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Suche nach Atommüll-Endlager
Alles auf Anfang?

In Kiel beginnt der bundesweite Auftakt für Info-Veranstaltungen zur Suche nach einem atomaren Endlager. Nach jahrzehntelangem Streit um einen Standort im niedersächsischen Salzstock Gorleben will die Politik jetzt einen Neustart und vor allem die Öffentlichkeit beteiligen.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 24.04.2019
Eine Person mit Stirnlampe steht in einem Stollen des Erkundungsbergwerk Gorleben
Außer Spesen nichts gewesen? - Das Erkundungsbergwerk in Gorleben (imago/photothek/Thomas Trutschel)
Als Barbara Hendricks vor ein paar Jahren das stillgelegte Atomkraftwerk Lubmin bei Greifswald besichtigte, da ahnte sie bereits: Die Suche nach einem Atommüll-Endlager wird kein Gewinnerthema werden. Es müsse geologisch passen und von gesellschaftlich akzeptiert werden, mahnte die damalige SPD-Bundesumweltministerin, begleitet vom Baustellenlärm: "Bürgerinnen und Bürger, es nützt nichts, wenn Ihr mich jetzt irgendwie mit Tomaten bewerft. Es muss so oder so jetzt irgendjemand regeln."
Zu den vielen, die es jetzt regeln müssen – Politiker, Geologen, Anwohner – gehört auch Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit. Am Abend wird er in Kiel die bundesweit erste Informationsveranstaltung für interessierte Bürgerinnen und Bürger eröffnen: "Wir sind am Anfang eines Verfahrens, was aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat."
Gorleben als Synonym für Bürgerproteste
Gemeint ist die Entscheidung aus dem Jahr 1977, Gorleben in Niedersachsen zum Endlagerstandort zu erklären – jahrzehntelange Auseinandersetzungen waren die Folge. Das wird uns hoffentlich nicht noch mal passieren, meint Wolfram König am Morgen im WDR-Hörfunk: "Aber es wird natürlich überall dort, wo es konkret wird, überall natürlich Verunsicherung und Fragen geben, und es geht jetzt darum erst mal, dass die Menschen sich beteiligen können, dass sie ihre Ängste, ihre Sorgen, ihre Fragen, aber auch ihre Vorstellungen mit einbringen können."
"Wir haben den Fehler gemacht, Atomkraftwerke in Gang zu setzen, ohne die Antwort gefunden zu haben, wo der Atommüll gelagert werden soll", ergänzt Robert Habeck am Morgen im ZDF. Der Grünen-Parteichef ist zuversichtlich, dass die neue Endlagersuche besser akzeptiert werden könnte, denn "jetzt gibt es ein Verfahren, das auf wissenschaftlichen Kriterien alleine beruhen soll. Und daran muss man sich jetzt beteiligen, zu den Veranstaltungen ab heute gehen, und dann werden wir 2031 sehen, wo wir stehen."
Bayern gegen ergebnisoffene Suche?
Bis dahin, also schon in zwölf Jahren, soll ein Standort in Deutschland gefunden sein. Ausdrücklich ist von einer "weißen Landkarte" die Rede, einer Metapher für die ergebnisoffene Suche. Dass die von CSU und Freien Wählern geführte Landesregierung in Bayern Widerstand leistet, kommentiert Robert Habeck mit deutlichen Worten: "Also eine Regierung, die in ihren Koalitionsvertrag reinschreibt, wir wissen schon vornherein, bei uns nicht, die handelt unverantwortlich. So geht es nicht in der Politik."
In drei Phasen geht die Endlagersuche nun voran – ungeeignete Gebiete, zum Beispiel Vulkan- und Erbeben-Regionen scheiden aus. Danach werden mögliche geeignete Standorte untersucht, in Frage kommen nur Salz, Ton, granithaltige oder kristalline Gesteine: "Wenn sie ausreichend mächtig sind, wenn sie tief genug liegen, wenn sie eben auch davor sicher sind, dass sie nicht zerstört werden in einem Zeitraum von einer Million Jahre. Und am Ende soll eben ein Standort stehen, der in Deutschland die bestmögliche Sicherheit gewährleistet."
Keine "billige" Lösung in Sicht
Für Wolfram König, wie auch für die Bundesregierung, geht es um viel. Die über Ostern scharfen Proteste gegen die Südlink genannte Stromtrasse haben gerade erst wieder gezeigt, dass sich Energiewende vor Ort oft nur sehr schwer durchsetzen lässt. Den deutschen Atommüll ins Ausland zu schaffen, sei jedoch keine Lösung, meint König: "Es gibt sicherlich immer wieder Länder, die Interesse haben, sowas aufzunehmen, aber dies machen sie nicht, um eine bessere Sicherheit zu gewährleisten, sondern um damit Geld zu verdienen. Und dieser billige Weg verbietet sich aufgrund der großen Gefährlichkeit dieser Stoffe."
Kommendes Jahr will das Bundesamt für Entsorgungssicherheit einen ersten Zwischenbericht vorlegen. Dass Atomkraftbefürworter jetzt angesichts des Klimawandels eine Rückkehr zur Kernkraft vorschlagen, hält Bundesumweltministerin Svenja Schulze für abwegig – allein schon wegen der Kosten: "Es ist knapp über einer Milliarde, die wir jedes Jahr dafür ausgeben, dass wir nukleare Sicherheit herstellen. Das ist nicht günstig." Sagt die Sozialdemokratin tief unter der Erde beim Besuch des Atommülllagers Asse.