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Gelbe Karte für die Zusatzrente

Die CSU stellt die schon vereinbarte Zusatzrente infrage. Offenbar könne die Koalition auch im neuen Jahr Ergebnisse erst nach Streitereien vorlegen, sagt Politikwissenschaftler Wichard Woyke. Letztlich gehe die CSU aber meist doch auf die große Schwesterpartei zu.

Wichard Woyke im Gespräch mit Thielko Grieß |
    Silvia Engels: Die CSU-Landesgruppe hat mit einem Papier zur Rente einmal mehr die Zusatzrente infrage gestellt, mit der Arbeitsministerin von der Leyen Minirenten aufstocken will. Diese sogenannte Lebensleistungsrente war ein Beschluss des Koalitionsausschusses von Anfang November, und der hat offenbar nun gerade zwei Monate gehalten. Mein Kollege Thielko Grieß wollte dazu gestern vom Politikwissenschaftler Wichard Woyke wissen, ob die Koalition überhaupt noch arbeitsfähig ist.

    Wichard Woyke: Ich denke schon, dass sie noch arbeitsfähig ist, denn die Rentenaffäre ist ja, wenn Sie so wollen, ein Aspekt oder ein Teil der vielen Arbeit, die von dieser Koalition noch zu leisten ist. Aber es hat sich gezeigt, dass es auch so im neuen Jahr wieder losgeht, wie das alte Jahr endete. Das heißt also, dass man Ergebnisse erst nach mehreren Streitereien vorlegen kann. Und das wird auch bedeuten, dass sich hierüber noch eine längere Episode vollziehen wird, bis sich die drei Parteien in dieser Frage geeinigt haben werden.

    Thielko Grieß: Nun drängt aber die Zeit!

    Woyke: Ja, das ist schon richtig. Wir haben im September die Wahlen. Das heißt, praktisch muss bis zu den Sommerferien alles geleistet sein. Aber ich denke, da werden die Parteien tatsächlich aufeinander zugehen, da sie ja auch vor den Wähler noch mit einer Erfolgsbilanz treten wollen.

    Grieß: Ist es nicht auch eine Überraschung, dass die CSU eine in Aussicht gestellte Sozialleistung wieder widerrufen möchte, obwohl doch der Wahlkampf vor der Tür steht - für die CSU ja doppelt, für den Landtagswahlkampf und den Bundestagswahlkampf?

    Woyke: Ja, auf den ersten Blick schon. Aber ich denke mal nicht, denn die CSU will auch gerade vor den nahenden Wahlkämpfen in Bayern eben auch ihre Eigenständigkeit in der Koalition betonen. Ich denke, dass dieses auf die CSU-Wählerschaft gerechnet nicht solch ein dramatisches Thema ist wie viele andere Themen, die für die CSU wesentlich wichtiger sind.

    Grieß: Welche zum Beispiel wären das?

    Woyke: Ich denke, dass die Frage des Euro eine wesentlich größere Rolle einnimmt, die Frage auch einer Energiepolitik, auch Mindestlohn. Das sind meines Erachtens Themen, die mehr interessieren als eben jetzt hier die Frage über diese Zusatzrente.

    Grieß: Ist denn zu erkennen, dass die CSU ein Paket verhandeln möchte, bestimmte Strategien in der Eurorettungspolitik gegen Lebensleistungsrente?

    Woyke: Das ist im Augenblick noch nicht zu erkennen, aber in der Politik ist es nun immer so, dass sehr oft eben Paketlösungen gemacht worden sind. Das haben wir ja im November auch erlebt, dass da hier ein Paket geschnürt worden ist. Und so könnte ich mir vorstellen, dass das in Zukunft, also in den nächsten Monaten, auch seitens der CSU wiederum versucht wird.

    Grieß: Wird es in Bayern goutiert, die große Schwester, die CDU zu beschädigen und in diesem Fall die Ministerin Ursula von der Leyen?

    Woyke: Man darf oder sollte vielleicht nicht sagen zu beschädigen, sondern in Bayern ist es ja so, dass es ein gewisses "mir san mir"-Gefühl gibt. Und wenn man zu einem bestimmten Zeitpunkt - und Kreuth ist ja eigentlich immer so ein Zeitpunkt, um der CDU die gelbe Karte zu zeigen; 1976 hat Strauß sogar die rote gezeigt mit der Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft. Dann ist das eben eine Maßnahme, mit der auch dem Wähler signalisiert werden soll, wir lassen uns von der CDU nicht einfach unterbügeln, sondern wir haben auch unsere eigenen Vorstellungen. Aber Sie haben gesehen, gerade auch unter Seehofer ist ja die CSU doch sehr oft dann auf die CDU-Vorstellungen letztendlich eingegangen.

    Grieß: Haben Sie da einige Beispiele im Kopf?

    Woyke: Ja wenn Sie die Europapolitik angucken mit dem Euro, dann hat ja Seehofer sehr oft gedroht, dass das nicht mitgetragen wird. Und wenn Sie die ganze Europolitik sich angucken, dann ist das eigentlich immer mitgetragen worden.

    Engels: Der Politikwissenschaftler Wichard Woyke im Gespräch mit Thielko Grieß.

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