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Geldanlage
Hilfe für Lebensversicherer

Die Lebensversicherung in Deutschland steht wegen der anhaltend niedrigen Zinsen vor weitreichenden Reformen. Die Bundesregierung will mit einem Maßnahmenpaket den unter Druck geratenen Anbietern entgegenkommen und zugleich den Kunden langfristig ein größeres Stück vom Kuchen sichern.

Von Michael Braun | 10.03.2014
    Fast 90 Prozent ihrer Gelder legen die Lebensversicherungen sicher in festverzinslichen Wertpapieren an. Aber auch deren Kurse schwanken. Die Alt-Anleihen, die noch mit vier, fünf oder gar sieben Prozent verzinst wurden, sind gefragt. Ihre Kurse sind hoch. In den Bilanzen stecken sie in der sogenannten Bewertungsreserve. Und wessen Lebensversicherung jetzt ausläuft oder nach langen Versicherungsjahren jetzt gekündigt wird, hat Anspruch auf seinen Teil an der Bewertungsreserve. Das gehe in Ordnung, sagt der Ludwigshafener Versicherungswissenschaftler Hermann Weinmann. Denn die langjährigen Kunden, die jetzt kündigen könnten, hätten ja auch lange eingezahlt:
    "Man sagt im Moment, die 'wenigen' ausscheidenden Versicherungsnehmer wären über Gebühr begünstigt. Ich sage aber auch dazu: Wenn ein Versicherungsnehmer über Jahre hinweg Standmitteilungen und Überschussmitteilungen bekommt, bei denen ihm hohe Schlussgewinnbeteiligungen vorgerechnet werden - und die Bewertungsreserven sind ja in den Schlussgewinnbeteiligungen drin -, dann hat der Versicherungsnehmer kein Verständnis dafür, wenn ihm dann gesagt wird: 'Ätsch. Bätsch. War nix. Du kriegst das Geld nicht.'"
    Die Branche sieht das anders. Denn wenn sie jetzt Bewertungsreserven ausschüttet, muss sie die Papiere zum aktuell hohen Kurs auch tatsächlich verkaufen. Dann fehlt aber in Zukunft der beständige Mittelzufluss aus den alten, noch hoch verzinslichen Anleihen. Die aktuelle Kundschaft und die neuen Kunden müssten mit Erträgen aus neu gekauften niedrigverzinslichen Anleihen abgespeist werden. Das, so Christoph Hardt vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft, finde die Branche ungerecht und falsch:
    "Fünf Prozent der Kunden scheiden in einer Sonderzeit mit aufgeblähten Bewertungsreserven aus. Und 95 Prozent bleiben drin. Die leiden. Und die fünf Prozent profitieren."
    Niedriger Leitzins macht sinnvolle Geldanlage schwierig
    Ähnlich sieht das auch Thorsten Wenzel, der für die DZ Bank die Versicherungsbranche analysiert. Er hält überdies mit der aktuellen Beteiligungspflicht an den Bewertungsreserven einzelne Anbieter für bedroht:
    "Es gibt immer noch eine sehr, sehr große Zahl Lebensversicherer in Deutschland, die sicherlich auch in unterschiedlich starker Position sind. Es ist sicherlich so, dass das niedrige Zinsniveau dazu führt, dass immer mehr Lebensversicherer in eine schwierige Position kommen. Und das verschlimmert sich, wenn die Bewertungsreserven auf Anleihen ausgezahlt werden müssen. Das ist sicher so."
    Die Bundesregierung will der Branche jedenfalls zu Hilfe kommen. Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Thomas Steffen, hatte zugesichert:
    "Ich bin sehr sicher, dass wir im ersten Quartal 2014 dazu Vorschläge vorlegen werden."
    Das Quartal geht langsam zu Ende. Das Finanzministerium arbeitet noch an seinen Vorschlägen. Viele Versicherte dürften sich nun erkundigen, wie hoch ihr Anteil an den Bewertungsreserven aktuell ist und wie hoch der mögliche Schlussüberschussanteil. Gut möglich, dass bei größeren Vertragsummen 10.000 Euro und mehr herauskommen, wenn jetzt der Anteil der Bewertungsreserven bevorzugt wird. Die Kehrseite: Wer die Lebensversicherungssumme auf dem Konto hat, muss dann selbst nach einer Geldanlage suchen. Und Durchschnittszinsen von immer noch rund vier Prozent, wie sie die Lebensversicherer zahlen, sind schwer zu erzielen.