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Football Leaks
FIFA-Chefermittlerin bremst McLaren aus

Eigentlich sollte sie so etwas wie eine Staatsanwältin des Fußball-Weltverbandes sein: die Kolumbianerin Claudia Rojas. Doch die vermeintliche Aufklärerin entpuppte sich als hartnäckige Verhinderin, als es darum ging, vor der Fußball-WM in Russland Dopingvergehen der Gastgeber aufzuklären.

Von Hendrik Maaßen | 26.11.2018
    Eine Dopingkontrolle während des WM-Spiels Uruguay gegen Frankreich.
    Eine Dopingkontrolle während des WM-Spiels Uruguay gegen Frankreich. (imago )
    Im September 2017 schreibt die neue FIFA-Chefermittlerin dem Kanadier Richard McLaren, dass sie ihn gern damit beauftragen würde, die Dopingstrukturen im russischen Fußball aufzuklären. McLaren war zuvor Sonderermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur, er ist der Experte und erarbeitet mit seinem Team einen Vorschlag: "Von ihrem Ende aus war dann erstmal lange Zeit Stille, und das überraschte mich, weil sie diejenigen waren, die uns beauftragen wollten."
    Rojas war ein halbes Jahr zuvor überraschend Chefermittlerin der FIFA geworden. McLaren hakt nach. Rojas meldet sich nach einigen Wochen. "Aus ihrer Sicht ging unser Ermittlungsansatz zu weit. Aber, das was sie wollten, war keine unabhängige Untersuchung, das hätte ich nicht gemacht", so McLaren. Er solle auf tiefergehenden Ermittlungen, Informanten- und Zeugenbefragungen verzichten.
    Ein Kopf-Portraitfoto der lächelnden Claudia Rojas. Im Hintergrund unscharf eine weiße Wand mit einem Jesus-Kreuz.
    Die Präsidentin des kolumbianischen Staatsrats, Claudia Rojas, am 26.9.2014 in Bogotá. Sie wurde am 9.5.2017 Chefermittlerin des FIFA-Ethikrats. (imago / Milton Diaz / El Tiempo)
    McLaren protestiert energisch. Rojas rudert zurück und schreibt: Jetzt müsse man nur noch den Vertrag aufsetzen. Aber es passiert wieder einmal nichts. Der Kanadier wird über die Weihnachtsfeiertage 2017 vertröstet. Trotz Terminzusagen verschleppt das Büro Rojas die Angelegenheit auch im Januar. "Etwas ging hinter den Kulissen vor, was mir nicht bewusst war."
    Dann soll es laut FIFA auf einmal ganz schnell gehen. Ein Termin für eine Telefonkonferenz wird ausgemacht. Da die Chefermittlerin der FIFA kein English spricht, muss ein Dolmetscher aus dem Spanischen übersetzen. Das erste und einzige Gespräch ist trotzdem schon nach 10 Minuten beendet. "Ich habe deutlich gemacht dass die Zeit drängt, dass es sonst schwierig wird, einen Bericht fertigzustellen", sagt Mc Laren.
    Richard McLaren, Russland-Sonderermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur
    Richard McLaren, Russland-Sonderermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Nur noch vier Monate bis zur Fußball-WM in Russland. Dann zieht die FIFA das letzte Register der Hinhalte-Klaviatur. Sie fragt bei der Welt-Anti- Dopin- Agentur nach, ob man nicht unabhängige Unternehmen oder Personen empfehlen könne, die auf Dopingermittlungen spezialisiert seine. Ein Affront. "Das ganze Projekt ist zu Ende, weil sie auf einmal Vorschläge einholen wollen, wer sonst noch ermitteln könnte. Das ist wirklich lächerlich! Wer hätte es dann denn noch tun können? Wir hatten Zugang zur Datenbank, zu Rodchenkov."
    "Selektive Wahrnehmung"
    Damit nicht genug: In einer E-Mail leugnet die Chefermittlerin der FIFA dann sogar noch, dass man sich jemals auf einen Vorschlag verständigt hätte. "Sie haben ja den Schriftverkehr, da steht, dass der Vorschlag akzeptiert wurde. Sie hat da offenbar eine sehr selektive Wahrnehmung". Im Februar erarbeitet die FIFA dann selbst ein Dokument mit Antworten auf unbequeme Fragen zum Thema Doping, Russland, WM.
    Darin steht: Man habe weitgehende Ermittlungen angestellt. Alle Untersuchungen gegen Spieler der russischen Nationalmannschaft seien aus Mangel an Beweisen eingestellt worden. Auf Nachfrage bei der FIFA und Rojas heißt es: Man sei zu dem Schluss gekommen, dass keine zusätzliche Hilfe von außen nötig gewesen sei.