World University Games
Rhein-Ruhr: Olympia-Testlauf mit Zweifel

Die World University Games 2025 an Rhein und Ruhr sollen eine erste Visitenkarte für eine deutsche Olympia-Bewerbung sein. Nach einer Recherche des Deutschlandfunk und der SZ werden die Hochschulspiele aber durch fragwürdige Auftragsvergaben und rechtliche Streitereien überschattet.

Von Jonas Reese |
Das Rhein-Ruhr-Organisationsteam der World University Games 2025 um Geschäftsführer Niklas Börger (2.v.l.) posiert mit Hendrik Wüst, Ministerpräsident von NRW, mit der Fackel vor dem Veranstaltungslogo.
Das Organisationsteam der World University Games 2025 an Rhein und Ruhr um Geschäftsführer Niklas Börger (2.v.l.) bekommt Steuergeld für die Ausrichtung - auch vom Land NRW, dessen Ministerpräsident Hendrik Wüst (4.v.l.) ist. (IMAGO / Funke Foto Services / OliverxM)
Hochschulsport steht selten im Fokus der Öffentlichkeit, wird er doch weder von großen Medien übertragen, noch werden damit Stadien gefüllt. Alle vier Jahre wird dem Hochschulsport allerdings ungewohnte Aufmerksamkeit zuteil – bei den World University Games des internationalen Hochschulsportverbands (FISU).
8.500 Athletinnen und Athleten aus aller Welt sind ab Mitte Juli in der Rhein-Ruhr-Region sowie teilweise in Berlin zu Gast. In 18 Sportarten werden Medaillen verteilt. Gerne sprechen die Beteiligten von Mini-Olympia, das Bundesinnenministerium von einem „Leuchtturm für das Renommee der Bundesrepublik bei der Ausrichtung großer Sportereignisse“.
Doch das Licht dieses „Leuchtturms“ wirft lange Schatten, wie eine Recherche des Dlf und der SZ zeigt. Nicht nur ist das Budget, zu dem das Organisationskomitee auf Anfrage keine Auskunft gibt, über die Jahre von 113 auf 160 Millionen Euro angewachsen – die FAZ berichtete im vergangenen Jahr sogar von einem drohenden Anstieg auf 225 Millionen Euro. Die Zuschüsse aus Steuergeld sind immens: Der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen wenden für die Austragung je 67,5 Millionen Euro auf, das Land NRW zahlt für die Renovierung von Sportstätten nochmal 44 Millionen Euro obendrauf.

Ausschreibung wird nachträglich auf Bewerber zugeschnitten

Und bei der Verteilung dieses Geldes ist es zu fragwürdigen Auftragsvergaben durch das Organisationskomitee um Geschäftsführer Niklas Börger gekommen.
Bei einer Ausschreibung für die technischen Systeme wie Zeit- und Weitenmessungen, Anzeigetafeln und die Erstellung von Grafiken hatte zunächst das französische Unternehmen Atos die günstigste Offerte abgegeben. Atos war über viele Jahre bis Paris 2024 für die IT bei Olympischen Spielen zuständig.
Allerdings erfüllte Atos nach Dlf-Informationen die Ausschreibungskriterien damals nicht. Diese besagten, dass die Technik schon drei Tage vor dem jeweils ersten Wettkampftag der Sportarten einsatzfähig sein soll – das Atos-Angebot sah bei mehreren Disziplinen aber nur zwei Tage vor. Atos kam dementsprechend nicht für einen Zuschlag infrage. Den Auftrag sollte zunächst die ST Sportservice GmbH aus Leipzig bekommen.
Aber dazu kam es nicht. Denn ein paar Wochen später schrieb das Organisationsteam den Auftrag aufgrund des Rückzugs von Düsseldorf als Austragungsort neu aus und passte die Anforderungen an. Diese passten dann ziemlich genau auf das Atos-Angebot. Auf einmal wurde verlangt, die Systeme müssten nur „spätestens zwei Tage vor dem ersten geplanten Wettkampftag einsatzbereit sein“. Außerdem wurde die Angebotspreis-Obergrenze abgesenkt – auf 2,8 Millionen Euro. Eine Grenze, die in der ersten Runde von allen Anbietern nur Atos unterschritten hatte. Kurz darauf bekam Atos den Zuschlag.

Organisatoren bestreiten zunächst und räumen dann doch ein

Zunächst haben die Organisatoren auf Dlf-Anfrage die Änderungen bei den Einsatzzeiten der technischen Systeme bestritten. Erst auf eine weitere Konfrontation räumten sie ein, dass die Einsatzzeit von drei auf zwei Tage Vorlauf reduziert wurde. Das sei „im Zuge der konzeptionellen Neuausrichtung der Gesamtveranstaltung“ erfolgt. Die Firma Atos verwies auf Anfrage darauf, dass Fragen zum Ausschreibungsprozess nur die Organisatoren beantworten könnten.

Rechtsstreit vor der Vergabekammer Rheinland

Die Vergabepraxis des Organisationskomitees landete in einem anderen Fall sogar vor der Vergabekammer Rheinland. Es ging um die Deko an Wettkampforten, Beschilderungen und Werbeplakate. Fünf Gebiets-Cluster wurden vergeben. Auftragswert: maximal 1,5 Millionen Euro.
Mitte Januar 2025 bekam der deutsche Ableger der US-Firma Wasserman den Zuschlag. Ein Unternehmen, das genau wie Atos schon lange im Olympia-Umfeld Geschäfte macht.
Eine unterlegene deutsche Firma beschwerte sich daraufhin beim Rhein-Ruhr-Organisationskomitee. Tatsächlich wurden die Bewertungen danach teilweise angepasst. Aus Dokumenten, die dem Dlf vorliegen, geht hervor, dass zumindest bei drei der fünf Austragungsorte der Verlierer ein günstigeres Angebot abgegeben hatte. Doch der Zuschlag blieb verwehrt, die Organisatoren rechneten Mängel in den Kriterien „Qualität des Materialdrucks“ und „Nachhaltigkeit der Leistungserbringung“ vor.
Weil die Preisdifferenzen nur bei niedrigen einstelligen Prozentsätzen gelegen hätten, sei es auf die Bewertung in den beiden nicht-preislichen Wertungskriterien angekommen, begründeten die Organisatoren auf Dlf-Anfrage ihre Entscheidung.

Drohten Bund und Land NRW mit Entzug von Fördermitteln?

Die unterlegene Firma zog Anfang 2025 mit einem Vergleichsvorschlag vor die Vergabekammer Rheinland und beschwerte sich zudem beim Bund und dem Land NRW. Doch von der Staatskanzlei NRW hieß es, man mische sich nicht ein.
Doch dies passt nicht zum Beschluss der Vergabekammer. Dort zitieren die Richter einen Schriftsatz der Rhein-Ruhr-Organisatoren: Diese könnten den Vergleichsvorschlag des Unternehmens nicht annehmen, da er „offensichtlich vergaberechtswidrig“ sei. Und weiter: „Diese Einschätzung hätten auf konkrete Nachfrage auch die Fördermittelgeber (Bund und Land NRW) geteilt und in Aussicht gestellt, im Falle der Annahme des Vergleichsangebots die Fördermittel erheblich zu kürzen.“
Auf Dlf-Anfrage, ob mit einem Entzug von Fördermitteln gedroht wurde, lautete der inhaltliche Kernsatz des Bundesinnenministeriums und der Düsseldorfer Staatskanzlei: Weder sei man in Vergabeprozesse eingebunden, noch habe man sich in den Rechtsstreit eingeschaltet.
Vor allem wegen des zeitlichen Drucks erlaubte die Vergabekammer Ende April ohne genaue Prüfung den vorzeitigen Zuschlag an die Firma Wasserman, hielt aber fest: Die Organisatoren seien „bei manchen Aspekten einer Fehleinschätzung unterlegen“. Die Firma Wasserman wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Social-Media-Agentur Brinker & Lück bekommt großen Nachschlag

Auch ein drittes Unternehmen, das schon länger im Olympia-Umfeld Geschäfte macht, profitierte von ähnlichen Vorgängen: Brinkert & Lück. Eine Kommunikationsagentur, die Partner des deutschen Olympia-Teams ist. Ein früherer Mitarbeiter der Agentur leitet mittlerweile die Stabsstelle der deutschen Olympia-Bewerbung.
Für die World University Games 2025 wurden nach Dlf-Informationen im Bereich Social Media Leistungen für insgesamt knapp 220.000 Euro vereinbart. Der monatliche Aufwand wirkt bei Betrachtung der verschiedenen Social-Media-Kanäle nicht gerade überwältigend. Dennoch bekam die Agentur im November 2024 nach Dlf-Recherchen nochmal einen Nachschlag in Höhe von etwa 38.000 Euro für die Anpassung der Kommunikationsstrategie – wegen des Ausstiegs von Düsseldorf als Ausrichterstadt und der Verlegung einiger Wettkämpfe nach Berlin.
Erneut stritt das Organisationskomitee zunächst ab, dass diese Rechnung existiert. Erst auf erneute Anfrage räumen die Veranstalter ein: „Aufgrund der konzeptionellen Neuausrichtung des Events“ habe sich ein veränderter Leistungsbedarf ergeben, der Auftrag sei im November 2024 erweitert worden – um 32.000 Euro netto, also 38.080 Euro brutto. Was genau die Agentur geleistet hat, beantworten sie nicht.
Brinkert & Lück erklärte: „Dass man im Prozessverlauf vertragliche Details auf beidseitigem Wunsch anpasst, ist gelebte Praxis. Insbesondere auch, wenn aufgrund veränderter Rahmenbedingungen Mehraufwände entstehen.“

Sportpolitik-Land NRW mit bemerkenswerter Prominenz

Nordrhein-Westfalen spielt in der Sportpolitik eine bemerkenswerte Rolle. Viele einflussreiche Personen im Sport kommen aus NRW, etwa der designierte DOSB-Vorstandsvorsitzende Otto Fricke, DFB-Präsident Bernd Neuendorf bis hin zu Michael Mronz, Präsidiumsmitglied im DOSB und eines von zwei deutschen Mitgliedern im Internationalen Olympischen Komitee.
Auch wegen dieses Netzwerks hofft die Rhein-Ruhr-Region auf einen Erfolg im Kampf gegen die nationalen Olympia-Konkurrenten aus München, Hamburg und Berlin/ Leipzig. Doch nun steht in NRW erstmal eine Veranstaltung an, bei der fraglich ist, ob sie wirklich als Olympia-Bewerbung taugt.