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Fußball-EM 2020
Was eine EM-Qualifikation des Kosovo politisch bedeuten könnte

Der Kosovo hat gute Chancen, die Qualifikation zur Fußball-EM 2020 zu schaffen. Sollte es tatsächlich dazu kommen, könnte das die UEFA und einige Gastgeberländer der Endrunde allerdings vor politische Probleme stellen. Denn nicht alle Länder erkennen den Kosovo als unabhängigen Staat an.

Von Chaled Nahar | 10.08.2019
Fans aus dem Kosovo bei einem Freundschaftsspiel in Dänemark im März 2019
Fans aus dem Kosovo bei einem Freundschaftsspiel in Dänemark im März 2019 (www.imago-images.de)
Der Kosovo erklärte 2008 seine Unabhängigkeit als Staat, im Fußball konnte er das lange Zeit nicht. Erst seit 2016 darf das Land als Mitglied der UEFA und der FIFA offizielle Länderspiele austragen. "Wir lieben Fußball, die Leute im Kosovo lieben Fußball. Die Menschen sagen: Das ist das Beste, was im Kosovo passiert ist", sagt Eroll Salihu, Generalsekretär des kosovarischen Verbandes.
Das Team ist noch ein Fußballzwerg und hat eigentlich nur kleine Chancen, zu einem großen Turnier zu kommen. Bei der EURO 2020 ist allerdings einiges anders.
Besonderheiten bei der EURO 2020
Die erste Besonderheit: Der Kosovo steht jetzt schon in den Playoffs der EM-Qualifikation, da er seine Gruppe in der Liga D der Nations League gewann. Durch den ungewöhnlichen Modus muss der Kosovo nur noch gegen zwei der drei anderen Teams aus Georgien, Weißrussland und Nordmazedonien gewinnen - dann wäre er bei der EM dabei.
Die zweite Besonderheit: Die Endrunde der EM 2020 wird in zwölf Ländern Europas ausgetragen. Vier davon erkennen den Kosovo aber nicht als unabhängigen Staat an: Russland, Rumänien, Aserbaidschan und Spanien. Hier beginnen die Probleme, wenn sich der Kosovo tatsächlich qualifizieren sollte. Denn die Ablehnung ist teilweise riesig.
Karate-WM in Madrid: "Kosovo" nicht auf der Kleidung
Die Karate-Kämpferin Adelina Rama bei der WM in Madrid: Sie trug die Initalien des Verbandes (KKF) statt des Kosovos (RKS) auf ihrer Kleidung. 
Die Karate-Kämpferin Adelina Rama bei der WM in Madrid: Sie trug die Initalien des Verbandes (KKF) statt des Kosovos (RKS) auf ihrer Kleidung. (imago sportfotodienst)
Bei der Karate-WM 2018 in Madrid durften die kosovarischen Kämpferinnen und Kämpfer in Spanien zunächst nicht einmal das Wort "Kosovo" auf der Kleidung tragen. Erst als das IOC deshalb allen internationalen Sportverbänden empfahl, keine Großereignisse mehr nach Spanien zu vergeben, suchte man eine Lösung. Spaniens NOK-Präsident Alejandro Blanco sagte damals bei El Pais: "Wir versuchen einen Kompromiss finden, um den Athleten die Teilnahme zu ermöglichen, weil sie überall anerkannt sind. Aber wir brauchen eine Lösung, die die Entscheidung der spanischen Regierung nicht verletzt."
Spaniens Regierung lenkte ein und kündigte an, künftig Kosovos Flagge und Hymne zu präsentieren. "Diesem Versprechen wurde sie aber nicht gerecht. Vor wenigen Monaten, als Spiele der U17-Nationalmannschaften zwischen Kosovo und Spanien auf neutrales Terrain haben verfrachtet werden müssen, nach Nyon - weil sich der spanische Verband geweigert hat, kosovarische Symbole zu zeigen", sagt der Südosteuropaexperte Dario Brentin von der Uni Graz.
Spaniens Furcht um Katalonien und das Baskenland
Spaniens Regierung erkennt den Kosovo im Gegensatz zur Mehrzahl der EU-Mitglieder nicht als Staat an. Sie will abtrünnigen Regionen wie Katalonien oder dem Baskenland keine Argumente oder Präzedenzfälle liefern. Spanien trägt bei der EM 2020 drei Gruppenspiele und ein Achtelfinale aus - in Bilbao, im Baskenland. Auch Rumänien und Aserbaidschan haben abtrünnige oder umkämpfte Regionen. Russland hat verschiedene geopolitische Gründe, den Kosovo nicht anzuerkennen.
Die Ablehnung der Unabhängigkeit Kosovos ist in den vier Ländern allerdings unterschiedlich ausgeprägt. In Aserbaidschan wurde der Kosovo in der Nations League zum Beispiel mit Flagge und Hymne empfangen. Und auf Anfrage des Deutschlandfunks versicherte der Verband: "Sollte die kosovarische Mannschaft während der EM 2020 nach Baku reisen, wird sie keinerlei Probleme haben." Die Haltung Spaniens ist weit weniger klar. Anfragen dazu beantwortete der spanische Verband nicht.
Was macht die UEFA?
Ein entscheidender Akteur ist die UEFA als Veranstalter der Europameisterschaft. Sie wollte in der Kosovo-Frage zuletzt grundsätzlich Klarheit schaffen. UEFA-Präsident Aleksander Ceferin gab im Mai die Entscheidung bekannt, dass bei einer entsprechenden Auslosung künftig alle Klubs und Nationalmannschaften gegen kosovarische Teams spielen müssen. "Spielt ein Team nicht im Kosovo, verliert es das Spiel. Will eine Mannschaft kein Gastgeber für den Kosovo sein, darf es auf neutralem Boden spielen", sagte Ceferin.
Wie das bei der europaweiten EURO 2020 ablaufen könnte, falls sich der Kosovo qualifiziert, sagte Ceferin nicht. Denn bei der EM-Endrunde ist kein Ausweichen auf "neutralen Boden" möglich. Und der Gastgeber eines Spiels unter Beteiligung des Kosovos zu sein, mit gehisster Flagge und gespielter Hymne, das kann in seiner Symbolik ein politisches Problem werden. Die UEFA antwortete auf eine Anfrage des Deutschlandfunks so: "Zu diesem Zeitpunkt können wir keine Antwort auf hypothetische Fragen zu diesem Thema geben."
Beeinflussung der Auslosung ist schwierig
Die Mannschaft des Kosovo vor dem EM-Qualifikationsspiel in Montenegro am 7. Juni 2019
Seit Oktober 2017 in 14 Spielen ungeschlagen: Die Mannschaft des Kosovo (www.imago-images.de)
Südosteuropa-Experte Brentin sagt: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die UEFA sich von Seiten des spanischen Verbandes in Geiselhaft wird nehmen lassen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die UEFA enormen Druck auf den spanischen Verband ausüben wird, weil sie natürlich auch nicht bloßgestellt werden kann."
Eine Lösung durch die Hintertür, indem man bei der Auslosung der Endrunde bestimmte Begegnungen ausschließt, erscheint zumindest schwierig: Denn die Auslosung findet im Dezember drei Monate vor den Playoffs statt. Sie wird also vier Teilnehmer offen lassen, die erst im März feststehen und von denen einer der Kosovo sein könnte.
Kosovo könnte auf Öffentlichkeit hoffen
Und der scheint sportlich, aber auch politisch in einer komfortablen Lage. "Weil die Tatsache, dass der Kosovo von fünf EU-Mitgliedern nicht anerkannt wird, schon langsam in Vergessenheit geraten ist und das potenziell enorme Publizität verursachen könnte", sagt Experte Brentin. Das sieht man auch im Kosovo so. Generalsekretär Salihu sagt: "Um ehrlich zu sein, der Erfolg unserer Mannschaft hat einen großen Einfluss auf die Anerkennung unseres Staates in anderen Ländern."
Sollte der Kosovo also wirklich bei der EURO 2020 dabei sein - er wäre nicht nur sportlich ein großes Thema des Turniers.