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Gegen Italiens Regierung
Salvini startet politische Kampagne

In Norditalien mobilisiere Matteo Salvini seine rechtspopulistische Partei Lega, indem er an deren mythischen Ursprung erinnere, sagte Italien-Korrespondent Tilmann Kleinjung im Dlf. Die Kundgebung sei gleichzeitig der Auftakt zu einer politischen Kampagne – gegen die neue Regierung in Rom.

Tilmann Kleinjung im Gespräch mit Christoph Schäfer |
Zwar in der Opposition, aber immer noch öffentlichkeitswirksam: Ex-Innenminister Matteo Salvini. Er plant mit seiner rechtspopulistischen Lega eine Kampagne gegen die neue Regierung.
Zwar in der Opposition, aber immer noch öffentlichkeitswirksam: Ex-Innenminister Matteo Salvini. Er plant mit seiner rechtspopulistischen Lega eine Kampagne gegen die neue Regierung. (AFP/Andreas SOLARO)
Christoph Schäfer: Italiens Ex-Innenminister Matteo Salvini hat die neue italienische Regierung im Blick - von der Oppositionsbank. Dem Kabinett gehören der Politiker und seine rechtspopulistische Partei Lega seit Wochen nicht mehr an. Das ändert allerdings nichts daran, dass Salvini öffentlichkeitswirksam bleiben will: Für das Wochenende plant er keine weitere Tour zu Badestränden. Sondern er und seine Partei laden zu einer Kundgebung ein, in Norditalien. Was der genaue Zweck der Veranstaltung ist, darüber spreche ich mit meinem Kollegen in Rom, Tilmann Kleinjung. Herr Kleinjung, was planen Matteo Salvini und die Lega genau am Wochenende?
Salvini braucht die Rückendeckung seiner Anhänger
Tilmann Kleinjung: Ja, eigentlich müsste man fast schon sagen, gar nichts Besonderes. Weil Matteo Salvini macht jedes Wochenende Kundgebungen – auch unter der Woche. Er war gestern in Orvieto bei einer Wahlkampfkundgebung, weil dort sehr bald Wahlen stattfinden werden, in der Region Umbrien. Aber dann ist es doch etwas Besonderes, weil er trifft sich mit seinen Getreuesten und seinen Parteianhängern in Pontida. Das ist nicht irgendein Ort für die Lega, sondern der Ort, an dem man sich alljährlich zu einem großen Fest trifft. Pontida, das liegt auf halbem Weg zwischen dem Comer See und Bergamo. Und das ist eigentlich ein Benediktinerkloster, und dort gab es damals, in der Zeit des lombardischen Städtebundes wohl einen großen Sieg gegen Kaiser Friedrich Barbarossa. Das war sozusagen für die Lega der mythische Ursprungsort der Lega Nord. Und das ist dann schon spannend, dass Salvini in Zeiten der größten politischen Krise, seiner persönlichen Krise, an diese Ursprünge der Lega Nord zurückgeht, die er ja eigentlich abschaffen wollte. Er wollte ja eine Lega für ganz Italien sein, aber da erinnert er sich doch an seine Wurzeln.
Schäfer: Wenn sich Salvini an dem, ich sage jetzt mal, an dem mythologischen Hintergrund der Lega-Partei bedient, was will er mit seinem Auftritt oder mit seiner Teilnahme bei dieser Veranstaltung bezwecken?
Kleinjung: Na, er will seine Anhänger mobilisieren. Er braucht vor allem deren Rückendeckung. Weil die Entscheidung am 8. August, aus der Koalition auszusteigen, um so Neuwahlen zu erzwingen, war nicht mit den Lega-Parteifreunden abgesprochen. Das war eine völlig isolierte, autonome Entscheidung von Salvini, die die anderen einfach mittragen mussten. Die wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Man weiß, dass beispielsweise der Gouverneur der Region Veneto, Zaia, überhaupt nicht glücklich ist darüber - der ist eben auch Mitglied der Lega wie eben viele der Regionalpräsidenten im Norden. Das sind sehr einflussreiche, mächtige Politiker. Und ich glaube, die muss Salvini jetzt wieder versöhnen, und er muss vor allem sagen: "Seht her, ich bin immer noch der Richtige für euch."
Schäfer: Inwiefern will Salvini auch das Bild aufrechterhalten, dass die neue Regierung in Rom - aus Partito Democratico und Fünf Sterne - von Paris und Berlin, also aus dem Ausland, installiert worden ist oder sei.
Kleinjung: Das ist eben Teil der Legende, die er seit seinem gescheiterten Versuch, Neuwahlen zu lancieren, immer wieder bemüht. Er hat ja dann am Tag der Ernennung der Regierung gesagt: "Diese Regierung ist auf halben Weg zwischen Paris, Berlin, Frankfurt entstanden", und wurde eben sozusagen von Macron und Merkel eingesetzt. Das heißt, sein Anteil am Zustandekommen dieser Regierung, den gibt es überhaupt nicht. Und das ist natürlich völlig falsch und völlig gelogen. Weil diese Regierung gäbe es nicht, wenn Salvini nicht in dem Glauben, er wird jetzt alles gewinnen, und er braucht die volle Macht in Italien, nicht dieses Regierungsbündnis aufgekündigt hätte. Und das wiederholt er eben gebetsmühlenartig. Inwieweit das bei den Italienern verfängt, weiß ich nicht. Aber seinen Anhängern auf jeden Fall schmeichelt er mit solchen Reden.
"Conte muss sich möglichst schnell Verbündete suchen – auch in Europa"
Schäfer: Herr Kleinjung, Sie haben eben schon erwähnt, Salvini steckt in einer Krise. Wie populär ist er denn und seine Partei Lega denn derzeit in Italien?
Kleinjung: Also, das Wort "Krise" mag von außen betrachtet zu erscheinen, weil man eben sieht, wie er sich durch sein Manöver sozusagen ins Aus gesetzt hat, schachmatt gesetzt hat. Und jetzt erstmal in der Opposition ist, statt die volle Macht zu haben. Wenn man das objektiv betrachtet, dann ist die Partei nicht in einer Krise. Sie hat bei den letzten Umfragen, je nach Umfrageinstitut, immer noch zwischen 32 und 33 Prozent Zustimmung. Und das ist nicht so weit entfernt von den Europawahlen - 34,5 Prozent -, wo die Lega ja diesen Rekord, dieses allerhöchste Ergebnis, was sie je in ihrer Geschichte erreicht hat, erreicht hat.
Schäfer: Wenn Salvini jetzt gegen die neue Regierung in Rom mobilisiert, worauf kommt es für diese, also für die Regierung in Rom, denn jetzt an, um Salvini keine Angriffsfläche zu bieten?
Kleinjung: Genau, das ist eigentlich der alles entscheidende Punkt. Diese Regierung muss jetzt in den nächsten Monaten ein paar heiße Eisen anpacken. Da ist zu allererst der Haushalt. Da muss man einen Konsens finden mit Brüssel, dass man die Defizitkriterien möglicherweise etwas flexibler diskutiert, damit eben noch Geld da ist für Investitionen, damit Geld da ist für Steuersenkungen. Damit vor allem vermieden wird, dass zum 1. Januar die Mehrwertsteuererhöhung auf 25 Prozent kommt. Sollte das nicht gelingen, sollte so ein Konsens mit der EU nicht gelingen, dann wäre das für jemanden wie Salvini natürlich gefundenes Fressen. Das gilt genauso für das andere heiße Eisen, das Italien und Europa dieser Tage und Monate massiv beschäftigt: die Frage der Aufnahme von Bootsflüchtlingen, überhaupt der Verteilung von Flüchtlingen in Europa. Auch hier muss Conte, also der neue und alte Premierminister, schauen, dass er da möglichst schnell sich Verbündete - auch in Europa - sucht, um tatsächlich etwas zu erreichen und Salvini sozusagen den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Ich habe den Eindruck, nach all dem, was man aus Brüssel und Rom hört, dass man sich sehr wohl dieser Lage bewusst ist, und ich nehme an, dass Ursula von der Leyen und die europäischen Partner alles tun werden, um in dieser Situation auch Giuseppe Conte zu unterstützen.
Schäfer: sagt Tilmann Kleinjung, unser Korrespondent in Italien. Vielen Dank nach Rom!