Michael Köhler: So ein Chip ist ein kleines Ding, ein Speichermedium. Da kann man viel draufladen, Geld und auch Musik. Geht es nach Plänen von Bundesarbeitsministerin von der Leyen, soll das Stuttgarter Vorzeigemodell auch auf den Bund übertragen werden. Die Reform der Hartz-IV-Regelsätze und Bildungsprogramme für benachteiligte Kinder auf einem Chip also? Wo bleibt da die Kultur? – Das fragen wir den stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen Kulturrates, zugleich Generalsekretär des Deutschen Musikrates, Christian Höppner. Er unterrichtet Cello, kennt sich aus, war Leiter einer Berliner Musikschule. Die Verfassungsrichter haben Reformen besonders bei Leistungen für Kinder angemahnt. Bedürftige Kinder sollen in der Schule mitkommen und in der Freizeit mit Gleichaltrigen mitmachen können. Keine fünf Euro für Essen und ein Euro für Freizeit und Kultur täglich hat ein Hartz-IV-Empfänger. Herr Höppner, was halten Sie von Sachmittelzuweisung und dem Bildungschip der Ministerin?
Christian Höppner: Grundsätzlich stehe ich dem Thema sehr offen gegenüber, weil das ein ganz vielversprechender Ansatz ist, dass tatsächlich Kinder und Jugendliche Sachleistungen erhalten, dass es sie tatsächlich erreicht, und das muss ja in unser aller Interesse sein, dass wir den Grat der kulturellen Teilhabe für Kinder und Jugendliche stärken.
Köhler: Bedürftige Kinder sollen in der Schule mitkommen und in der Freizeit mit Gleichaltrigen mitmachen können. Das hat sie im "Spiegel"-Interview auch noch mal gesagt. Das Bildungspaket soll bereitgestellt werden, aus vier Teilen bestehen:
"Das ist einerseits die Lernförderung in der Schule, wenn sie nicht mitkommen, es ist in den Ganztagsschulen oder Ganztagskindergärten, wo warmes Mittagessen angeboten wird, das Mittagessen, es ist das Schulmaterial – das geht vom Tuschkasten bis zum Atlas – und die Möglichkeit, in der Freizeit in den Sportvereinen zu sein, wo auch alle anderen Gleichaltrigen sind."
Köhler: Hier war von Sport die Rede, aber nicht von Kultur und Musik. Wie viel Kultur, Herr Höppner, gehört da rein? Was wünschen Sie sich?
Höppner: Gleichberechtigt genauso viel wie Sport. Wir müssen alle Möglichkeiten offen halten. Ministerin von der Leyen hat ja an einer Stelle durchaus auch von den Musikschulen zum Beispiel des Öfteren gesprochen. Also wir sehen uns da mit dem Sport in einem Boot.
Köhler: Nun gibt es aber auch Kritik an den Plänen, sowohl von links als auch aus den eigenen Reihen der Union. Man könne knapp zwei Millionen Kinder nicht von Berlin oder Nürnberg aus über Jobcenter fördern, sagt der Paritätische Wohlfahrtsverband heute. Wir verknüpfen, was es heute schon gibt, sagt die Ministerin, damit kein benachteiligtes Kind zurückbleibt. Sehen Sie diese kritischen Punkte ähnlich, oder wo würden Sie ansetzen?
Höppner: Es ist ja eine typisch deutsche Diskussion, dass wir erst mal über die Risiken, statt über die Chancen diskutieren. Ich will überhaupt nicht verhehlen, dass es noch viele offene Punkte gibt. Auch die Erfahrungen zum Beispiel aus Holland, die mit diesem Modell schon vier Jahre Erfahrungen haben, sollten wir mit einbeziehen. Aber in erster Linie geht es doch darum, dass wir das, was wir bisher nicht geschafft haben, was aber immer Anspruch der Bildungs- und Kulturpolitik war und ist, nämlich dass jedem Kind und jedem Jugendlichen, egal welcher sozialen oder ethnischen Herkunft, die Chance auf ein breites, qualifiziertes, kontinuierliches Bildungs- und Kulturangebot gemacht werden kann, dass wir von diesem Ziel weit entfernt sind. Insofern betrachte ich das durchaus als eine Chance. Allerdings muss man dazu sagen: Die Chipkarte allein wird es nicht richten. Das heißt, wir brauchen auf jeden Fall ein Äquivalent bei den außerschulischen Bildungs- und Kultureinrichtungen, denn die sind schon heute nicht in der Lage, die bestehende Nachfrage zu befriedigen, weil eben in dem Bereich überproportional gekürzt wurde in den vergangenen Jahren, und deshalb muss es hier tatsächlich zu einer tiefgreifenden Trendwende in der Prioritätensetzung kommen.
Köhler: Verstehe ich richtig, Sie als Musikschule kommen gar nicht hinterher, weil Sie zu lange Wartelisten haben?
Höppner: Ja. Bundesweit haben die öffentlichen Musikschulen eine Warteliste von derzeit 100.000 Schülerinnen und Schülern, die teilweise über Jahre warten, bis sie einen Unterrichtsplatz bekommen können. Das hängt damit zusammen, dass die Kommunen insbesondere und die Länder nicht auskömmlich finanziert sind. Hier setze ich sehr auf die Kommission der Bundesregierung zur Reform der Gemeindefinanzierung. Wir dürfen uns jetzt nicht von dem derzeitigen Wirtschaftsaufschwung blenden lassen. Die Kommunen und Länder sind strukturell unterfinanziert. Also hier muss es tatsächlich zu einer dauerhaften anderen Lösung kommen, denn Bildung und Kultur sind eine gesamtstaatliche Aufgabe.
Köhler: Hat die Ministerin Sie eigentlich mal um Rat gefragt, oder haben Sie schon mal über so was gemeinsam gesprochen?
Höppner: Wir haben über dieses Thema schon vor einigen Jahren gesprochen. Das ist ja keine ganz neue Idee, die da im politischen Raum umhergeistert, weil man immer auf der Suche natürlich nach Lösungen ist, wie man es packen kann. Ich glaube, die Dimension dessen, wie wir umsteuern müssen, um tatsächlich diesen Anspruch, jedem die Möglichkeit zu eröffnen, sich kulturell, und damit meine ich auch den Sport, zu engagieren, diese Dimension ist in seiner ganzen Bandbreite noch nicht erfasst. Einen ersten Aufschlag hat es in Nordrhein-Westfalen mit dem Projekt "Jedem Kind ein Instrument" gegeben.
Köhler: Keine fünf Euro für Essen und ein Euro für Freizeit und Kultur. Das hat ein Hartz-IV-Empfänger so ungefähr und die Verfassungsrichter haben Reform-Nachholbedarf angekündigt, bei Leistungen für Kinder insbesondere. Ist ein Euro Kultur am Tag genug?
Höppner: Nein!
Köhler: Das sagt der Generalsekretär des Deutschen Musikrats, Christian Höppner. Und ob Familienlotsen im Jobcenter dann demnächst Flöten oder Fußballschuhe an Kinder empfehlen oder verteilen, das wird man wohl noch sehen. Für die schlechte Qualität des aufgezeichneten Gesprächs bitte ich um Entschuldigung.
Christian Höppner: Grundsätzlich stehe ich dem Thema sehr offen gegenüber, weil das ein ganz vielversprechender Ansatz ist, dass tatsächlich Kinder und Jugendliche Sachleistungen erhalten, dass es sie tatsächlich erreicht, und das muss ja in unser aller Interesse sein, dass wir den Grat der kulturellen Teilhabe für Kinder und Jugendliche stärken.
Köhler: Bedürftige Kinder sollen in der Schule mitkommen und in der Freizeit mit Gleichaltrigen mitmachen können. Das hat sie im "Spiegel"-Interview auch noch mal gesagt. Das Bildungspaket soll bereitgestellt werden, aus vier Teilen bestehen:
"Das ist einerseits die Lernförderung in der Schule, wenn sie nicht mitkommen, es ist in den Ganztagsschulen oder Ganztagskindergärten, wo warmes Mittagessen angeboten wird, das Mittagessen, es ist das Schulmaterial – das geht vom Tuschkasten bis zum Atlas – und die Möglichkeit, in der Freizeit in den Sportvereinen zu sein, wo auch alle anderen Gleichaltrigen sind."
Köhler: Hier war von Sport die Rede, aber nicht von Kultur und Musik. Wie viel Kultur, Herr Höppner, gehört da rein? Was wünschen Sie sich?
Höppner: Gleichberechtigt genauso viel wie Sport. Wir müssen alle Möglichkeiten offen halten. Ministerin von der Leyen hat ja an einer Stelle durchaus auch von den Musikschulen zum Beispiel des Öfteren gesprochen. Also wir sehen uns da mit dem Sport in einem Boot.
Köhler: Nun gibt es aber auch Kritik an den Plänen, sowohl von links als auch aus den eigenen Reihen der Union. Man könne knapp zwei Millionen Kinder nicht von Berlin oder Nürnberg aus über Jobcenter fördern, sagt der Paritätische Wohlfahrtsverband heute. Wir verknüpfen, was es heute schon gibt, sagt die Ministerin, damit kein benachteiligtes Kind zurückbleibt. Sehen Sie diese kritischen Punkte ähnlich, oder wo würden Sie ansetzen?
Höppner: Es ist ja eine typisch deutsche Diskussion, dass wir erst mal über die Risiken, statt über die Chancen diskutieren. Ich will überhaupt nicht verhehlen, dass es noch viele offene Punkte gibt. Auch die Erfahrungen zum Beispiel aus Holland, die mit diesem Modell schon vier Jahre Erfahrungen haben, sollten wir mit einbeziehen. Aber in erster Linie geht es doch darum, dass wir das, was wir bisher nicht geschafft haben, was aber immer Anspruch der Bildungs- und Kulturpolitik war und ist, nämlich dass jedem Kind und jedem Jugendlichen, egal welcher sozialen oder ethnischen Herkunft, die Chance auf ein breites, qualifiziertes, kontinuierliches Bildungs- und Kulturangebot gemacht werden kann, dass wir von diesem Ziel weit entfernt sind. Insofern betrachte ich das durchaus als eine Chance. Allerdings muss man dazu sagen: Die Chipkarte allein wird es nicht richten. Das heißt, wir brauchen auf jeden Fall ein Äquivalent bei den außerschulischen Bildungs- und Kultureinrichtungen, denn die sind schon heute nicht in der Lage, die bestehende Nachfrage zu befriedigen, weil eben in dem Bereich überproportional gekürzt wurde in den vergangenen Jahren, und deshalb muss es hier tatsächlich zu einer tiefgreifenden Trendwende in der Prioritätensetzung kommen.
Köhler: Verstehe ich richtig, Sie als Musikschule kommen gar nicht hinterher, weil Sie zu lange Wartelisten haben?
Höppner: Ja. Bundesweit haben die öffentlichen Musikschulen eine Warteliste von derzeit 100.000 Schülerinnen und Schülern, die teilweise über Jahre warten, bis sie einen Unterrichtsplatz bekommen können. Das hängt damit zusammen, dass die Kommunen insbesondere und die Länder nicht auskömmlich finanziert sind. Hier setze ich sehr auf die Kommission der Bundesregierung zur Reform der Gemeindefinanzierung. Wir dürfen uns jetzt nicht von dem derzeitigen Wirtschaftsaufschwung blenden lassen. Die Kommunen und Länder sind strukturell unterfinanziert. Also hier muss es tatsächlich zu einer dauerhaften anderen Lösung kommen, denn Bildung und Kultur sind eine gesamtstaatliche Aufgabe.
Köhler: Hat die Ministerin Sie eigentlich mal um Rat gefragt, oder haben Sie schon mal über so was gemeinsam gesprochen?
Höppner: Wir haben über dieses Thema schon vor einigen Jahren gesprochen. Das ist ja keine ganz neue Idee, die da im politischen Raum umhergeistert, weil man immer auf der Suche natürlich nach Lösungen ist, wie man es packen kann. Ich glaube, die Dimension dessen, wie wir umsteuern müssen, um tatsächlich diesen Anspruch, jedem die Möglichkeit zu eröffnen, sich kulturell, und damit meine ich auch den Sport, zu engagieren, diese Dimension ist in seiner ganzen Bandbreite noch nicht erfasst. Einen ersten Aufschlag hat es in Nordrhein-Westfalen mit dem Projekt "Jedem Kind ein Instrument" gegeben.
Köhler: Keine fünf Euro für Essen und ein Euro für Freizeit und Kultur. Das hat ein Hartz-IV-Empfänger so ungefähr und die Verfassungsrichter haben Reform-Nachholbedarf angekündigt, bei Leistungen für Kinder insbesondere. Ist ein Euro Kultur am Tag genug?
Höppner: Nein!
Köhler: Das sagt der Generalsekretär des Deutschen Musikrats, Christian Höppner. Und ob Familienlotsen im Jobcenter dann demnächst Flöten oder Fußballschuhe an Kinder empfehlen oder verteilen, das wird man wohl noch sehen. Für die schlechte Qualität des aufgezeichneten Gesprächs bitte ich um Entschuldigung.