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Folgen der Kernkraft-Nutzung
Suche nach Endlager für Atommüll läuft noch immer

Zwei Jahre ist es her, dass der Bundestag das Standortauswahl-Gesetz novelliert hat. Erstmals gab es damit eine Einigung auf klare Bedingungen für ein Atommüll-Endlager. Entscheidend ist vor allem die Gesteinsformation. Doch was in der Theorie gelungen ist, bleibt in der Praxis kompliziert.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 23.07.2019
Drei schwarze Atommüll-Fässer, wobei eines im Vordergrund in der Mitte scharf abgebildet ist, im Hintergrund zwei weitere Fässer unscharf.
Ein Problem bei der Suche nach einem atomaren Endlager dürfte die Akzeptanz in der Bevölkerung sein (imago stock&people / imagebroker)
"Mein lieber Herr Albrecht, wir wollen Deinen Schiet nicht haben, nicht bei uns und auch nicht anderswo! Niemals!!"
Ein gewisser Ernst Albrecht regierte als Ministerpräsident in Niedersachsen - und schon damals, 1979, ging in Gorleben die Angst um, zum sogenannten "Atomklo" der Nation zu werden. Heute, genau 40 Jahre später, ist die Suche nach einem Endlager für den deutschen Atommüll, noch immer eine brennende Frage:
"Wir haben diese Abfälle, wir können sie nicht einfach wegdefinieren. Wir haben die Verantwortung für diese Abfälle, und die nehmen wir auch wahr."
Sagt Svenja Schulze. Der Bundesumweltministerin von der SPD bleibt gar nichts anderes übrig, als Zweckoptimismus zu verbreiten - denn ständig schlägt ihr Protest entgegen: beim Klimaschutz genauso wie beim Thema Atommüll.
Stiftung soll Lagerung des radioaktiven Abfalls finanzieren
Das wusste schon Schulzes Amtsvorgängerin. Als Barbara Hendricks während ihrer Amtszeit das stillgelegte Atomkraftwerk Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern besichtigte, stellte sie mitten im Baustellen-Lärm fest:
"Bürgerinnen und Bürger, es nützt nichts, wenn Ihr mich jetzt irgendwie mit Tomaten bewerft. Es muss so oder so irgendjemand regeln."
Zu den vielen, die es jetzt regeln müssen, gehört auch eine öffentlich-rechtliche Stiftung, die die Zwischen- und Endlagerung des radioaktiven Abfalls finanzieren und heute ihre Zahlen vorstellen wird. Das Geld, gut 24 Milliarden Euro, stammt von den Betreibern der 25 deutschen Atomkraftwerke:
"Das wird nicht reichen", sagt Sylvia Kotting-Uhl. Die Grünen-Politikerin ist Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag und beobachtet die deutsche Atompolitik seit Jahrzehnten. Kotting-Uhl warnt, die Endlager-Suche dürfe weder unter Zeit- noch unter finanziellen Druck geraten. Das wohl größte Problem aber wird die Akzeptanz in der Bevölkerung sein:
"Es werden bestimmte Salzstöcke im Norddeutschen drin sein. Es wird der Ton in Baden-Württemberg drin sein, es wird das Kristallin-Gestein in Sachsen und Bayern drin sein, Also ein paar Regionen, weiß man, die werden drin sein."
"Wir sind am Anfang eines Verfahrens, das aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat", sagt Wolfram König, Präsident des Bundesamts für kerntechnische Entsorgungssicherheit. Seit April tourt König mit seiner Behörde durch die Republik und lädt Bürgerinnen und Bürger zu Info-Abenden über die Endlager-Suche ein:
"Ich glaube nicht, dass es wieder ein Gorleben geben wird, aber es wird natürlich überall dort, wo es konkret wird, Verunsicherung und Fragen geben. Und es geht jetzt darum erst einmal, dass die Menschen sich beteiligen können, und dass sie ihre Ängste, ihre Sorgen, ihre Fragen, aber auch ihre Vorstellungen mit einbringen können", erklärte der Behördenchef kürzlich im ARD-Hörfunk.
Erste Zwischenbilanz im Herbst 2020
Die wichtigsten rechtlichen Grundlagen immerhin sind geklärt. Vor ziemlich genau zwei Jahren beschloss der Bundestag sowohl die Finanzierung als auch die Kriterien für die Endlagersuche. Im Herbst nächsten Jahres wollen die Behörden erstmals Zwischenbilanz ziehen.
Sylvia Kotting-Uhl: "Wenn dann der erste Zwischenbericht da ist, dann wird das öffentlich bemerkbar, denn dann werden Menschen wissen, ob ihre Region in der Suche drin ist oder nicht."
Derzeit läuft die erste von drei Phasen: Ungeeignete Gebiete, zum Beispiel Vulkan- und Erbeben-Regionen scheiden fast ausnahmslos aus. Danach werden mögliche geeignete Standorte untersucht, erklärt BfE-Präsident König.
In Frage kommen nur Salz, Ton oder granithaltige Gesteinsschichten, "wenn sie ausreichend mächtig sind, wenn sie tief genug liegen, wenn sie eben auch davor sicher sind, dass sie nicht zerstört werden in einem Zeitraum von einer Million Jahre."
Ausdrücklich ist von einer sogenannten "Weißen Landkarte" die Rede, einer Metapher für die ergebnisoffene Suche. Auch aus klimapolitischen Gründen muss die Endlagerfrage unbedingt gelöst werden, meint Grünen-Politikerin Kotting-Uhl:
"Weil wir ja durchaus jetzt wieder Stimmen haben, auch im Parlament…" - aus den Reihen der AfD und auch der CDU - "… die sagen, naja unter dem Druck des Kohleausstiegs muss man sich das mit dem Atomausstieg noch mal überlegen. Das heißt, für die Endlagersuche wäre das der GAU."
Weil: Niedersachsen nicht das Atomklo der Republik
Doch auch die Ministerpräsidenten in den Ländern liegen sich in den Haaren. Niemand solle glauben, Niedersachsen sei das Atomklo der Bundesrepublik Deutschland - schimpft Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil von der SPD. Auch Bayern wehrt sich, und in Sachsen ist ausgerechnet die Lausitz als ein möglicher Endlager-Standort im Gespräch.
Dabei herrscht in der Braunkohle-Region wegen des Kohleausstiegs schon genug Unmut, kurz vor der Landtagswahl am 1. September erst recht. Die Bundestags-Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl reagiert auf den Protest verstimmt:
"Alle Bundesländer haben das Gesetz unterschrieben. Das Standortauswahlgesetz ist von Bundestag und Bundesrat beschlossen worden. Das heißt, die werden sich schon moralisch nicht vom Acker machen können. Und zum Glück wird die Standortsuche sich darum nicht kümmern. Und da das Gesetz auch so klug war, die Kompetenzen an den Bund zu ziehen, haben die Länder auch keinen Einfluss mehr darauf."
Diese Aussage dürfte in Hannover, Dresden, Stuttgart und München noch einigen Widerspruch auslösen.