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Flüchtlinge
Aus dem Innenleben der Grenzschutzagentur Frontex

Die europäische Grenzschutzagentur Frontex lässt sich nur selten in die Karten schauen. Dabei soll sie nach dem Willen der EU-Kommission mehr Mitarbeiter und mehr Befugnisse erhalten. Im Warschauer Frontex-Hauptquartier bereitet man sich darauf vor.

Von Florian Kellermann |
    Die Fahne der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex
    Die EU-Agentur Frontex soll mehr Befugnisse bekommen (dpa/picture alliance/Kay Nietfeld)
    Izabella Cooper dämpft die Stimme. Sie will die acht Mitarbeiter nicht stören, die vor ihr in zwei Reihen an ihren Computern sitzen.
    "Wir sind hier im Frontex-Situation-Center, das ist wirklich das Nervenzentrum der Frontex-Operationen. Aber nicht nur: Das ist der Ort, von dem aus wir ein vollständiges Bild der Situation an allen Außengrenzen der Europäischen Union haben."
    Ganz vorne an der Wand hängen zwei große Bildschirme mit Landkarten. Zu sehen sind Europa sowie die Mittelmeerküsten von Afrika und der Arabischen Halbinsel.
    Grüne Punkte für illegale Grenzübertritte
    Die linke Karte, ganz in Grün gehalten, zeigt die Vorgänge an den See-Außengrenzen der EU.
    "Schauen Sie auf die grünen Punkte. Sie zeigen illegale Grenzübertritte. Sie häufen sich im Süden vom Spanien. Dort ist der Migrationsdruck in diesem Jahr doppelt so hoch wie im vergangenen Jahr. So gut wie alle Migranten dort sind in Marokko aufgebrochen."
    Manche starteten sogar mit Schlauchbooten für Kinder, andere nutzten Jetski, sogenannte Wassermotorräder, zur Überfahrt.
    Die Mitarbeiter im Situation-Center schauen an ihren Computern auf Karten, Tabellen und Fotos. Informationen, die sie von den Mitgliedsstaaten erhalten und direkt von den 1500 Grenzbeamten, die die EU-Länder insgesamt an Frontex abgestellt haben. Die Daten fließen in das sogenannte Eurosur, das Grenzüberwachungssystem, auf das alle Länder Zugriff haben.
    "Diese Plattform ist nur so gut wie die Informationen, die Mitgliedsländern einspeisen. Dazu gehören nicht nur illegale Grenzübertritte, sondern auch gefälschte Dokumente, die an einem Flughafen sichergestellt wurden. Oder ein gestohlenes Auto."
    Aus diesen Puzzle-Teilen könnten die Frontex-Mitarbeiter ein komplexeres Bild zusammensetzen, sagt Izabella Cooper. Ein Beispiel: Die Agentur habe so ein Schiff ausfindig gemacht, das eine große Menge illegaler Waffen nach Griechenland bringen sollte.
    Operativer als je zuvor?
    Auch die Abteilung für Risikoanalyse nutzt die Daten. Sie prognostiziert künftige Migrationsbewegungen. Izabella Cooper ist die Sprecherin der EU-Agentur in Warschau. Ein Interview mit dem Leiter ist schwer zu bekommen. Seit über drei Monaten läuft die Anfrage von Deutschlandfunk an Fabrice Leggeri. Über die Internetseite von Frontex wandte sich Fabrice Leggeri vor über einem Jahr an Interessierte: Er freute sich, dass die Agentur - wiederum ein Jahr zuvor - neue Kompetenzen bekommen hatte:
    "Unser neues Mandat und zusätzliche Ressourcen sind eine klare politische Antwort auf die Migrationskrise der EU. Die Agentur ist jetzt operativer als je zuvor."
    Neu ist seitdem unter anderem, dass die EU-Länder Grenzbeamte abstellen müssen. Außerdem kann Frontex prüfen, ob der Grenzschutz in bestimmten Mitgliedsländern ausreichend ist. Zur politischen Debatte, ob Frontex zu einer selbständigen Grenzpolizei ausgebaut werden solle, äußert sich die Agentur nicht. Izabella Cooper sagt nur so viel: Das Bewusstsein, wie wichtig Frontex sei, wachse.
    "Die ersten Operation von Frontex vor elf oder zwölf Jahren war in Spanien, und nur eine Handvoll Mitgliedsländer war bereit, Schiffe und ein Flugzeug zu schicken. Diese Haltung hat sich dramatisch geändert. Heute sind es 28 Länder, die Italien oder Griechenland oder Spanien unterstützen."