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Flucht Al-Baschirs
Baum: Sanktionen gegen Südafrika müssen folgen

Man könne davon ausgehen, dass der Machthaber Sudans Omar Al-Baschir mit Wissen des südafrikanischen Präsident Zuma das Land verlassen habe, sagte Gerhart Baum (FDP) im DLF. Baum zeigte sich enttäuscht, dass Südafrika nicht das Ausreiseverbot des Internationalen Gerichtshofs eingehalten habe und forderte Konsequenzen.

Gerhart Baum im Gespräch mit Gerd Breker | 16.06.2015
    Der frühere Innenminister Gerhart Rudolf Baum (FDP).
    Der frühere Innenminister Gerhart Rudolf Baum (FDP). (Imago / Müller-Stauffenberg)
    Gerd Breker: Für einen kurzen Moment konnte man auf die Durchsetzung des internationalen Rechts hoffen. Der sudanesische Präsident Al-Baschir war nach Südafrika gereist, um dort am Gipfel der Afrikanischen Union teilzunehmen. Ein südafrikanisches Gericht verhängte ein Ausreiseverbot und mahnte die Behörden, Al-Baschir nicht aus dem Land zu lassen. Dennoch flog der sudanesische Präsident gestern ab. Der Machthaber wird wegen des blutigen Konflikts in der Region Darfur Völkermord vorgeworfen. Der Internationale Strafgerichtshof hat einen Haftbefehl ausgestellt und verlangt seine Auslieferung.
    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Gerhart Rudolf Baum. Der ehemalige Innenminister war auf dem Höhepunkt der Darfur-Krise Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen für Menschenrechte im Sudan. Guten Tag, Herr Baum.
    Gerhart Rudolf Baum: Guten Tag!
    Breker: Südafrika ist Mitglied beim Internationalen Strafgerichtshof. Das hätte nicht geschehen dürfen, dass Al-Baschir ausreist?
    Baum: Nein! Das hätte nicht geschehen dürfen. Das entspricht nicht dem Recht, entspricht auch nicht dem Völkerrecht und ist ein schlechtes Signal, die Täter kommen immer wieder davon. Man muss sehen, dass dem Präsidenten Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in sieben Fällen sowie Völkermord in drei Fällen vorgeworfen wird.
    Wir haben jetzt im internationalen Recht ein Täterstrafrecht. Der Täter ist im Visier der Richter. Und wir haben ein Opferstrafrecht. Im Grunde ist das ein ganz großer Fortschritt im Völkerrecht. Nur muss es eben auch funktionieren.
    Vorwürfe gegen Al-Baschir sind gerechtfertigt
    Breker: Und die Vorwürfe gegen Al-Baschir, die sind gerechtfertigt?
    Baum: Die Vorwürfe sind gerechtfertigt. Sie haben angesprochen den Konflikt in Darfur. Das ist eine vergessene humanitäre Katastrophe, von der Millionen Menschen betroffen sind, die in Lagern vegetieren, nur noch von außen mit Hilfe versorgt werden, es hat Tausende von Toten gegeben, also eine Katastrophe, die wir gar nicht mehr wahrnehmen. Ich plädiere dafür, dass man jetzt nicht nur den Fall Baschir wahrnimmt, sondern auch nach wie vor mal wieder auf die Katastrophe in Darfur blickt und dort eine Lösung anstrebt. Die Lösung kann nur mit Khartum erfolgen, also mit der Regierung in Khartum, mit der Regierung Baschir.
    Breker: Es wäre eine Chance gewesen, in Südafrika, um dahin noch mal zurückzukehren, Herr Baum, auch den Staats- und Regierungschefs zu zeigen, dass sie nicht über dem Recht stehen. Auch sie unterliegen dem Recht.
    Baum: Ja. Im Grunde gibt es noch Richter in Südafrika, muss man sagen. Es gab ja ein Gericht, das ein Ausreiseverbot verhängt hatte, und das Gericht hat deutlich gemacht genau das, was Sie sagen, Herr Breker: Hier gibt es ein Recht, das nicht manipuliert werden kann durch diejenigen, die regieren.
    Die Afrikaner haben eine Oppositionsrolle eingenommen, die immer stärker wurde gegen den Internationalen Strafgerichtshof, weil viele afrikanische Täter betroffen waren, aber das liegt auch darin, dass andere Täter in anderen Staaten dort abgeurteilt werden, was in Afrika nicht geschieht.
    Ich nehme den Südafrikanern besonders übel, dass wir für ihre Freiheit gekämpft haben. Viele Organisationen, viele Einzelpersonen haben gekämpft gegen die Apartheid und jetzt wäre es doch eine Gegenleistung der Südafrikaner, sich für Menschenrechte auf ihrem Kontinent einzusetzen.
    Breker: Man kann nicht davon ausgehen, Herr Baum, dass ohne Wissen des Präsidenten Zuma in Südafrika Al-Baschir ausgereist ist.
    Baum: Davon kann man ausgehen und da ist eine Komplizenschaft festzustellen. Im Grunde funktioniert der Internationale Strafgerichtshof seit 2002 und im Grunde ist es irgendwo auch eine Genugtuung, dass ein Haftbefehl aufgelebt ist, dass das nicht vergessen ist. Und diese Arroganz der afrikanischen Regierungschefs gegenüber dem Internationalen Strafgerichtshof ist schlimm. Der Internationale Strafgerichtshof spielt eine gute Rolle. Er sammelt Fakten auch in anderen Fällen und muss funktionieren. Hier hat es ja noch etwas gegeben, was ganz besonders ins Gewicht fällt: Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat grünes Licht gegeben damals für die Untersuchungen im Sudan. Das heißt, hier ist ein Konflikt auch mit dem Sicherheitsrat gegeben.
    Breker: Da Südafrika Mitglied ist beim Internationalen Strafgerichtshof, müsste jetzt eigentlich auch eine Strafe folgen.
    Baum: Ja, es müsste eine Sanktion folgen. Ich weiß nicht, wie der Strafgerichtshof reagiert. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen hat ja schon protestiert. Im Grunde muss jetzt noch einmal ganz deutlich die Auslieferung von Baschir vom Sudan gefordert werden, und wenn das nicht geschieht, muss man über politische Sanktionen nachdenken. Aber wichtig ist - ich wiederhole das noch mal -, nicht aus dem Auge zu verlieren das schreckliche Schicksal von über zwei Millionen Menschen in Darfur.
    Breker: Im Deutschlandfunk war das Gerhart Rudolf Baum. Er war unser Innenminister und er war auf dem Höhepunkt der Darfur-Krise der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen für Menschenrechte im Sudan. Herr Baum, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
    Baum: Guten Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.