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Frauenquote an der TU Eindhoven
Männerboykott oder Chance für Frauen?

Die niederländische TU Eindhoven beschloss 2019, fünf Jahre lang für insgesamt 150 wissenschaftliche Funktionen nur noch Frauen einzustellen. Der Vorschlag stieß zwar durchaus auf Zustimmung – Kritiker hingegen werfen der Hochschule Männerdiskriminierung vor.

Von Andrea Lueg | 21.07.2020
Vier männlich wirkende Spielfiguren stehen in einer Reihe mit einer Lücke in der Mitte, davor steht eine weiblich wirkende Figur.
Die neue Strategie brachte Erfolge, der Frauenanteil an der TU Eindhoven konnte deutlich erhöht werden (imago images / allOver-MEV)
Frau: "Die Universität ist eigentlich maskulin, die Mehrheit sind Männer und die Mehrheit lässt dann meistens ihresgleichen rein, die Zahlen ändern sich nicht, solange nur die Mehrheit die Entscheidungen trifft."
Mann: "Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir hier mehr Frauen hätten und auch eine attraktivere Umgebung für Frauen bieten."
"Gläserne Decke" an den Hochschulen
Geringer Frauenanteil im wissenschaftlichen Mittelbau, noch weniger bei Professuren: Offenbar haben Frauen im Arbeitsfeld Wissenschaft immer noch nicht die gleichen Chancen wie ihre männlichen Kollegen. Ein Grund: unterschiedliche Netzwerkstrukturen.
Die Frauenquote hatte die TU eingeführt, weil andere Maßnahmen zur Frauenförderung einfach nicht fruchteten. Seit Jahren dümpelt die technische Universität beim Frauenanteil ganz unten auf den Ranglisten, sowohl in den Niederlanden als auch in Europa. 2018 waren ganze 14 Prozent der Hochschullehrer Frauen, die niedrigste Zahl in den Niederlanden.
Vorwurf der Männerdiskriminierung
Doch gleich nachdem die neue Strategie bekannt wurde, hagelte es auch Kritik und es entbrannte eine heftige Debatte in der Öffentlichkeit. Die TU diskriminiere Männer und die Maßnahme sei viel zu drastisch, so der Tenor, zum Teil auch unter Studierenden:
Mann: "Ich finde, jeder muss die Chance bekommen, auch Männer verdienen eine Chance. Ich persönlich bin nicht damit einverstanden, ich finde es zu drastisch.
Mann: "Ich arbeite jetzt schon hier, aber wenn ich mich jetzt hier neu bewerben müsste, dann würde ich mich schon erschrecken im ersten Moment."
Beim Antidiskriminierungsbüro Radar gingen 25 Beschwerden gegen die Regelung ein, etwa nochmal so viele bei anderen Stellen gegen Diskriminierung im Land und das innerhalb sehr kurzer Zeit.
Maßnahme der TU für rechtswidrig erklärt
Radar entschloss sich, die Frage, ob die Maßnahme mit dem Gleichbehandlungsgesetz in Einklang ist, vor dem College voor de Rechten van de Mens klären zu lassen. Das ist ein von der Regierung finanziertes Menschenrechtsinstitut, dessen Urteil rechtlich nicht bindend ist, aber bei eventuellen Klagen großes Gewicht hat. Es urteilte jetzt, die Maßnahme der TU sei rechtswidrig.
"Das Urteil besagt, dass das Ziel der TU durchaus gerechtfertigt ist und dass es tatsächlich einen Rückstand gibt bei der Besetzung von Stellen mit Frauen, aber es bemängelt, dass der Weg, auf dem die TU ihr Ziel erreichen will, nicht angemessen ist. Die Maßnahme ist zu breit und zu absolut angelegt."
Erklärt Sandra Duivelshoff vom Antidiskriminierungsbüro Radar. Das Büro setzt sich selbst auch für die Gleichstellung von Frauen ein, aber:
"Hier stoßen zwei Sachen zusammen: Es gibt Gründe für eine positive Diskriminierung, also man strebt nach Gleichbehandlung, um Frauen die gleichen Chancen einzuräumen. Auf der anderen Seite schlägt man dafür einen Weg ein, der für eine zeitlich befristete Ungleichheit sorgt, weil sich Männer für einen bestimmten Zeitraum nicht bewerben können."
Frauenanteil konnte deutlich erhöht werden
Für die TU ist das ein echter Rückschlag, zumal die neue Strategie echte Erfolge gebracht hat. Seit dem Beginn des Programms geht es mit dem Frauenanteil bergauf, erzählt Uni-Rektor Frank Baaiens:
"Es hat funktioniert: Wenn wir den Zeitraum Juli letzten Jahres bis heute betrachten, haben wir etwa 100 neue Wissenschaftler gewinnen können und davon die Hälfte Frauen. Also wir konnten eine schöne Balance herstellen bei den Neuzugängen zwischen Männern und Frauen."
Ziel der TU ist es nach wie vor, in den nächsten Jahren auf 30 Prozent Frauenanteil zu kommen.
"Wir wissen, wenn mehr als 30 Prozent Frauen da sind, dass dann diese Minderheit nicht mehr als Minderheit wahrgenommen wird, sondern Teil des Systems wird. Zum Teil sind wir da schon sehr dicht dran, bei einigen Fakultäten haben wir die 30 Prozent schon erreicht, aber es gibt auch noch Fakultäten, die davon weit entfernt sind."