Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Friedensprozess in Kolumbien
Kleine Guerillagruppe greift wieder zu den Waffen

Für das Friedensabkommen mit den FARC-Rebellen wurde Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos 2016 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Doch viele der früheren FARC-Gebiete sind heute in der Hand der ELN. Diese kleine Guerillagruppe stellt den Friedensprozess infrage.

Von Nils Naumann | 03.02.2018
    Kämpfer der ELN-Guerilla
    Seit Ende des viermonatigen Waffenstillstands zwischen der Guerillagruppe ELN und der kolumbianischen Regierung am 10. Januar überziehen die Rebellen das Land mit einer Welle von Attentaten (dpa/picture alliance)
    Attentate auf Polizeistationen, Bombardements von Guerillalagern, Entführungen von Mitarbeitern großer Konzerne: Der Krieg ist zurückgekehrt in die kolumbianischen Nachrichten. Am 10. Januar endete der vereinbarte Waffenstillstand zwischen der marxistischen ELN-Guerilla und der Regierung. Gerade einmal vier Monate hat er gehalten. Seitdem überzieht die ELN das Land mit einer Welle von Attentaten.
    Beim bisher schlimmsten Angriff kamen am vergangenen Samstag fünf Polizisten in der Küstenstadt Barranquilla ums Leben. Einem Ort, der eigentlich außerhalb der klassischen Konfliktregionen liegt. Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos reagierte prompt:
    "Die Regierung war großzügig und hat ihre Bereitschaft zum Frieden immer wieder gezeigt. Aber meine und die Geduld des kolumbianischen Volkes haben ihre Grenzen. Deswegen habe ich entschieden, die Friedensverhandlungen mit der ELN solange auszusetzen, bis ihre Worte und ihre Taten übereinstimmen."
    Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos und seine Frau
    Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos wurde vor eineinhalb Jahren mit dem Friedensnobelpreis geehrt. (Guillermo Legaria / AFP)
    ELN und kolumbianischer Staat bekämpfen sich seit 50 Jahren
    Doch auch das kolumbianische Militär war seit dem Ende des Waffenstillstands nicht untätig. Zum Beweis präsentierte Verteidigungsminister Luis Carlos Villegas den Kolumbianern eine lange Liste von gefallenen ELN-Führern und erklärte, das Militär habe seit dem 10. Januar bereits rund 20 ELN-Guerilleros getötet: "Die ELN wird die ganze Kraft des Staates zu spüren bekommen."
    Die ELN – auf Deutsch die "Nationale Befreiungsarmee" – und der kolumbianische Staat bekämpfen sich seit mehr als 50 Jahren. Die ELN entstand in den 1960er-Jahren, gegründet von Anhängern der Befreiungstheologie. Nach Angaben der Regierung gehören zur ELN rund 1.400 bewaffnete Männer und Frauen.
    Seit Februar 2017 verhandeln Regierung und ELN über ein Ende des Konflikts. Eigentlich sollten die Verhandlungen am vergangenen Mittwoch weitergehen. Die ELN-Führung hatte immer wieder betont, sie stehe hinter den Friedensgesprächen: "Die ELN wird dem Frieden nicht entsagen. Wir werden den Verhandlungstisch nicht verlassen."
    "Das war kein Friedensprozess. Die Farc hat sich ergeben"
    Doch es gibt Zweifel am Friedenswillen der ELN. In den vergangenen Monaten hat die Guerilla ihren Einfluss im Land ausgebaut. Viele Gebiete, die vorher von der FARC kontrolliert wurden, sind heute in der Hand der ELN. Gleichzeitig halten viele Beobachter den Einfluss der ELN-Führung und ihrer Verhandlungsdelegation auf die einzelnen Gruppen der Guerilla für beschränkt. Die ELN-Guerilleros haben den Friedensprozess zwischen der Regierung und der FARC aufmerksam verfolgt. Und viele sehen ihn - wie dieser Guerillero - kritisch:
    "Das war kein Friedensprozess. Die FARC hat sich ergeben. Wenn die Regierung die Vereinbarungen mit der FARC eingehalten hätte, dann hätten wir ein Beispiel. Doch die Regierung erfüllt ihre Versprechungen nicht."
    Das Misstrauen der ELN ist nicht ganz unbegründet. Eine Untersuchung des kolumbianischen Observatoriums zur Beobachtung des Friedensprozesses ergab, dass bisher nur rund 20 Prozent der Vereinbarungen mit der FARC umgesetzt wurden. Gleichzeitig ist die Zahl der Morde an Menschenrechtlern, Sozialaktivisten und ehemaligen FARC-Guerilleros stark angestiegen. Viele der Opfer standen der politischen Linken nahe. Die ELN wirft der Regierung vor, das Problem kleinzureden und nicht für den Schutz dieser Menschen zu sorgen.
    Präsidentschaftswahlen im Mai
    Ein weiteres Problem: Im Mai sind Präsidentschaftswahlen. Juan Manuel Santos darf nicht erneut antreten. Unter Santos, erklärt Eduardo Ramirez von der Menschenrechtsorganisation Compromiso, werde deswegen nicht mehr viel passieren:
    "Es werden bestimmt noch zwei, drei oder mehr Jahre vergehen, bis es zu einem definitiven Friedensabkommen mit der ELN kommt. Die ELN hat viele Zweifel. Es fehlt an Vertrauen in Staat und Gesellschaft. Da gibt es noch viel zu tun, um einen dauerhaften Frieden zu ermöglichen."
    Ein wichtiger Faktor: der Ausgang der Präsidentschaftswahl. Noch-Präsident Santos hat die Verhandlungen mit der ELN nur ausgesetzt. Kolumbiens Rechte rund um Expräsident Álvaro Uribe aber steht dem Friedensprozess extrem skeptisch gegenüber. Gewinnt sie die Wahl, dann könnte es mit den Friedenshoffnungen schnell komplett vorbei sein.