Dienstag, 16. April 2024

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Flug MH17: Aufarbeitung in den Niederlanden
"Wir werden jeden Stein umdrehen"

298 Menschen sind beim Abschuss von Flug MH17 über der Ukraine vor drei Jahren ums Leben gekommen. Ein Großteil von ihnen stammte aus den Niederlanden. Dort soll den Schuldigen eines Tages auch der Prozess gemacht werden. Doch es ist fraglich, ob es jemals dazu kommen wird.

Von Kerstin Schweighöfer | 17.07.2017
    Die Skulptur ist Teil der Gedenkstätte in Vijfhuizen, nahe dem Flughafen Amsterdam-Schipol. Sie wird am 17.07.2017 eingeweiht.
    Die Skulptur ist Teil der Gedenkstätte in Vijfhuizen, nahe dem Flughafen Amsterdam-Schipol. (dpa/Koen van Weel)
    "298 Bäume. Einer für jedes Leben, das uns am 17. Juli 2014 geraubt wurde. Einer für jeden geliebten Menschen, der an diesem Tag seine, wie sich herausstellte, letzte Reise antrat."
    Der amtierende niederländische Außenminister Bert Koenders am 18. März, als in einem Park nahe dem nationalen Flughafen Schiphol 298 Bäume gepflanzt wurden - für die 298 Opfer, die beim Abschuss des Fluges MH17 über der Ukraine vor drei Jahren ums Leben kamen.
    Darunter 196 Niederländer, aber auch Belgier, Australier, Ukrainer und Malaysier. In diesem "Wald der Erinnerungen", der in der Form einer Schleife angelegt wurde, hat jedes Opfer seinen eigenen Baum mit einem Namensschild bekommen. In der Mitte steht eine Gedenktafel mit allen Namen.
    Bei einer feierlichen Zeremonie wird dieses "Nationale Monument" heute eingeweiht. In Anwesenheit des niederländischen Königspaares Willem Alexander und Maxima und des amtierenden Ministerpräsidenten Mark Rutte.
    "Wir werden jeden Stein umdrehen", hatte Rutte gleich nach der Katastrophe versichert,
    "Wir werden keine Ruhe geben, bis die Täter aufgespürt und zur Rechenschaft gezogen worden sind. Das sind wir den Opfern und ihren Angehörigen schuldig."xWenn es zum Prozess kommt, dann in den Niederlanden
    Ein aus den Trümmerteilen zusammengesetztes Modell des abgestürzten Flugzeugs
    Die Ermittler präsentierten im Oktober 2015 ein aus Trümmerteilen zusammengesetztes Modell des abgestürzten Flugzeugs (picture alliance / dpa / Robin Van Lonkhuijsen)
    Ersten Beweisen zufolge sind prorussische Rebellen für den Absturz verantwortlich. Sie sollen das Flugzeug mit einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen haben. Zu diesem Ergebnis ist ein gemeinsames Ermittlungsteam der fünf Länder gekommen, aus denen die Opfer stammen. Festnahmen allerdings hat es noch nicht gegeben, auch wurden keine Namen von Verdächtigen genannt. Der Plan, diesen vor einem internationalen ad hoc-Tribunal den Prozess zu machen, scheiterte am Veto der Russen.
    Deshalb haben sich die Länder des gemeinsamen Ermittlungsteams darauf geeinigt, die Verantwortlichen der Katastrophe in den Niederlanden strafrechtlich zu belangen - vor einem niederländischen Gericht. Unter diesen Umständen sei das, laut Premier Rutte, die beste Option.
    Aber werden die Verdächtigen jemals vor diesem Gericht landen? Russland wird keine Staatsbürger ausliefern. Es könnte also ein Verfahren ohne Angeklagte werden. In den Niederlanden ist bereits von einem "spookproces" die Rede, einem "Gespensterprozess". Wird die Wahrheit jemals ans Licht kommen?
    Erinnerungen an den Lockerbie-Prozess werden wach
    "Es gibt nur einen Präzedenzfall", sagt der Amsterdamer Experte für internationales Strafrecht, Geert Jan Knoops: den Lockerbie-Prozess, benannt nach jenem schottischen Dorf, über dem 1988 eine Pan Am-Boeing von einer Bombe zerrissen wurde. 270 Menschen kamen ums Leben.
    Zwölf Jahre nach dem Terroranschlag kam es zwar zu einem Prozess vor einem schottischen Gericht mit schottischem Personal, aber auf neutralem Boden in den Niederlanden. Laut Urteil ging es bei dem Anschlag um einen staatsterroristischen Akt libyscher Geheimdienstler. Einer von zwei Angeklagten wurde 2001 freigesprochen, der andere zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch das Urteil basierte auf Indizien und Zeugenaussagen. Viele Fragen sind nach wie vor offen, die genauen Umstände des Anschlags auch nach 30 Jahren nicht befriedigend geklärt.
    "Wir können zwar versuchen, jeden Stein umzudrehen", so Strafrechtsexperte Knoops, "Aber wir müssen uns darüber bewusst sein, dass dies noch Jahre dauern wird."