
Lauter Applaus im bis zur letzten Reihe gefüllten Kammermusiksaal des Deutschlandfunks. So begrüßte das Publikum in Köln über Digitalradio und Livestram die Hörerinnen und Hörer im ganzen Land. Danach waren es aber eher leisere Töne, die die ersten Minuten der Veranstaltung bestimmten. Denn der Deutschlandfunk erinnerte an den früheren Bundesminister Gerhart Rudolf Baum (1932-2025).
In memoriam Gerhart Baum
Baum war Liberaler, Minister, Anwalt, unermüdlicher Streiter für Menschenrechte und jede Form der Freiheitsrechte weltweit. Er setzte sich auch für einige der Menschen ein, die mit dem Günter Wallraff-Preis ausgezeichnet wurden, der traditionell auf dem Forum Journalismuskritik vergeben wird.

Diesem Forum war Baum als Diskussionsteilnehmer und Laudator verbunden - oder auch als interessierter Besucher, der sich mit Fragen zu Wort meldete. Deutschlandfunk-Chefsprecher Gerd Daaßen zitierte zu Ehren Gerhart Baums Auszüge aus Texten, Reden und Interviews mehrerer Jahrzehnte.
Wie umgehen mit den Populisten?
"Populisten und Plattformen – Medien vor der Kapitulation?“ Unter dieser Überschrift stand das Forum in diesem Jahr.

Die erste Diskussionsrunde beschäftigte sich insbesondere mit der Welle des Populismus. Für den Kommunikationswissenschaftler Christoph Neuberger liegt genau hier die größte Herausforderung für den Journalismus der Gegenwart. Die Medienkritikerin und Autorin Nadia Zaboura rief die Redaktionen dazu auf, „nicht über jedes Stöckchen“ zu springen, das ihnen hingehalten werde. Zaboura warnte davor, „antizivilisatorische Aussagen“ zu verbreiten. Andrea Maurer, die für das ZDF über die Bundespolitik berichtet, warb für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD, insbesondere auch bei Themen jenseits der Migrationspolitik. Sie betonte jedoch auch, dass viele Menschen das Gefühl hätten, in der Debatte mit ihrer Meinung nicht mehr vorzukommen.

Der langjährige Talkshow-Moderator Frank Plasberg ("hart aber fair") kritisierte, dass der Journalismus in Deutschland zum Aufstieg der AfD und einer zunehmend medienkritischen Haltung in der Bevölkerung beigetragen habe. Viele in den Redaktionen hätten sich von den Menschen und ihren Problemen entfremdet. „Sie wollen immer auf der richtigen, der guten Seite stehen.“ Haltung sei aber etwas für Orthopäden, nicht für Journalisten, sagte Plasberg. Sein Appell: „Sagen, was ist. Nicht, was sein sollte!“
Mächtige Plattformen - ohnmächtige Medien?
Im Mittelpunkt der zweiten Diskussionsrunde standen die großen digitalen Plattformen, ihre Macht und ihre Geschäftsmodelle. Der Kölner Medienwissenschaftler Martin Andree beklagte eine Monopolstellung weniger Tech-Unternehmen. Diese bestimmten, was Menschen in den Sozialen Medien ausgespielt bekämen. Akteure wie Elon Musk förderten dabei unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit Rassismus, Diskriminierung und Volksverhetzung. Der Musiker Sebastian Krumbiegel beklagte, die Würde des Menschen werde im Internet zunehmend mit Füßen getreten. Rechten Populisten gelinge es dabei sehr gekonnt, den Diskurs zu bestimmen und Reichweite zu genieren. Jede und jeder einzelne sei gefordert, im Alltag dagegenzuhalten.

Der Partei- und Fraktionschef der FDP in Nordrhein-Westfalen, Henning Höne, zeigte sich besorgt darüber, dass vor allem jüngere Menschen Nachrichten nur noch über die Sozialen Medien konsumierten. Dort bekämen User lediglich angezeigt, was ihnen ohnehin gefalle, nicht aber Unbequemes oder Widerspruch, der zum Nachdenken anrege. Man dürfe die Sozialen Medien nicht den Rechtsaußen überlassen, forderte der FDP-Politiker. Die Grünen-Politikerin und Rechtsanwältin Renate Künast verlangte, auch unter Hinweis auf eigene Erfahrungen mit Hass im Netz, den „gesamten Instrumentenkasten“ an Maßnahmen. Dazu gehöre auch, die Medienkompetenz von jungen Menschen in der Schule zu stärken. Andernfalls drohe eine verlorene Generation, so Künast. Sie schlug zudem die Entwicklung einer eigenen digitalen Plattform in der EU vor.

Sebastian Krumbiegel setzte den Schlusspunkt dieser Diskussion. Er wechselte vom Podium an den Flügel und untermauerte seine Plädoyers mit einer Darbietung seines Liedes „Die Demokratie ist weiblich“.
Über Kriege berichten
Eine dritte Diskussion beschäftigte sich mit der Berichterstattung über Kriege und Konflikte: Wie gelingt Journalismus mit kühlem Kopf? Darüber sprach Moderator Stephan Beuting 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa mit Deutschlandfunk-Osteuropa-Expertin Gesine Dornblüth und dem Politikwissenschaftler Klaus Schlichte von der Universität Bremen.

Diese Diskussion wurde auch als Livesendung „Nach Redaktionsschluss“ im Deutschlandfunk-Programm ausgestrahlt und ist als Podcast abrufbar.
Das „Kölner Forum Journalismuskritik“ wird von den Deutschlandfunk-Redaktionen Nachrichten sowie Meinung und Diskurs in Kooperation mit der „Initiative Nachrichtenaufklärung“ veranstaltet. Den feierlichen Abschluss bildet die Verleihung des Günter-Wallraff-Preis für Pressefreiheit und Menschenrechte. So auch in diesem Jahr, in dem die Ehrung der „Initiative Nachrichtenaufklärung“ nach Belarus ging, wo das Regime von Diktator Lukaschenko seit Jahrzehnten autoritär herrscht.
Wallraff-Preis geht 2025 nach Belarus
Der Hauptpreis wurde der inhaftierten Menschenrechtsaktivistin Maria Kolesnikowa zuerkannt. Ihre Schwester Tatsiana Khomich nahm die Auszeichnung stellvertretend entgegen. Sie erklärte, die Stimme von Maria Kolesnikowa werde seit fünf Jahren hinter Gefängnismauern gehalten. Khomich appellierte an die Regierungen des Westens, aber auch an jeden Einzelnen, das Schicksal der Oppositionellen in Belarus nicht zu vergessen und zu helfen. Den zweiten Preis nahm die unabhängige Journalistenvereinigung von Belarus entgegen, die weitgehend aus dem Exil agieren muss. Der stellvertretende Vorsitzende Barys Haretski war nach Köln gekommen. Auch er rief die internationale Gemeinschaft und die Medien dazu auf, sich für die Menschen in Belarus einzusetzen, die in Diktatur und Unterdrückung leben müssten.

Die musikalische Begleitung der Zeremonie kam von belarussischen Künstlerinnen, die in Deutschland leben. Die Sopranistin Ekaterina Zhuravskaya wurde von Nadzeya Karakulka auf dem belarussischen Zymbal begleitet. Zur Aufführung kam auch ein Werk der ebenfalls anwesenden Komponistin Alexandra Danshova. Alle drei sind in der Initiative Pavetra aktiv, die belarussische Kultur in Deutschland pflegt und bekannt machen will.

Mehr zu der Preisverleihung und zu den Laudationes von Günter Wallraff und der Deutschlandfunk-Chefredakteurin Birgit Wentzien finden Sie hier.

Das nächste - und zehnte - Kölner Forum für Journalismuskritik ist für Freitag, den 8. Mai 2026 geplant.