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Friedenscamp in Kolumbien
Zelten bis die Einigung kommt

Ab heute soll in Havanna wieder mit den FARC-Guerilla über mögliche Zugeständnisse an die Gegner des beim Referendum gescheiterten Friedensabkommens verhandelt werden. Unterdessen demonstriert vor allem Kolumbiens Jugend für Verständigung: Vor einem Monat haben sie ein Friedenscamp in Bogotá eingerichtet.

Von Burkhard Birke |
    Friedenscamp in Bogotá/Kolumbien
    Friedenscamp in Bogotá/Kolumbien (Deutschlandradio / Burkhard Birke)
    "Seit 29 Tagen campiere ich hier."
    Alejandro Ortiz kam drei Tage nach der spontanen Eröffnung des Zeltlagers.
    "Wir wollen Frieden, damit unseren Kindern und Enkeln nicht das passiert, was uns, den Alten widerfahren ist."
    Der arbeitslose Alejandro ist 60: Aus tiefer Überzeugung hat er sich mit den Studenten solidarisiert, die sich nach einem Schweigemarsch am 5. Oktober auf der Plaza Bolivar, mitten im Herzen Bogotás eingenistet haben.
    "50.000 sind nach der Ablehnung des Friedensvertrages beim Referendum marschiert", erinnert sich Ivan Vargas. "Einige sind auf dem Platz geblieben, entschlossen zu bleiben, bis es eine Lösung gibt."
    Fieberhaft verhandelten Regierung und das Lager der Neinsager bis zuletzt: Rangen um Amnestie und Sondergerichtsbarkeit für FARC-Guerilleros und deren künftige Rolle. In Havanna gilt es nun, die FARC von den Änderungsvorschlägen zu überzeugen. Auf der Plaza Bolivar ist unterdessen das flach eingezäunte Lager gewachsen: Mehrere Dutzend Zelte bunt durcheinander gewürfelt, am Rand vier Toilettenhäuschen, zwei Versorgungszelte, wo Sachspenden und Lebensmittel eingehen, bemaltes Pflaster und eine Meditations- und Mediationsecke mit Blumen und Kerzen: Im Friedenslager vereinen sich längst Jung und Alt, Ja- und Neinsager des Referendums. Der Student Ivan Vargas:
    "Am Anfang war das Lager nur für Befürworter gedacht. Dann haben wir aber schnell gemerkt, dass wir auch Opfer einbeziehen müssen und diejenigen, die beim Referendum mit Nein gestimmt haben."
    Diese Offenheit beeindruckt Besucher wie Sergio Morales: "Ich bin zum ersten Mal da. Das ist für einen guten Zweck: Für den Frieden. Ich hoffe, es klappt."
    Über acht Millionen Opfer von Gewalt
    Sergios Cousin wurde ermordet, seine Familie von ihrem Stückchen Land in Lerida Tolima vertrieben. Wie nahezu acht Millionen Kolumbianer ist auch Emilia Lopez Opfer des nun schon Jahrzehnte währenden Konfliktes zwischen Guerilla, Paramilitärs genannten Todesschwadronen und Regierungstruppen geworden.
    "Im Jahre 2000 haben sie meinen Mann und meine Familie umgebracht, ich war Teil des Krieges, weil sie meinen Mann getötet haben, aber ich verzeihe ihnen und habe für das Friedensabkommen gestimmt."
    Dass ihr Ja nicht umsonst war: Dafür versammeln sich mehrere hundert Menschen allabendlich: Längst nicht nur in Bogotá, sondern mittlerweile auch in fünf weiteren Städte. Sie tauschen sich aus, bemalen Pflaster, musizieren. Sieben sogenannte Komitees regeln den Ablauf. Wer zum Schlafen bleibt, muss sich registrieren, ebenso jeder Besucher: aus Sicherheitsgründen.
    "Wir ernähren uns hauptsächlich aus gespendeten Dosen, wir können nicht kochen, es gibt keinen Strom im Lager. Einige Restaurants haben uns aber gelegentlich eingeladen", freut sich Henry Gutierrez. Frieden wollen eigentlich alle Kolumbianer, glaubt er, die Frage ist nur zu welchem Preis. Dass er hoch wird, ist Teil des Problems:
    "Einer der Hauptgründe für den Krieg ist die Armut, die Verzweiflung von Menschen, die nicht einmal das Lebensnotwendigste haben."
    Frieden bedeutet nicht nur das Schweigen der Waffen: Darin sind sie sich einig und dafür sitzen sie auf der Plaza Bolivar, und zwar so lange, bis ein neues Abkommen auf dem Tisch liegt – hoffentlich schon bald!?