Freitag, 29. März 2024

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Forschen in Corona-Zeiten
Alle allein zuhaus

Die Suche nach einem Impfstoff oder nach Medikamenten gegen das Coronavirus läuft auf Hochtouren, die Fachjournale sind voll mit immer neuen Veröffentlichungen. Aber den ganz normalen Wissenschaftsbetrieb gibt es natürlich auch noch - und der steht schlagartig vor gewaltigen Problemen.

10.04.2020
Eine Frau hält bei einem Zoom-Meeting einen Cocktail in der Hand.
Die Maßnahmen und Kontaktsperren zur Eindämmung des Coronavirus bringen immense "Kollateralschäden" mit sich - auch für die Wissenschaft (Picture Alliance / Keystone / Anthony Anex)
Mit Beiträgen und Tönen von Magdalena Schmude, Tomma Schröder, Michael Stang, Frank Grotelüschen, Benjamin Breitegger und Anneke Meyer.
Redaktion und Produktion: Christiane Knoll
Die Wissenschaft leidet unter dem Lockdown: Labors geschlossen, Tagungen abgesagt, Großgeräte stehen still. Alle Großgeräte? Nein, wenn die Corona-Forschung ruft, fährt man Deutschlands stärkste Röntgenquelle einfach mal für zwei Tage wieder hoch. Viele Biologen mussten ihre Feldforschung einstellen, eine Brutsaison der Graugänse etwa ist für immer verloren. Den Tieren ist das egal, manchen gefällt die Abwesenheit der Menschen sogar. Im Zoo in Hongkong paarten sich nach zehn Jahren endlich zwei Pandas, als hätten sie nur auf etwas Ruhe gewartet.
Die Rettung des Nördlichen Breitmaulnashorns kann dagegen nicht länger warten. Den letzten beiden Weibchen sollten in Kenia Eizellen entnommen werden. Doch der Experte für die künstliche Befruchtung darf pandemiebedingt nicht einreisen und behandelt stattdessen Hyänen im Berliner Zoo. Manche Forscherin hat Glück und ihre Daten bereits im Kasten. Andere sehen wertvolle Messzeit verrinnen. Wissenschaft im Brennpunkt über Forschen im Homeoffice.
03.03.2018, Kenia, Nynyuki: Eines der beiden letzten verbliebenen weiblichen Nördlichen Breitmaulnashörner (l) und das weibliche südliche Breitmaulnashorn Tauwa stehen in dem Wildtierreservat Ol Pejeta nebeneinander. Foto: Gioia Forster/dpa | Verwendung weltweit
Es gibt nur noch zwei weibliche Nördliche Breitmaulnashörner (dpa / Gioia Forster)
Rettung des Nördlichen Breitmaulnashorns muss warten
Najin und Fatu leben als letzte Weibchen des Nördlichen Breitmaulnashorns in einem Schutzgebiet in Kenia. Weil sich die beiden Tiere auf natürlichem Weg nicht mehr fortpflanzen können, soll moderne Reproduktionsmedizin helfen. Eigentlich wäre der Berliner Tierarzt Thomas Hildebrandt jetzt auf dem Weg nach Kenia, um bei Najin und Fatu Eizellen zu entnehmen. Doch diese Reise ist abgesagt. Für die Rettung des Nördlichen Breitmaulnashorns wird es immer enger.
Ein Beitrag von Magdalena Schmude
Mäuse allein im Labor
Sondergenehmigungen gibt es in der Corona-Krise nur für wenige Forscher. Doch manches Projekt kann nicht warten, das betrifft auch Menschen, die mit Tieren arbeiten. Viele Biologen können ihre laufenden Freiland-Studien nicht fortführen. Ornithologen etwa von der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Wien etwa arbeiten mit Graugänsen und mussten die ganze Feldforschung einstellen. Diese Brutsaison ist für sie verloren. Den Tieren ist das egal, manchen gefällt die Abwesenheit der Menschen sogar. Im Zoo in Hongkong paaren sich nach zehn Jahren endlich zwei Pandas – als hätten sie nur etwas Ruhe gebraucht. Was aber passiert mit den tausenden Versuchstieren, den Mäusen, Fischen und Frettchen, die zum Beispiel in der medizinischen Forschung eingesetzt werden?
Ein Beitrag von Michael Stang
Shutdown für Teilchenbeschleuniger
Die Physik leidet unter dem Lockdown: Labors sind geschlossen, Tagungen fallen aus, Großgeräte stehen still. Alle Großgeräte? Nein. Wenn die Corona-Forschung ruft, fährt man große Röntgenringe einfach mal so für zwei Tage wieder hoch. Und manche Teams haben Glück: Sie arbeiten dort, wo Viren keinen Zutritt haben: in Reinräumen, bauen hochempfindliche Siliziumchips in Detektoren ein, die bald nach exotischen Teilchen suchen sollen. Sie dürfen weiterforschen, vermummt, wie es der Reinraum sowieso verlangt.
Ein Beitrag von Frank Grotelüschen
Impfstoff gegen Tuberkulose und Polio
Auch Impfkampagnen gegen Polio und Malaria sind gestoppt - unter Umständen mit fatalen Folgen (dpa-Zentralbild/Tom Schulze)
Impfprogramme wegen Corona gestoppt
Während die Welt schockiert auf Corona blickt, kämpft Ghana nach wie vor mit einem Polio-Ausbruch. Doch die Impfprogramme sind gestoppt oder werden nicht mehr konsequent umgesetzt. Zu groß wäre die Gefahr, dass sich das Gesundheitspersonal ansteckt – oder dass es die Kinder ansteckt, die es eigentlich zu schützen gilt. Kurz vor dem Ziel muss die Weltgesundheitsbehörde das Polio-Ausrottungs-Programm aussetzen, und auch ein Pilotprojekt mit dem ersten Malaria-Impfstoff. Und das sind noch nicht einmal die größten Sorgen von Kwame Amponsa-Achiano, Epidemiologe im ghanaischen Krisenstab: "Wir beten, dass nach der Covid-Krise nicht die Masern ausbrechen", sagt er. "Wenn wir nicht vorsichtig sind, dann schützen wir mit den Ausgangsbeschränkungen zwar die Erwachsenen, aber die Kinder werden leiden."
Ein Beitrag von Benjamin Breitegger
Von Hirnaktivität zu Infektionsraten
Im Gehirn breitet sich Aktivität aus und wir sehen nur einen ganz kleinen Bruchteil davon. 80 Milliarden Neuronen umfasst das menschliche Gehirn - das sind zehnmal mehr, als es Menschen auf der Erde gibt. Neurowissenschaftler sind froh, wenn sie von diesen 80 Milliarden Neuronen hundert oder tausend direkt vermessen können, um daraus dann Aussagen für das ganze Nervennetz abzuleiten. Im Prinzip ähnelt die Dynamik im Hirn der Dynamik der Corona-Pandemie. Eine Person ist krank, infiziert andere Personen, ohne dass wir das direkt kausal verfolgen können. Jetzt hat Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen ihre Modelle kurzerhand umfunktioniert und eine Prognose für die Ausbreitung von Corona erstellt.
Ein Beitrag von Anneke Meyer