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Flüchtling in Deutschland
"Mein Leben in Syrien war schrecklich"

Nicht über, sondern mit Flüchtlingen reden: Der aus Syrien geflohene Ahmad Satati hat im Deutschlandfunk seine Erlebnisse geschildert. Vom Massaker in seiner Heimatstadt und der Misshandlung im Gefängnis über die Flucht im überfüllten Boot bis hin zu seinem Glück, in Deutschland Asyl erhalten zu haben.

Ahmad Satati im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Flüchtlinge aus Syrien, Pakistan und Bangladesch warten am Hafen der griechischen Insel Kos, um nach Athen zu gelangen.
    Flüchtling Ahmad Satati gelangte in einem vollkommen überfüllten Boot nach Europa. (Santi Palacios, dpa)
    In Syrien erlebte Ahmad Satati tägliche Bombardierungen seiner Stadt. Er wurde Zeuge eines Massakers, bei dem innerhalb von drei Tagen 700 Menschen umgebracht wurden. Als er Verletzte medizinisch versorgte, wurde er nach eigenen Angaben in ein Gefängnis eingesperrt und misshandelt. "Das Leben war sehr schwarz", sagte er. Er floh nach Ägypten und von dort in einem Boot nach Italien. Eigentlich hätte das Boot nur Platz für 30 Personen gehabt. An Bord seien aber 300 Leute gewesen. "Wir konnten nicht schlafen und nicht sitzen." Die letzten drei Tage sei das Wasser ausgegangen. Doch alle Flüchtlinge überlebten die achttägige Überfahrt.
    In Deutschland hat er inzwischen eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten und macht einen Deutschkurs. "Ich würde gerne weiterstudieren. Ich fühle mich sehr wohl in Deutschland", sagte er. Um seine Familie in Syrien habe er aber weiter Angst. "Mein Leben in Syrien war sehr schrecklich." Zu den Übergriffen auf Flüchtlingsheime in Deutschland sagte Satati, viele Deutsche wüssten nicht, warum Flüchtlinge hierher kämen. In Syrien hätten die Menschen unter dem Regime oder der Terrormiliz IS kein Leben. "Was sollen die Menschen machen, wenn sie in ihrem Land sterben müssen?"

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: Auch heute Morgen gibt es schreckliche Nachrichten zu den Flüchtlingen, die versuchen, übers Mittelmeer nach Europa zu kommen. Nach dem Bootsunglück für der libyschen Küste gestern ist immer noch nicht klar, wie viele Tote es gegeben hat. Sehr oft haben wir über solche Unglücke in den letzten Monaten berichtet, sie sind immer mehr geworden, die Flüchtlinge aus den Kriegen dieser Welt, allen voran aus Syrien. In unserer Wahrnehmung tauchen sie meistens dann auf, wenn es um die Bilder der überfüllten Flüchtlingsboote geht oder eben um die Katastrophen auf dem Mittelmeer - im Zusammenhang mit Skandalen und Angriffen um und auf Flüchtlingsunterkünfte, in der Diskussion um überforderte Kommunen oder im Streit um Flüchtlingsquoten in der Europäischen Union. Natürlich haben die Flüchtlinge alle ihre Geschichte, einer hat sie uns erzählt vor dieser Sendung: Ahmad Al Satati aus Syrien. Ich habe ihn zuerst gefragt, wann und warum er aus Syrien geflohen ist.
    Ahmad Satati: Das war vor ungefähr zehn Monaten. Ich komme aus einer Stadt, und die Stadt heißt [unverständlich]. Dort gibt es einen Krieg in der Stadt seit drei Jahren. Erst mal war jeden Tag Bombardierung, also ein großes Massaker. Ich habe in drei Tagen 700 Leute, die getötet wurden, gesehen. Und damals habe ich den Leuten geholfen, mit medizinischen Sachen und so. Und danach haben sie mich ins Gefängnis geschickt, also sie haben mich in einen Raum hingelegt, ohne Kleidung, 30 Leute in einem kleinen Raum, es gibt nur zweimal Essen, und auch mit Kindern. In meinem Raum gab es 15 Kinder, und sie haben die Kinder sehr, sehr viel gefoltert.
    Kaess: Wie sind Sie aus dem Gefängnis rausgekommen?
    Satati: Nach eineinhalb Monaten haben sie mich zu einem anderen Gefängnis geschickt, und der Richter hat mir ein paar Fragen gestellt: Warum hast du protestiert gegen das Regime? Ich hab gesagt, ich habe nichts gemacht. Und er hat mir gesagt, warum denn hast du geschrieben, dass du protestierst. Ich habe gesagt, sie haben mich sehr viel gefoltert, und ich habe geschrieben, wie sie wollen. Und er hat gesagt, okay, dann geh frei.
    "Das Leben war sehr schwarz in meinen Augen"
    Kaess: Dann konnten Sie das Gefängnis verlassen, und Sie sind dann nach Damaskus gegangen.
    Satati: Ja, also ich war ein Lehrerassistent an der Uni Damaskus, und sie haben mir gesagt, du bist gegen das Regime, du darfst nicht als Lehrer in der Uni sein und du darfst auch nicht an der Uni weiterstudieren. Und mein Haus war in meiner Stadt kaputt, danach ist mein Bruder ins Gefängnis gekommen, ich konnte insofern gar nichts machen.
    Kaess: Und dann haben Sie sich zur Flucht entschlossen.
    Satati: Ja, ich bin erst mal nach Ägypten geflogen, ich wollte dort weiterstudieren. Ich bin in die syrische Botschaft gegangen in Kairo, ich brauchte diese Beglaubigung. Sie haben mir gesagt, du musst nach Syrien wieder zurückfahren. Da haben sie gesagt, du hast keinen Pflichtdienst beim Militär gemacht. Ich habe gesagt, aber ich will nicht, weil ich will die Leute nicht töten. Und in Syrien, ich töte die Leute oder die Leute töten mich. Sie haben meinen Reisepass genommen. Und damals, das Leben war sehr schwarz in meinen Augen, habe ich die Entscheidung getroffen, nach Deutschland zu flüchten.
    Kaess: Wie sind Sie dann weiter vorgegangen, wie sind Sie nach Deutschland gekommen?
    Satati: Ich bin mit dem Boot nach Italien gefahren, von Ägypten. Ich habe nicht mit den Schleppern face to face sozusagen gesprochen, sondern mit anderen Leuten. Und er hat mir gesagt, du musst an diesen Platz kommen. Ich bin gekommen, und ich hab ein paar Stunden gewartet. Danach hat uns jemand gesagt, okay, jetzt los. Und wir sind an den Strand gegangen, und da kommt ein kleines Boot, also vielleicht kann man normalerweise nur mit 30 Leuten fahren oder mit 20, aber wir waren 200 Leute.
    "In den letzten drei Tagen gab es kein Trinken"
    Kaess: Wie ist die Überfahrt dann verlaufen?
    Satati: In dem Boot konnten wir nicht schlafen oder sogar sitzen. Es war sehr, sehr klein, und es dauerte acht Tage.
    Kaess: Hatten Sie genügend zu essen und zu trinken auf der Fahrt?
    Satati: Nein, jeder hatte sein Essen, aber in den letzten drei Tagen gab es kein Trinken.
    Kaess: Haben alle Leute die Fahrt überlebt?
    Satati: Ja, alle Leute.
    Kaess: Wie sind Sie von Italien aus weitergekommen?
    Satati: Als das italienische Militär uns aufgenommen hat, hat sie uns in ein Camp gesteckt, und am nächsten Tag habe ich das Camp verlassen und bin mit dem Zug nach Frankreich und danach nach Deutschland.
    Kaess: Und wo sind Sie dann in Deutschland angekommen, wo haben Sie sich da gemeldet?
    Satati: Ich habe mich in Frankfurt angemeldet, und die Polizei hat mich nach Gießen geschickt.
    Kaess: Und Sie haben derzeit eine Aufenthaltsgenehmigung?
    Satati: Ja, ja, ich habe schon meine Aufenthaltsgenehmigung, und das dauerte fünf Monate.
    Kaess: Was machen Sie jetzt in Deutschland?
    Satati: Ich mache einen Sprachkurs an der Volkshochschule in Gießen, und ja, ich lerne Deutsch gerade.
    "Ich habe immer Sorge und Angst um meine Familie"
    Kaess: Und was möchten Sie gerne machen, wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?
    Satati: Ich würde gerne weiterstudieren, und das ist der erste Grund, warum ich nach Deutschland gekommen bin.
    Kaess: Herr Al Satati, wie leben Sie im Moment in Deutschland, fühlen Sie sich gut aufgehoben im Moment?
    Satati: Also ich fühle mich sehr wohl in Deutschland, besonders nach dem Deutschkurs, aber ich habe immer Sorge und ich habe immer Angst um meine Familie, um meine Leute und so. Aber für mich persönlich ist alles okay. Mein Leben war in Syrien sehr schrecklich, hier kann ich studieren, ich kann in Freiheit leben, ich kann jetzt bei Ihnen sprechen.
    Kaess: Herr Al Satati, im Moment kommen sehr viele Flüchtlinge nach Deutschland, ich weiß nicht, inwieweit Sie die Diskussionen darüber verfolgen, die Flüchtlinge werden nicht immer freundlich aufgenommen, es hat auch Angriffe gegeben auf Flüchtlingsheime. Welche Gefühle löst das in Ihnen aus?
    Satati: Ich hab darüber gelesen. Also ich finde, dass viele Leute von Deutschland, sie wissen nicht, warum diese Leute nach Deutschland kommen, besonders von Syrien. Die Leute, die kommen nicht einfach so nach Deutschland, vielleicht sterben sie unterwegs. Sie kommen, weil sie überhaupt kein Leben in ihrem Land hatten - wegen des Regimes, wegen ISIS, sie haben kein Leben. Was sollen denn die Leute machen, wenn man in seinem Land sterben muss?
    Kaess: Ahmad Al Satati, ein syrischer Flüchtling, der nach Deutschland gekommen ist. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.