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Genetische Kettenreaktion
Eine todsichere Methode gegen Mücken

Fremde Gene in Mücken oder andere Organismen einzuschleusen, ist heutzutage keine große Sache mehr. Das Ganze hat nur einen Haken: Nach ein paar Generationen sind die manipulierten Gene wieder aus der Mücken-Population verschwunden. Schuld daran ist die sexuelle Fortpflanzung und die Evolution. Nun gibt es eine Methode, mit der sich Gene in einer Art Kettenreaktion verbreiten lassen.

Von Michael Lange | 28.02.2016
    Eine Mücke der Gattung Anopheles Gambiae - eine der vielen Arten, die Malaria übertragen kann.
    Eine Mücke der Gattung Anopheles Gambiae - eine der vielen Arten, die Malaria übertragen kann. (picture alliance / dpa / NNS /Landov)
    Die Mücken der Gattung Anopheles sind nur deshalb die gefährlichsten Killer der Welt, weil sie mit ihren Stichen den Malaria-Erreger auf den Menschen übertragen. Eine Mücke, die dem Erreger keine Heimat böte, wäre ungefährlich.
    Neu ist die Idee nicht, die George Church an der Harvard Medical School in Boston verfolgt. Aber durch eine neue Gentechnik namens CRISPR-Cas sind die Erfolgschancen dramatisch gestiegen. Und so funktioniert es: In der Natur kommen beim Nachwuchs stets väterliche und mütterliche Gene zusammen. Unterscheiden sie sich, dann konkurrieren sie miteinander, weshalb die meisten Genmanipulationen im Laufe der Zeit wieder aus der Natur verschwinden. Nicht aber, wenn mit der gewünschten Genmanipulation das neue CRISPR-Werkzeug-Set gleich mitgeliefert wird. Es wird in die Keim-Zellen eingepflanzt. Trifft jetzt nach der Paarung ein wildes Gen auf ein manipuliertes, dann wird ein cut and paste Programm aktiv. Das wilde Gen wird zerstört. Das künstliche Gen gewinnt. Dieses Prinzip heißt Gene Drive oder Gen-Antrieb.
    "Es reicht, wenn Sie eine einzige Mücke mit CRISPR-Cas ausrüsten. Der Gen-Antrieb pflanzt sich fort, und zerstört unerwünschte Gene im gesamten Nachwuchs. Bei Mücken wären das schon in der ersten Generation Hunderte von Nachkommen, die den Erreger nicht mehr übertragen können. Und diese Veränderung verbreitet sich bei jeder sexuellen Fortpflanzung und erfasst extrem schnell die gesamte Population."
    Wie lange es dauern würde, bis Millionen oder Milliarden Mücken manipuliert sind, wissen die Forscher nicht. Bisher gibt es keine Erfahrungen im Freiland. In den Labors der Forscher hingegen nimmt die Arbeit mit der genetischen Kettenreaktion Fahrt auf. Erst Anfang 2015 gelang der Durchbruch in San Diego, als Forscher Albino-Fliegen erstmals mit dem Crispr-Gen Drive ausrüsteten. Noch im selben Jahr kamen Erfolgsmeldungen aus London, Boston und Kalifornien mit verschiedenen Mückenarten.
    Omar Akbari entwickelt an der Universität von Kalifornien in Riverside einen Gene Drive für die Gelbfieber- oder Tigermücke Aedes ägypti.
    Sein Plan: Die Mücken nicht nur gentechnisch verändern, sondern sie völlig ausrotten. Dazu müsste sich der Gen-Antrieb gegen Gene richten, die die Fruchtbarkeit der Mücken beeinträchtigen. Wenn die Zahl der Nachkommen sinkt, wäre die Population letztlich dem Untergang geweiht.
    "Wenn Sie eine große Zahl von Mücken mit dem Gene Drive ausrüsten und freilassen, dann verbreitet sich der Gene Drive von Generation zu Generation. Schnell ist die ganze Population betroffen – auch Mücken der gleichen Art, die aus der Nachbarschaft einwandern."
    Verbreitet wird der Gene Drive ausschließlich über die Fortpflanzung. Da sich Tiere nur innerhalb einer Art fortpflanzen, kann er nicht auf andere Arten überspringen, betont Omar Akbari.
    "Wenn Sie versuchen würden, alle Mücken der Welt zu vernichten, dann hätte das ernsthafte ökologische Folgen. Denn viele Fische, Vögel und Fledermäuse ernähren sich zu einem erheblichen Teil von Mücken. Aber im Moment sprechen wir über die Ausrottung einiger weniger Mückenarten, die als Überträger von Krankheitserregern für den Menschen gefährlich sind."
    Und um den Überträger von Gelbfieber, Dengue-Fieber oder Zika wäre es nicht schade, so Omar Akbari. In Südamerika sei die Art Aedes ägypti ohnehin nicht heimisch. Sie wurde vom Menschen eingeschleppt. Das Ökosystem dort käme ohne sie aus.