgangspunkten kommt."
Manche Länder sind mehr auf die Industrie ausgerichtet, andere mehr auf Dienstleistungen, manche sind stärker, andere schwächer. Daraus ergeben sich Interessenkonflikte, die nur schwierig zu lösen sind. Sarah Ryglewski:
"Und das macht es halt eben so schwierig. Gerade auch beim Thema der Finanztransaktionssteuer ist ja beispielsweise auch die Frage, wie hoch werden die Einnahmen sein, die daraus generiert werden. Man braucht eine gewisse Tragfähigkeit, damit es hier nicht zu Verschiebungen kommt. Aber einzelne Staaten, die dabei sind, werden auch gar nicht so viel von der Finanztransaktionssteuer haben. Das zeigt die Herausforderung. Und von daher ist das ein Weg, der nur in kleinen Schritten gegangen werden kann."
Die Politikerin findet deshalb die Bemühungen, der in der OECD zusammengeschlossenen Industrieländern richtig, bei den Steuern stärker zusammenzuarbeiten.
"Wo man zum einen noch mal sagt, was ist das Thema Mindestbesteuerung und zum anderen aber auch die Frage stellt: Wie werden denn eigentlich Steueranteile verteilt?"
Staaten könnten eine höhere Besteuerung von Konzernen und Ultrareichen durchsetzen, schreiben die französischen Ökonomen Emanuel Saez und Gabriel Zucman in dem Buch "Der Triumph der Ungerechtigkeit". Dafür müssten Staaten kooperieren statt konkurrieren, Steueroasen sanktionieren und eine Mindeststeuer von 25 Prozent auf die Gewinne von Konzernen erheben. Wenn nur die USA und die EU kooperierten, so die Autoren, könnten bis zu 75 Prozent der weltweit erzielten Gewinne mit 25 Prozent oder mehr besteuert werden.
Faktisch betreiben Regierungen in Brüssel aber noch nationale Politik, wenn es um Steuern geht. Dank des Einstimmigkeitsprinzips brauchen Lobbyisten stets nur ein Land von einer Idee abzubringen. Selbst, wenn sich – wie im Fall der Finanztransaktionssteuer – eine Gruppe Staaten zusammentut um voranzugehen, lassen sie sich auseinanderdividieren.
Schäfer, DIW: Die Franzosen müssen mit ins Boot
Spanien steht kurz davor, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen, Frankreich und Italien haben es bereits getan. Die französische Variante erfasst nur heimische Aktien, die italienische Variante geht weiter, lässt aber den Handel mit Staatsanleihen außen vor.
Frankreich bremste allerdings die Initiative der elf EU-Länder aus, indem es eine europäische Transaktionssteuer forderte, die sich an der eigenen Börsenumsatzsteuer orientieren sollte. Genau dies hat der deutsche Finanzminister Olaf Scholz dann getan. Ein sinnvoller Schritt, findet Dorothea Schäfer, die sich als Direktorin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung mit den Finanzmärkten befasst.
"Also, um wirklich diese neun Länder sind es, glaube ich, momentan noch, zu einem gemeinsamen Entwurf zu bekommen, müssen die Franzosen im Boot sein. Und die Franzosen haben ihre eigene Finanztransaktionssteuer. Und dann ist es sicherlich hinsichtlich der Umsetzung clever, mit den Franzosen ein Tandem zu bilden."
Schäfer, DIW: "Der Lobby mal die Stirn bieten"
Doch selbst gegen diese Ministeuer gibt es erheblichen Widerstand in den beteiligten Ländern, in Deutschland zum Beispiel von dem Verband der Kreditwirtschaft.
"Die Übernahme einer Finanztransaktionssteuer nach französischem Vorbild werde – entgegen der Erwartung der Politik – sowohl zu Verwerfungen auf den Finanzmärkten als auch zu Verlagerungen in andere Finanzprodukte führen. Europa werde im globalen Wettbewerb der Finanzmärkte zurückfallen." Das sei falsch, sagt Schäfer. Sie hält die Einführung der Steuer für überfällig, auch unter Gesichtspunkten der Demokratie.
"Um überhaupt der Lobby mal die Stirn zu bieten. Und ich meine, das Wahlvolk möchte auch, dass der Lobby auch mal die Stirn geboten wird. Es muss der Politik gelingen, diesen Schritt in Richtung Finanztransaktionssteuer zu machen. Dann hat sie viel gewonnen in meinen Augen. Und dann kann man das leichter ausweiten, als wenn man jetzt sagt, es gibt jetzt ein Aus und wir fangen wieder von neuem an. Ja, ich meine, die Finanzindustrie hat jetzt gelernt, wie sie es machen muss, zuerst die Umfassende madig machen, ja, dann gibt es nur mehr was können wir denn überhaupt? Dann kommt das auf den Tisch, so eine Minimallösung, und dann brauchen sie einfach nur sagen, so jetzt macht mal alle Stimmung gegen die Minimallösung, weil es muss ja die Umfassende her."
Dorothea Schäfers Befürchtung: "Wenn wir jetzt hier aussteigen, wird es nie mehr einen Einstieg geben."
Angesichts der drohenden Rezession in Deutschland fordern manche Politiker das Vorhaben einer Finanztransaktionssteuer fallen zu lassen. Das bedeutet Gegenwind für das Projekt einer Steuer, von deren Ursprungsidee ohnehin nicht mehr viel übrig ist