Freitag, 29. März 2024

Archiv

Frühkindliche Bildung
Große Unterschiede zwischen den Bundesländern

Wie gut ein Kind in der Kita betreut wird, hängt vor allem vom Personalschlüssel pro Kind ab. Und der ist laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung im Westen deutlich höher als im Osten. Die Experten fordern dauerhaft mehr Geld vom Bund und einheitliche Kita-Standards - für ganz Deutschland.

Von Jan-Ole Niermann | 28.08.2018
    Zwei Kinder stehen am Fenster einer Kita und gucken anderen Kindern draußen beim Spielen zun
    Kinder in guten Betreuungsverhältnissen haben deutlich bessere Bildungschancen als Kinder in schlechteren Betreuungsverhältnissen, wie Studien zeigen (dpa / picture alliance / Jens Wolf)
    Morgens um 9 in der Kita "Lydia" in Bielefeld: Fast alle 25 Kinder der Fledermaus-Gruppe sind schon da. Sie werden von 3 Erzieherinnen und Erziehern betreut. Eike-Rosenkranz-Huesmann leitet die evangelische Kita. Ihr ist es wichtig, dass in kleinen Gruppen gearbeitet wird:
    "Wenn alle drei Kollegen in der Fledermausgruppe da sind, dann werden Experimente gemacht. Da kann Sprachförderung betrieben werden. Da kann auch mal jemand auf ein Kind in 1-1-Betreuung eingehen, um auf ein Kind, was sich mit jemandem gestritten hat, was sich gestoßen hat, einzugehen. Das geht mit drei Leuten einfacher in der Gruppe als nur mit zweien."
    Personalschlüssel ist das entscheidende Kriterium
    Mit drei Erziehern für 25 Kindern kommt die Kita "Lydia" den Forderungen der Experten der Bertelsmann-Stiftung sehr nah. Für Anette Stein ist der Personalschlüssel das entscheidende Kriterium für die Kita-Qualität: Sie empfiehlt, dass eine Erzieher etwa 7,5 Kinder betreuen sollte, in den Krippen für die Kleinen sogar nur drei Kinder:
    "Es gibt wissenschaftliche Studien, die zeigen, dass Kinder, wenn zu viele Kinder von einer Fachkraft betreut werden, sich schlechter entwickeln. Also das hat Auswirkungen auf die sprachliche Entwicklung, auf die gesamte Bewegungsentwicklung, aber auch auf das Wohlbefinden von Kindern und das bedeutet, dass die Kinder, die in diesen guten Betreuungsverhältnissen sind, deutlich bessere Bildungschancen haben als die Kinder, die woanders leben und in schlechteren Betreuungsverhältnissen sind."
    Die Bertelsmann-Stiftung führt den Ländermonitor regelmäßig durch und wertet dafür die Daten der statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus: 2012 musste eine Fachkraft demnach fast zehn Kinder betreuen, 2017 waren es statistisch gesehen nur noch etwa neun Kinder. Für die Experten sind die Unterschiede zwischen den Bundesländern immer noch zu groß: Auf der Deutschlandkarte ist der Westen zum Beispiel vielerorts grünlich eingefärbt – hier nähern sich die Betreuungsschlüssel den empfohlenen 7,5 Kindern pro Fachkraft an. Im Osten hingegen sind fast alle Landkreise rot gekennzeichnet, weil hier zehn oder noch mehr Kinder von einer Fachkraft betreut werden müssen.
    Guter Personalschlüssel verursacht hohe Mehrkosten
    "Baden-Württemberg ist jetzt schon seit Jahren Spitzenreiter. Sowohl im Bereich der Krippen als auch der Kindergartenkinder. Das Schlusslicht sind Sachsen für die jüngeren Kinder, also für die Krippenkinder und im Bereich der Kindergarten ist es Mecklenburg-Vorpommern, die da die schlechtesten Personalschlüssel haben. Und um Personalschlüssel zu verbessern, da müssen Sie richtig viel Geld investieren. Und das geht über die finanzielle Kraft eines Bundeslandes oft hinaus."
    Für faire Bildungschancen unabhängig vom Wohnort braucht es mehr Geld vom Bund, so die Experten der Bertelsmann Stiftung aus Gütersloh. Deutschland brauche einheitliche Standards, sagt Anette Stein:
    "Für eine kindgerechte Kita-Qualität brauchen wir im Moment zusätzlich mehr als sechs Milliarden Euro zu den bereits zugesagten Mitteln. Das bedeutet, es ist eine enorme Finanzierungslücke, die im Augenblick im Raum steht."
    Einheitsstandards auch bei Öffnungszeiten erwünscht
    Gute Kitas, unabhängig vom Wohnort. Das würde sich auch die Leiterin der evangelischen Kita "Lydia" in Bielefeld wünschen. Eike Rosenkranz-Huesmann:
    "Heutzutage ist es ja so, dass es von Bundesland zu Bundesland, teilweise von Kommune zu Kommune, sehr große Unterschiede gibt. Deswegen fände ich solche Eckpunkte, was so Standards, wie Personalschlüssel, Ausstattung, Öffnungszeiten angeht, dass man da einen einheitlichen Rahmen schafft."
    Eine generelle Beitragsfreiheit lehnen die Experten der Bertelsmann-Stiftung übrigens ab –da ohne Kita-Beiträge der Eltern noch mehr Geld fehle und darunter wieder die Qualität leiden würde. Aber: Arme Familien sollten von den Kita-Gebühren befreit werden.