Donnerstag, 09. Mai 2024

Kommentar zur Frauen-WM
Die FIFA und Infantino sind die eigentlichen Gewinner

Spanien hat sich den WM-Titel im Frauenfußball geholt. Der eigentliche Gewinner jedoch ist die FIFA, kommentiert Raphael Späth. Vor allem Präsident Infantino habe das Ereignis als Bühne genutzt, um sich als großer Frauenrechtler zu inszenieren.

Kommentar von Raphael Späth | 20.08.2023
FIFA-Präsident Infatino hält gemeinsam mit einigen Spielerinnerin des spanischen Fußball-WM-Teams den Pokal
Statt großer Gewinnmargen, stand bei der Frauen-Fußball-WM die Imagepflege im Vordergrund, kommentiert Raphael Späth. (picture alliance / empics / Isabel Infantes)
570 Millionen US-Dollar – das ist die Summe, die der Fußball-Weltverband FIFA durch die Weltmeisterschaft der Frauen in diesem Jahr eingenommen hat. Klingt nach viel Geld. Wenn man aber aufrechnet, was die FIFA investiert hat, um diese Weltmeisterschaft zur größten Frauen-WM aller Zeiten zu machen, dann bleibt unter dem Strich nicht viel übrig: FIFA-Präsident Gianni Infantino verkündet am Finalwochenende, dass am Ende gerade so die schwarze Null steht.

Imagepflege statt großer Gewinnmarge

Trotzdem kann sich die FIFA als große Gewinnerin dieser Weltmeisterschaft bezeichnen: Nach einer skandalbehafteten Männer-WM in Katar war die Gewinnmarge für den Fußball-Weltverband eher sekundär. In Australien und Neuseeland wurde stattdessen Imagepflege betrieben, und das mit großem Erfolg: Statt über Regenbogen-Fahnen und Menschenrechtsverletzungen wurde in Down Under vier Wochen lang über Fußball-Euphorie und Gleichberechtigung gesprochen. Rekord-Einschaltquoten und -Ticketverkäufe sprechen dafür, dass die Marketingstrategie der FIFA voll aufging.
Das Produkt Frauenfußball funktioniert inzwischen nicht nur in Europa, sondern in allen Teilen der Welt. FIFA-Präsident Gianni Infantino nutzt dabei die Bühne, um sich als großer Frauenrechtler zu inszenieren: Im Vergleich zu vorherigen Weltmeisterschaften wurden die Prämien der Spielerinnen um ein Vielfaches erhöht, dazu hatten alle teilnehmenden Teams während dieser Weltmeisterschaft die gleichen Rahmenbedingungen wie die Männer-Teams: erstklassige Reisebedingungen, Weltklasse-Trainingsplätze und luxuriöse Teamunterkünfte.
Für die Sündenbock-Rolle müssen jetzt andere herhalten: Die Medien, die bei Weitem nicht so ausführlich über die Frauen wie über die Männer berichten. Die Sponsoren, die bei Weitem nicht so viel Geld für Fußballerinnen wie für Fußballer ausgeben. Und die Nationalverbände, die bei Weitem nicht so viel in ihre Frauenteams investieren wie in ihre Männer-Abteilungen.

WM-Teilnahme durch Crowdfunding-Kampagne

Viele Mannschaften haben bei dieser Weltmeisterschaft trotz und nicht wegen ihrer nationalen Verbände sportliche Höchstleistungen geboten: Jamaika, Südafrika oder Nigeria – drei Beispiele für Teams, die bei dieser Weltmeisterschaft Historisches geleistet haben, obwohl sie vor, während und jetzt auch nach diesem Turnier mit ihren Nationalverbänden um grundlegende Dinge streiten: Das jamaikanische Team konnte nur aufgrund einer Crowdfunding-Kampagne diese WM finanzieren, in Südafrika und Nigeria drohten die Spielerinnen sogar mit Streik, weil Gehälter und Prämien auch nach dieser Weltmeisterschaft noch immer nicht gezahlt wurden.
Ähnlich wie diese Nationalverbände gilt auch der Deutsche Fußball-Bund als einer der großen Verlierer dieser Weltmeisterschaft: Nicht nur aus sportlicher Sicht hat diese WM wieder einmal gezeigt, wie weit Anspruch und Wirklichkeit im Deutschen Fußball inzwischen auseinanderklaffen. Zum ersten Mal in der WM-Geschichte scheiden die deutschen Fußballerinnen schon in der Vorrunde aus. Nach einem überzeugenden Auftakt gegen Marokko ließ das deutsche Team jeglichen Kampfgeist und Siegeswillen vermissen und war überfordert mit der taktischen Raffinesse ihrer defensiv eingestellten Gegnerinnen aus Kolumbien und Südkorea.
Dafür verantwortlich sind hauptsächlich europäische Trainerinnen und Trainer, die in den letzten Jahren die vermeintlichen Underdogs in Sachen Defensivarbeit auf ein neues Level zu gehievt haben. Die großen, gestandenen Fußballnationen wie Deutschland, die USA oder auch Brasilien waren diesem neu gewonnen taktischen Verständnis nicht gewachsen.

Investitionen in den Nachwuchs bitter nötig

Dass mit Spanien und England schlussendlich zwei Länder das Finale bestritten haben, in denen in den letzten Jahren am meisten Geld in die Professionalisierung des Frauenbereichs investiert wurde, überrascht nicht. Investitionen in den Nachwuchs und die eigene Profi-Liga sind bitter nötig, wenn der DFB nicht, wie bei den Männern, auch bei den Frauen ins sportliche Mittelmaß abrutschen will. Die Frauenfußball-Welt kommt inzwischen auch ohne deutsche Erfolge aus – das war bei dieser WM offensichtlich.