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Finanztransaktionssteuer ohne Großbritannien

Die Briten wollen keine Finanztransaktionssteuer. Die FDP will sie nur, wenn alle EU-Staaten mitmachen. Angela Merkel aber will die Steuer notfalls auch nur in der Eurozone einführen. Als weitere Position schlägt der FDP-Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis nun vor, dass die EU-Länder ohne Großbritannien über die Finanztransaktionssteuer beraten - zusammen mit dem Fiskalpakt.

Jorgo Chatzimarkakis im Gespräch mit Christiane Kaess | 19.01.2012
    Christiane Kaess: EU-Diplomaten verhandeln seit Wochen darüber, der dritte Entwurf des sogenannten Fiskalpaktes soll heute fertiggestellt werden. Die Finanzminister der Eurogruppe werden sich kommende Woche weiter damit beschäftigen und auf dem EU-Gipfel Ende Januar soll dann definitiv darüber entschieden werden. Die Bundesregierung beschließe nur das, was alle Koalitionspartner mittragen, hatte Merkels Sprecher Steffen Seibert noch am Freitag in Berlin gesagt. Heute berichtet wie gesagt die "Süddeutsche Zeitung" über ein gemeinsames Papier von Deutschland und Frankreich zur Vorbereitung des EU-Gipfels Ende Januar. Es betont noch einmal, dass die beiden Länder die Einführung einer Finanztransaktionssteuer unterstützen, notfalls auch nur in den Ländern der Eurozone, und damit bleibt Angela Merkel bei einer Linie, die der Koalitionspartner FDP so nicht mittragen will. Am Telefon ist der FDP-Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis. Guten Tag!

    Jorgo Chatzimarkakis: Guten Tag, Frau Kaess.

    Kaess: Herr Chatzimarkakis, muss die FDP ihre Position überdenken?

    Chatzimarkakis: Die Position der CDU beziehungsweise der Kanzlerin ist ja noch nicht so ganz klar. Unser finanzpolitischer Sprecher im Deutschen Bundestag hat ja auch sich dahingehend geäußert, dass er gesagt hat, da muss erst mal was Konkretes folgen, die grundsätzliche Ankündigung reicht nicht, und dann kann man verhandeln.

    Kaess: Aber dieses Papier, das jetzt vorliegt, ist doch relativ deutlich.

    Chatzimarkakis: Ja. Im Grundsatz stimmt auch die FDP einer Finanzaktivitätssteuer zu.

    Kaess: Was etwas anderes ist.

    Chatzimarkakis: Ja, das ist etwas anderes. Das ist im Grunde eine Umsatzsteuer für die Börsen. Aber die Finanztransaktionssteuer, wie und wo sie erhoben werden soll, ist noch nicht klar. Wogegen sich die FDP vor allem sträubt, ist, dass zum Beispiel jegliche Banküberweisung, wenn die Oma Müller dem Enkel was überweisen will und das auch belegt würde mit einer Finanztransaktionssteuer, dann würde das den Widerstand der FDP treffen. Was anderes ist es, wenn es um die Börsen geht, wenn es um die Umschlagsplätze von Finanztransaktionen geht. London zum Beispiel hat schon eine solche Börsenumsatzsteuer. Die müsste dann eben eingerichtet werden auch in anderen Börsenplätzen.

    Kaess: Aber in diesem Papier geht es jetzt ganz konkret darum, dass die Finanztransaktionssteuer notfalls auch eingeführt werden sollte, wenn nur die Länder in der Eurozone mitziehen. Und das ist ja eigentlich nicht die Position der FDP. Was kann denn die FDP überhaupt tun, um das noch zu verhindern bei so einem Vorstoß?

    Chatzimarkakis: Das ist natürlich schwierig, wenn man als kleinerer Koalitionspartner zusehen muss, wie die Kanzlerin nach einem Mittagessen mit Präsident Sarkozy mit einem persönlichen Vorschlag - so hat sie es ja genannt - kommt. Ich glaube, alle Beteiligten müssten sich mal an einen Tisch setzen und das andere große Thema, den Fiskalpakt, und die Finanztransaktionssteuer mal zusammen überdenken. Das eigentliche Problem ist doch, dass London, einer der größten Finanzplätze der Welt und mit Abstand der größte in Europa, nicht mitmachen will. Die britische Regierung macht nicht mit und deswegen gibt es diese zwei Lager: Das eine Lager, das sagt, nämlich die FDP, alle müssen mitmachen, auch die Briten, das andere Lager, das sagt, wir machen es nur in der Eurozone; insbesondere Finanzminister Schäuble ist dieser Meinung.

    Kaess: Aber dieses Aneinander-Vorbeireden, Herr Chatzimarkakis, oder diese andere Positionen nach außen vertreten, was sagt das denn über das Verhältnis in der schwarz-gelben Regierungskoalition?

    Chatzimarkakis: Ich bin in Brüssel aktiv und in Straßburg im Europäischen Parlament, ich bin kein Koalitionspolitiker. Das müssen Sie die Berliner fragen, wie das Verhältnis ist. Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass ein Schuh daraus wird, wenn wir mit den 26 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, also ohne Großbritannien, mit den 26, die für den Fiskalpakt sind, über exakt diese Finanztransaktionssteuer reden. Das ist doch der sinnvolle Ansatz. Das wäre eine dritte Position, aber wahrscheinlich die logischste, denn was wir da planen, diese Finanzunion, diese Fiskalunion, das ist ja ein neuer Ansatz, der auch der Welt zeigen soll, hier gehen die Europäer einen anderen Weg. Sie wollen die Finanzmärkte auch an die Leine legen. Wir wissen als Europäer, dass wir da viel zu viel Nachsichtigkeit und wenig Regulierung hatten in der Vergangenheit, und da gehört eben auch die Finanztransaktionssteuer dazu. Wenn wir ausschließen können, dass Normalpersonen davon betroffen wären, dann sehe ich auch in der FDP genügend Persönlichkeiten, die sich dann dieser Finanztransaktionssteuer anschließen würden.

    Kaess: Aber, Herr Chatzimarkakis, wenn das Ihre Position ist, was haben Sie dann gegen eine Vorreiterrolle von Deutschland und Frankreich?

    Chatzimarkakis: Die Vorreiterrolle, die gibt es ja sowieso. Die Kanzlerin und Präsident Sarkozy, die bei uns in Brüssel sowieso nur noch Merkozy genannt werden, machen das ja, die sprechen sich ab. Wir müssen nur auch darauf schauen, was ist wahlkampfgetrieben. Präsident Sarkozy steht vor einer schwierigen Präsidentenwahl. Er will natürlich mit diesem Thema Finanztransaktionssteuer auch vor allem im linken Lager - was ja Francois Hollande, sein Gegenkandidat, beherrscht - Stimmen gewinnen. Also man muss schon genau darauf achten, was dient dem Finanzplatz Europa, was dient auch dem Abbau der Schuldenkrise, denn eine Finanztransaktionssteuer bringt ja auch Einnahmen und könnte so die Schulden reduzieren, und was ist wahlkampfgetrieben, und das ist noch nicht klar, auch nach dem Eckpunktepapier, was ja offenbar schon vorliegt.

    Kaess: Schauen wir noch kurz auf den Fiskalpakt. Offensichtlich haben die bisherigen Pläne zu mehr Haushaltsdisziplin nicht besonders viel gebracht. Es gibt offensichtlich eine Vertrauenskrise, denn die Banken parken ihr Geld bei der EZB.

    Chatzimarkakis: In der Tat gibt es eine große Vertrauenskrise und die Fiskalunion, die ja im März in trockene Tücher gebracht werden soll, ist schon ein Schritt in mehr europäische Integration, schreibt vor allem eine Schuldenbremse vor. Da gibt es jetzt Widerstand aus einigen Mitgliedsstaaten, zum Beispiel Tschechien. Das müssen wir sehen, ob es da Volksabstimmungen geben wird wegen dieser Schuldenbremse. Aber grundsätzlich ist es der richtige Weg, sich stärker über die Schulter zu gucken beim Aufstellen der Haushaltspläne und beim Schulden machen. Es geht eben nicht mehr an, dass man durch Länder, die sorglos sind beim Schulden machen, Griechenland, Portugal, Italien, Spanien, dass man durch solche Länder in Gefahr gebracht wird. Im Übrigen ist Deutschland auch ziemlich sorglos beim Schulden machen, denn Deutschland ist kein Musterknabe, was die Stabilitätskriterien angeht.

    Kaess: Das Europaparlament hat gestern klar gemacht, dass es mehr Mitsprache haben will. Reicht das denn, wenn künftig der Präsident des EU-Parlaments bei Verhandlungen mit am Tisch sitzen könnte?

    Chatzimarkakis: Das ist ein sehr guter Vorschlag von Martin Schulz, dem ich auch im Nachhinein zu seiner Wahl zum EP-Präsidenten gratuliere. Er möchte mit am Tisch sitzen, so wie es eben auch der Präsident der Europäischen Kommission und natürlich der Präsident der Europäischen Zentralbank tut. Warum also nicht die Volksvertretung? Insgesamt geht es hier vor allem um die Gemeinschaftsmethode. Das hört sich schwierig an, aber es geht darum, dass wir Regeln, die wir auf europäischer Ebene festgelegt haben, die auch dazu dienen, sich gegenseitig zu kontrollieren, nicht ausgehebelt sehen wollen durch nationale Alleingänge, wie sie manchmal durch Deutschland und Frankreich passieren, wie sie aber oftmals eben auch durch Ungarn jetzt in letzter Zeit passieren, oder eben auch Griechenland. Wir wollen, dass die europäische Methode, also die Gemeinschaftsmethode, Oberhand behält, damit alle die Regeln einhalten, und dazu gehört eben auch eine starke Beteiligung des Europäischen Parlaments.

    Kaess: Und noch kurz zum Schluss: Was macht Sie da optimistisch, dass das auch tatsächlich umgesetzt wird?

    Chatzimarkakis: Zunächst mal der Lissabon-Vertrag, also unsere Verfassung, wenn Sie so wollen, die uns eine gleichrangige Bedeutung zumisst wie dem Rat, also wie der Vertretung der Mitgliedsstaaten. Ich baue sehr stark, muss ich ganz ehrlich sagen, auch auf die Persönlichkeit von Martin Schulz. Er wird uns sehr lautstark eine Stimme verschaffen in diesem Konzert, und darauf kommt es auch an, dass die richtige Persönlichkeit zur richtigen Zeit dort sitzt. Er ist es und ich baue da auf ihn.

    Kaess: Einschätzungen des FDP-Europaabgeordneten Jorgo Chatzimarkakis waren das. Vielen Dank für das Gespräch.

    Chatzimarkakis: Danke Ihnen!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.