Samstag, 20. April 2024

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Fridays for Future
"Demonstrationen nicht während der Unterrichtszeit"

Michael Piazolo begrüßt das Engagement der SchülerInnen für den Klimaschutz. Als Kultusminister stehe er aber für die Schulpflicht ein, sagte er im Dlf. Für eine besondere mediale Wirkung der Fridays-for-Future-Bewegung sei es nicht mehr notwendig während der Unterrichtszeit zu demonstrieren.

Michael Piazolo im Gespräch mit Kate Maleike | 19.09.2019
Teilnehmer der Klimademonstration "Fridays for Future" stehen mit ihren Transparenten im Invalidenpark.
Der bayrische Kultusminister Piazolo (Freie Wähler Bayern) forderte im Dlf, dass die Schülerinnen und Schüler außerhalb der Unterrichtszeit demonstrieren sollten (dpa-Bildfunk / Monika Skolimowska)
Kate Maleike: Wie halten wir es mit den Klimaprotesten morgen und der Schulpflicht – Thomas Wagner war das mit einem Stimmungsbild vom Bodensee und den Hinweisen aus der baden-württembergischen Bildungspolitik
Über diese Aussagen wollen wir jetzt mit dem bayerischen Kultusminister Michael Piazolo direkt sprechen. Guten Tag, Herr Piazolo!
Michael Piazolo: Guten Tag!
Maleike: Warum warnen Sie denn Ihre Schülerinnen und Schüler davor, sich weiter während der Schulzeit an den Fridays-for-Future-Protesten zu beteiligen?
Piazolo: Nein, das Wort warnen ist von mir nicht gefallen, sondern ich habe gesagt, ich freue mich, dass sich Schülerinnen und Schüler politisch engagieren, aber bitte nicht während der Unterrichtszeit dem Unterricht fernbleiben und auf Demonstrationen gehen – das kann man auch außerhalb der Unterrichtszeit machen –, und habe dann auf (Anmerkung der Redaktion: Unverständlich) auch auf die einschlägigen Rechtsvorschriften verwiesen, die dann die Schulleiterinnen und Schulleiter zur Verfügung haben.
Kinder protestieren und halten Plakate mit Aufschriften wie "Ihr habt unsere Zukunt in euren Händen" in die Höhe.
Fridays for Future „Wir streiken weiter, bis gehandelt wird“ Die Einhaltung aller Komponenten des Pariser Klimaabkommens, dafür streiken junge Menschen jeden Freitag. In Deutschland sei die Bewegung "Fridays for Future" bereits in 160 Städten aktiv, sagte die Aktivistin Anna Prasser im Dlf.
Maleike: Also sagen Sie, "Fridays for School" und nicht "Fridays for Future"?
Piazolo: Man kann natürlich beides verbinden, das heißt natürlich freitags in die Schule gehen, da investieren wir ja auch sehr, sehr viel Geld, dass die Schulen bei uns gut funktionieren, gut mit Lehrerinnen und Lehrer ausgestattet sind, um im Anschluss daran – und das machen auch sehr, sehr viele Aktivisten von Fridays for Future – dann auch gerne für das Klima demonstrieren.
Angemessene Reaktion der Schulleiter
Maleike: Jetzt ist morgen ja ein ganz besonderer Tag, der große Klimatag kann man sagen. Das Bundeskabinett wird die Klimapolitik der Zukunft verkünden, außerdem sind bundesweit viele, viele Demos auch in Bayern geplant, in Nürnberg, Augsburg und Regensburg zum Beispiel und in München. Was passiert denn morgen, wenn Ihre Schülerinnen und Schüler jetzt doch die Schule schwänzen, mit was müssen die rechnen? Wollen Sie wirklich Strafen verhängen?
Piazolo: Das wird ganz unterschiedlich gehandhabt. Es ist ja nichts Neues, wir kennen es ja in unterschiedlichen Ausformungen seit mehreren Monaten, mal stärker, mal weniger stark, auch mal während der Unterrichtszeit, mal außerhalb der Unterrichtszeit. Und ich habe den Eindruck, dass unsere Schulleiterinnen und Schulleiter sehr angemessen reagiert haben, aber auch da gibt es eine bestimmte Bandbreite, je nach Fall. Das heißt, es ist vielerorts Unterricht nachgeholt worden, es gab auch entsprechende Projekte, das sind also pädagogische Maßnahmen, aber es ist auch der ein oder andere Verweis ausgesprochen worden. Das kommt immer auf die Verhältnisse vor Ort auch an.
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Demonstrationen "außerhalb der Unterrichtszeit"
Maleike: Finden Sie nicht, dass das eigentlich ein falsches Echo aus der Bildungspolitik ist, gerichtet an junge Menschen, von denen ja sehr oft auch gesagt wird, dass sie sich für nichts anderes interessieren als für ihr neues Handy?
Piazolo: Man müsste die Frage umgekehrt, glaube ich, stellen, warum muss denn in der Unterrichtszeit demonstriert werden?
Maleike: Weil die Demos in dieser Zeit halt sind.
Piazolo: Na ja, gut, aber sie werden ja organisiert, von den Schülerinnen und Schülern mitorganisiert. Ob man es genau da machen muss … Wir haben auch in Bayern morgen Demonstrationen, die um 15 Uhr stattfinden, also außerhalb der Unterrichtszeit. Es war häufig das Argument, wir werden medial besonders wahrgenommen, wenn wir es in der Unterrichtszeit machen oder während der Unterrichtszeit machen, und da ist mein Eindruck, dass das inzwischen gar nicht mehr notwendig ist. Ich will aber auch deutlich machen, dass natürlich Fridays for Future auch Wirkung gezeigt hat, in Parteien ist es ja auch aufgenommen worden. Insofern ist es eine Bewegung, die etwas bewirkt hat. Nur, ich bitte um Verständnis und will das auch deutlich machen: Gerade als Kultusminister, der sich um die Schulen tagein, tagaus bemüht, ist es natürlich unser Anliegen, dass eine Demonstration nicht während der Unterrichtszeit stattfindet.
Wer entscheidet, ob der Zweck der Demonstration gerechtfertigt ist?
Maleike: Jetzt haben wir viel über die Schülerinnen und Schüler gesprochen, morgen werden auch vielleicht ganz viele andere Menschen auf der Straße sein, die das sonst nicht sind, viele Städte haben zum Beispiel schon ihren Beschäftigten frei gegeben. Wie sieht es aus mit Lehrkräften, wenn die morgen mitmachen, was droht denen dann?
Piazolo: Es ist auch bei den Lehrkräften so, dass sie, wenn sie frei haben, es natürlich ihnen überlassen ist, ob sie an einer Demonstration teilnehmen oder nicht, das ist ganz selbstverständlich. Wenn sie aber Dienst haben und für den Unterricht eingeteilt sind, dann werden sie auch am Unterricht teilnehmen. Die Lehrerinnen und Lehrer haben auch eine Neutralitätspflicht. Man muss ja auch die Frage stellen, die jetzigen Demonstrationen haben ja einen positiven Unterton, man setzt sich fürs Klima ein. Wie wäre es denn, wenn der Zweck der Demonstration einer wäre, der vielleicht nicht so positiv von allen gesehen wird? Wer entscheidet das denn, wer entscheidet denn, wann wer an welcher Demonstration teilnimmt. Insofern sollte man nicht die Frage stellen: gut oder böse, sondern es gibt bestimmte Verpflichtungen, und dazu zählt auch die Schulpflicht.
Maleike: Das ist richtig, zum Teil aber sind es natürlich sehr persönliche Entscheidungen, die ja auch da eine Rolle spielen, persönliche Haltungen. Sie wissen auch, dass die große Politik, in Anführungszeichen, also die Bundeskanzlerin zum Beispiel oder auch der Bundespräsident, die Schüler auch dazu motiviert haben indirekt, sich für ihre Zukunft dann auch einzusetzen schlussendlich. Ist es fair, dann zu sagen, wenn ihr es tut, dann müsst ihr damit rechnen, dass ihr wegen der verletzten Schulpflicht mit Konsequenzen zu rechnen habt?
Piazolo: Nein, also ich erinnere mich jetzt an kein Zitat des Bundespräsidenten oder der Bundeskanzlerin, die die Schülerinnen und Schüler aufgefordert haben, während der Unterrichtszeit für das Klima zu demonstrieren. Auch ich differenziere sehr deutlich und sage, ich freue mich über das Engagement der Schülerinnen und Schüler, ich hab auch mit vielen schon gesprochen. Es finden auch viele Projekte an den Schulen statt, wir vermitteln ja auch im Unterricht vieles zum Thema Umwelt und Klima. Nur wir haben eben eine Schulpflicht, und deshalb ist immer meine Aufforderung auch die: Demonstrationen nicht während der Unterrichtszeit!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.