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Außerklinische Intensivpflege
Mehr Kontrolle, doch Sorge um die Selbstbestimmung

Im Jahr 2020 wurde das Gesetz zur außerklinischen Intensivpflege (IPREG) verabschiedet. Manche betrachten es als fortschrittlich – Betroffene fürchten mitunter hingegen, dass sie dadurch nicht mehr über ihr Leben bestimmen können.

Von Katrin Sanders | 15.12.2022
Eine Frau umarmt in einer sogenannten  Beatmungs-WG ihren pflegebedürftigen Mann
Ein Patient in einer sogenannten Beatmungs-WG. Menschen, die bislang zu Hause betreut und gepflegt worden sind, befürchten, dass das eigene Zuhause bald als ungeeignet eingestuft werden könnte. (picture alliance / dpa / Caroline Seidel)
Es gibt Streit um das neue Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz – kurz: IPREG. Dabei sollte es eigentlich im Januar an den Start gehen. Für die Befürworter verankert und garantiert das Gesetz erstmals das Recht auf Intensivpflege außerhalb einer Klinik - sei es in einem Heim, einer spezialisierten Pflege-Wohngemeinschaft oder im eigenen Zuhause. Bei den Betroffenen trifft das auf Zustimmung, aber das neue Gesetz löst auch Ängste aus: Sie befürchten, dass sie künftig nicht mehr selbst entscheiden können, wo sie weiterleben und versorgt werden – etwa im Falle einer schweren Behinderung oder nach einem Unfall mit gravierenden Folgen. So jedenfalls hat Angelika Friebel das Intensivpflegegesetz verstanden:

„Also ich habe das IPREG ganz anders verstanden, ich habe verstanden für mich, dass die Krankenkasse ein Instrument erhält, mit dem Gesetz zu sagen, es tut uns leid, lieber Betroffener, die Pflege zu Hause ist zu teuer. Wir haben kostengünstigere Heimplätze. Bitte, wir bezahlen nur noch den Heimplatz. Und dann steht man als betroffener Mensch da und hat keine andere Wahl, als ins Heim zu gehen. Also so drastisch sehe ich das.“
Aus Sicht der Gesetzlichen Krankenkassen dagegen ist das neue Gesetz ein Gewinn – zum Wohl von Patientinnen und Patienten. In einem sensiblen Bereich, werde die Qualität der Versorgung deutlich besser. Jürgen Brüggemann vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen Bund:

„Außerklinische Intensivpflege, das bedeutet, dass jemand einen sehr hohen, behandlungspflegerischen Bedarf hat. Also zum Beispiel geht es oft um Menschen, die beatmet werden, die selber Schleim nicht abhusten können, dann abgesaugt werden müssen. Und wenn das nicht passiert, entsteht eine lebensbedrohliche Situation. Und damit die vermieden wird, gibt es diese Leistung „außerklinische Intensivpflege“.

Intensivpflege zu Hause: durchschnittlich 25.000 Euro pro Person und Monat

Das neue IPREG-Gesetz betrifft etwa 22.000 Versicherte in Deutschland. Außerklinische Intensivpflege kann verordnet werden bei Wachkoma-Patienten, bei Querschnittlähmung nach schweren Unfällen, bei Epilepsie oder im Verlauf einer fortschreitenden Muskelerkrankung, die zum frühen Tod führt. In all diesen Fällen werden die Betroffenen künftig, so sagt es das neue Gesetz, ein bis zwei Mal im Jahr vom Medizinischen Dienst zu Hause aufgesucht. Mit ein Grund: Die Intensivpflege in den eigenen vier Wänden ist teuer, kostet durchschnittlich 25.000 Euro pro Person und Monat. Jürgen Brüggemann vom Medizinischen Dienst Bund versteht seinen Auftrag so: 

„Unsere Aufgabe ist es eben, auch dazu beizutragen, dass eine gute Versorgung stattfindet, aber eben auch nur da, wo sie notwendig ist. Denn die gesetzliche Krankenversicherung hat natürlich auch ihre Grenzen. Und es geht darum, zu gucken, ob die medizinischen Voraussetzungen für die Leistung, die ja auch sehr teuer ist, ob die vorliegen oder nicht vorliegen und zweitens, ob die Versorgung am Leistungsort gut ist oder ob man da gegebenenfalls etwas ändern muss.“
Darf dieser sogenannte „Leistungsort“ also das eigene Zuhause bleiben - oder werden die Kassen fortan auf eine Gruppenversorgung in einer kostengünstigeren Pflegeeinrichtung drängen? Das befürchten Betroffene, ihre Selbstorganisationen und Verbände, seitdem das neue Intensivpflegegesetz IPREG im Oktober 2020 verabschiedet wurde und seitdem Schritt für Schritt in die Praxis geführt wird. Formulierungen im ursprünglichen Gesetzesentwurf hatten zusätzlich die Befürchtung genährt, dass mit einer Verbesserung der Umstände, wenn die Pflege zu Hause nicht gut ist, vor allem eins gemeint ist: Umzug und Weiterleben in einem Heim oder einer Beatmungs-WG.

Man muss ihn begleiten. Man ist eigentlich 100 Prozent beansprucht, man möchte dem Kind ein ordentliches Leben ermöglichen. Es ist schon schlimm genug alles. Man hat viele, viele Hürden zu bewältigen und man leidet darunter. Und dann noch das IPREG. Das sind große Ängste bei mir.

Mutter eines an Muskeldystrophie erkrankten 19-Jährigen
Ein Besuch bei David Friebel in Berlin HellersdorfEr ist 19, hat einen Schulabschluss auf dem Gymnasium gemacht, im Anschluss daran eine Berufsausbildung. Aktueller Wunsch: Führerschein. So gesehen, alles normal für einen 19-Jährigen. Aber David ist an Duchenne erkrankt. Wegen der fortschreitenden Muskelerkrankung kommt er im Rollstuhl zum Gespräch in das Wohnzimmer seiner Mutter. Und weil er nur mit Mühe sprechen kann, lässt er sie erzählen:

„Beim Aufstehen, Anziehen, Körperpflege, Essen zubereiten. Man muss ihn begleiten. Man ist eigentlich 100 Prozent beansprucht, man möchte dem Kind ein ordentliches Leben ermöglichen. Es ist schon schlimm genug alles. Man hat viele, viele Hürden zu bewältigen und man leidet darunter. Und dann noch das IPREG. Das sind große Ängste bei mir.“

Noch lebt der Sohn von Angelika Friebel in der eigenen Wohnung, im zweiten Stock des Elternhauses. Die schweren Jahre seiner Erkrankung stehen der Familie noch bevor. In den kommenden zehn Jahren wird er mehr und mehr auf Intensivpflege und möglicherweise auf künstliche Beatmung angewiesen sein. Dann wird das neue Gesetz auch für ihn gelten. Und die Familie fragt sich: Wie wird der medizinische Dienst die Lebensumstände im zweiten Stock des Hauses beurteilen? 

„Es kann kommen, dass mein Sohn ins Heim muss. Und das finde ich einfach nicht schön, weil ich weiß, er würde sich da nicht wohlfühlen. Und wir hier in der Familie tun alles, damit er hier alleine selbstbestimmt in seiner eigenen Wohnung leben kann. Wir machen Abstriche für ihn. Wir kämpfen für ihn und es soll so bleiben, dass er glücklich sein kann. Selbstbestimmt.“

Verbände protestieren für mehr Selbstbestimmung

Für dieses Recht, selbst den Kurs für das eigene Leben zu bestimmen, hatte sich die Mutter dem Protest anderer Verbände in Berlin angeschlossen. Gemeinsam starteten sie eine Petition, trugen das Problem in die Öffentlichkeit und erreichten Verbesserungen. Im neuen Gesetzestext heißt es jetzt: „Berechtigten Wünschen der Versicherten ist zu entsprechen“. Und auch das eigene Zuhause wurde als möglicher Ort für die Versorgung nachträglich mit aufgenommen. Dafür hatte Angelika Friebel mitten in Berlin tagelang mit anderen gezeltet und Unterschriften gesammelt: 
„Das Gesetz kann jeden betreffen. Und wir haben versucht, das in die Öffentlichkeit zu tragen. Also wir haben uns einmal vor die Friedrichstraße gestellt und einmal vor die CDU-Parteizentrale - war ja damals Gesundheitsminister Herr Spahn, aus einer anderen Ursache heraus, eigentlich aus dem Pflegebetrug heraus.“

Die Anfänge des IPREG

Rückblick: Jens Spahn (CDU) hatte 2020 für die Schaffung eines IPREG-Intensivpflegegesetzes argumentiert, damit die Intensivpflege außerhalb von Krankenhäusern endlich geregelt wird. Und: Um den Missständen bei der Abrechnung von Pflegeleistungen entgegenzuwirken. Manipulierte Abrechnungen von Pflegeleistungen kosten die Versichertengemeinschaft enorme Summen. Allein die Kaufmännische Krankenkasse Hannover unterhält eine Betrugsabteilung, die jährlich Abrechnungsbetrug in Millionenhöhe aufdeckt – vor allem im Bereich der ambulanten Altenpflege. Die AOK Nordwest hatte für einen Zeitraum von zwei Jahren 3,8 Millionen Euro zurückfordern können. Der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nennt Beispiele:

„Wir haben es erlebt, dass Pflegedienste Pflegefachkräfte abgerechnet haben, in Rechnung gestellt haben – es geht hier teilweise um 20.000, 25.000 Euro im Monat für die Intensivpflege – und Hilfskräfte oder zu wenig Personal eingesetzt haben. Wir haben es erlebt, dass im dritten Stock einer Altbauwohnung, ohne dass irgendjemand davon wusste, fünf Wachkomapatienten, Beatmungspatienten, die gar keine Chance hatten, sich zu wehren, in einer kleinen Wohnung unter sehr schwierigen Umständen gepflegt worden sind und es gar keine Kontrolle, an keiner Stelle gegeben hat.“
Das könnte sich mit dem Intensivpflegegesetz IPREG ändern. Denn nun muss regelmäßig vor Ort kontrolliert werden, ob die Versorgung gut ist und ob beispielsweise Fachkräfte mit der jetzt vorgeschriebenen Qualifikation auch wirklich eingesetzt wurden.

Doch ob sich damit Betrug und Manipulation effektiv verhindern lassen? Von Seiten der Krankenkassen gibt es dazu kein einheitliches Meinungsbild. Die AOK im Bund sagt: Man wolle das abwarten und später einschätzen. Auch der Verband der Ersatzkassen vdek ist zurückhaltend, erwartet jedoch mehr Transparenz. Stefan Wilderotter, Leiter des Referats Pflege beim vdek:

„Von den abgeschlossenen Fällen zu Fehlverhalten im Gesundheitswesen ist schon so, dass ein Viertel der Fälle auf den Bereich der Pflegeversicherung und der häuslichen Krankenpflege entfallen. Da haben wir sehr, sehr viele gute dabei, befriedigende und es gibt wenige Ausnahmen, die das System für sich mit krimineller Energie ausnutzen. Und wenn Verdachtsmomente vorliegen, diese Abrechnungsmanipulation, Fehlverhalten im Gesundheitswesen, dann lassen die Regelungen praktisch zu, dass hier die Daten einfacher untereinander abgeglichen werden können.“

Doch es gibt Hürden, die noch nicht genommen wurden. Noch steht die Liste derer nicht, die künftig die besondere Pflegeleistung am Markt erbringen dürfen. Und auch die Ärztinnen und Ärzte, die künftig die außerklinische Intensivpflege verordnen können, haben sich bislang noch nicht für diese Aufgabe akkreditiert. Die Verhandlungen darüber, zu welchem Preis, welche Leistungen künftig abgerechnet werden können, sind im ersten Anlauf gescheitert. Zurzeit wird also noch verhandelt. Stefan Wilderotter rechnet aber damit, dass bis März 2023 klar ist, wer künftig die Intensivpflege anbieten darf und zu welchen Bedingungen:

„Das sehen wir auch als einen wesentlichen Vorteil, dass eben jetzt diese Leistungserbringer der außerklinischen Intensivpflege zukünftig über eine Veröffentlichung nach außen hin bekannt gemacht werden. Es ist eine Transparenz und eine Versorgungssicherheit ist dann schon besser gewährleistet als vorher. Und wenn das eben auch einheitlich und gemeinsam verhandelt wird, werden Kassen auch nicht mehr untereinander ausgespielt, so nach dem Motto: Bei denen bekomme ich aber den Satz und wenn ihr das nicht zahlt, dann steht der Versicherte mit dem Bett auf der Straße.“

Das neue Gesetz soll mehr Patienten von künstlicher Beatmung entwöhnen

Unter die neuen vertraglichen Regelungen fällt ein weiterer Bereich, um den gestritten wird: die Beatmung. Sie ist besonders wichtig in der außerklinischen Intensivpflege und besonders kostspielig. Laut neuem Intensivpflegegesetz muss fortan mit jeder Verordnung – also zwei Mal im Jahr – immer auch der Versuch unternommen werden, die Patienten von der künstlichen Beatmung zu entwöhnen. Jens Spahn hatte das 2020 im Bundestag so begründet:

„Experten sagen uns, dass bis zu zwei Drittel der beatmeten Patienten in Deutschland eigentlich entwöhnt werden könnten von dieser Beatmung. Zwei Drittel! Sie werden aber nicht entwöhnt wegen organisatorischer, struktureller Probleme in den Abläufen und wegen falscher finanzieller Anreize.“

„Also ich kann mir jetzt beim besten Willen nicht vorstellen, wie diese Zahl validiert worden ist“, sagt dazu Michael Sokoll. Er ist Geschäftsführer des ambulanten Intensivpflegedienstes „Die Vitalisten“ in Gelsenkirchen.

Dann müsste ich ja ins Krankenhaus. Das ist für mich schon mal ein Horror. Weil ich kann nur den Kopf bewegen und im Krankenhaus bin ich komplett hilflos. Dann wird mir das Atemgerät abgemacht und gesagt: So jetzt probiere mal, selber zu atmen. Das ist Stress für den Körper und für die Psyche: Absolute Horrorvorstellung!

langjährig beatmete Patientin
So wie er bezweifeln auch weitere Fachleute aus dem Bereich Pflege, dass zwei von drei beatmeten Patienten entwöhnt werden könnten, wenn man es denn gezielt versuchen würde. Michael Sokoll schätzt das sogenannte „Weaning“-Potential weitaus geringer ein.

„Aus unserer Perspektive würde ich sagen: Bei acht Prozent kann ich mir das vorstellen. Allerdings, wir müssen vorher ins Krankenhaus reinschauen und müssen gucken, was wir als Pflegedienst gar nicht sehen. Was ist denn da passiert? Oder was hätte denn da passieren können, auf dem Weg dahin, dass sie erst gar nicht in die Situation kommen. Vielleicht sind da zwei, drei Schritte passiert. Bei acht Prozent unserer Klienten hätte ich mir das durchaus vorstellen können. Wir haben es auch geschafft, an einigen Stellen, dass wir die Klienten ins Weaning gebracht haben.“

Von künstlicher Beatmung wegzukommen - für viele langjährig beatmete Patienten stellt die sogenannte „Potentialanalyse“ ein Problem dar - bedeute vor allem Stress, so eine Patientin, die seit vielen Jahren beatmet wird.

„Dann müsste ich ja ins Krankenhaus. Das ist für mich schon mal ein Horror. Weil ich kann nur den Kopf bewegen und im Krankenhaus bin ich komplett hilflos. Dann wird mir das Atemgerät abgemacht und gesagt: So jetzt probiere mal, selber zu atmen. Das ist Stress für den Körper und für die Psyche: Absolute Horrorvorstellung!“

Jenseits der Angst vor einem Abstellen des Atemgeräts hat das neue Intensivpflegegesetz bei Betroffenen erhebliche Unruhe ausgelöst. Das bestätigt auch Michael Sokoll, der Pflegeanbieter aus Gelsenkirchen:

„Die Klienten zittern, weil die tatsächlich Angst haben, wie dieses Gesetz dann von den Kostenträgern auch von dem medizinischen Dienst ausgestaltet wird. Dass jemand nach Hause kommt, sich das anguckt und sagt: Sie dürfen oder Sie dürfen nicht, weil sie haben ja möglicherweise keinen zweiten Fluchtweg oder so was. Also das kann kommen, dass sie sagen, die Brandgefahr ist jetzt so hoch, das geht ja gar nicht.“
Mehr Kontrolle und am Ende weniger Selbstbestimmung? Jürgen Brüggemann vom Medizinischen Dienst Bund würde diese Befürchtungen gerne ausräumen. Ein zu kleines Bad oder ein fehlender Fluchtweg werde nicht das Problem sein. Und grundsätzlich sei vorgesehen, dass man Lösungen miteinander vereinbart, sollte die Versorgung zu Hause nicht optimal laufen:

„Die Versicherten können nach wie vor wählen, an welchem Ort sie versorgt werden. Das heißt, kein Versicherter, kein Mensch mit einem außerklinischen Intensivpflegebedarf muss jetzt Angst haben, dass er zukünftig nicht mehr da versorgt werden kann, wo er möchte. Das heißt: Man muss die Vorgaben pragmatisch und praktikabel gestalten. Und das tun wir.“

Betroffene beruhigt das nicht.

„Aber: Krankenkassen stürmen schon voraus und verschicken Briefe, dass ab dem 1.1.23 nur noch zum Beispiel diese ausgebildeten Pflegekräfte sein müssen. Also ich hab auch einen Brief gekriegt, dass die Potentialerhebung gemacht werden muss und, und, und... Was macht man damit?“

Das berichtet Maria-Cristina Hallwachs in einem Telefoninterview. Telefonieren, nachhaken, hartnäckig sein, das kann die 48-Jährige. Computer und Telefon bedient sie selbstständig mit einem Mundstab. Ihr Vater – ein Zahnarzt – hat ihn aus einer Stricknadel mit Halteschiene für sie gebaut. Trotz der hohen Querschnittlähmung kann sie auf diese Weise kommunizieren und arbeiten. Ein elektrischer Impuls auf den Zwerchfellnerv löst bei ihr regelmäßig den Atemreflex aus. Seit 30 Jahren lebt sie so in einer eigenen Wohnung.

„Ich hatte direkt nach meinem Abitur einen Badeunfall. Bin mit dem Kopfsprung in ein Nichtschwimmerbecken gesprungen und hab bei dem klassischen Badeunfall den Nacken gebrochen. Hatte das Glück, dass mein Vater mich sofort aus dem Wasser gezogen hat und sofort bemerkt hat, dass da was nicht stimmte und mich beatmet hat.“

Rund um die Uhr sind seitdem Intensivpflegekräfte an ihrer Seite. Das neue Gesetz werde sie unmittelbar betreffen und nicht alles sei schlecht an den neuen Regeln zur außerklinischen Intensivpflege, sagt Maria-Cristina Hallwachs. Dass künftig Bedingungen gestellt werden an die Spezialisierung der Pflegekräfte, die das Atemgerät überwachen, den Luftröhrenschnitt pflegen und sich in ihrem Fall außerdem mit Querschnittlähmung auskennen müssen, das ist für sie stimmig.

„Ja! Und das finde ich natürlich prinzipiell toll. Das Problem daran ist nur, dass man ja jetzt schon keine Pflegekräfte mehr bekommt. Also in der Außenklinik noch schwieriger als im Krankenhaus. Und was bringt mir das, wenn ich die tollste ausgebildete Pflegekraft bezahlt bekomme, wenn ich diese nicht finde.“

Das Fehlen von Fachkräften heizt die Sorgen an

Die Sorge, den Fachkräftemangel ausbaden zu müssen, teilen viele: Keine verfügbaren Fachkräfte – und damit also keine häusliche Intensivpflege? Ein solches Szenario befürchten nicht wenige, die auf die Leistung angewiesen sind. Das zeigt eine Befragung von 700 Menschen im Intensivpflegebereich aus dem Jahr 2022. Das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP) hatte sie nach ihren Vorstellungen gefragt. Sie wünschen sich, sichere, fachliche Pflege – aber allem voran Teilhabe und ein eigenes Leben. „Wir haben oft eine falsche Vorstellung von der Selbständigkeit dieser Menschen“, fasst Michael Isfort, Professor für Pflegewissenschaft an der Katholischen Hochschule NRW, das wichtigste Ergebnis seiner Studie zusammen:

„Da sind viele darunter, die sagen: Ich möchte arbeiten gehen. Wir haben ein Mädchen, die steht jetzt vor dem Abitur. Da ist jemand dabei, der promoviert gerade in Mathematik an der Universität, also diese Vorstellung in der Gesellschaft da draußen ist eine völlig falsche. Da gibt es natürlich Menschen im Wachkoma, aber es gibt eben auch die sehr aktiven Leute, die durchaus auch berufsfähig sind und ich muss dazu aber eben ein Beatmungsgerät haben, aber ansonsten kann ich ein Schwerstbehinderten Leben führen, aber doch auch ein gutes Leben.“

Auch Maria-Cristina Hallwachs bestimmt vieles selbst in ihrem Leben. Sie ist als Coach tätig, ständige Vertreterin der Menschen mit Beatmung in der Gesellschaft für außerklinische Beatmung digab, und sie berät außerdem bei der Fördergemeinschaft Querschnittgelähmter andere Betroffene. Es könne jeden treffen, sagt sie:

„Ganz in der Anfangszeit habe ich immer gedacht: Mensch, wenn’s nur jemand gäbe, der in der gleichen Situation ist wie ich, und mir mal erzählen würde, wie das gehen könnte. Und das war der Schlüsselmoment für mich zu sagen, okay, dann mache ich das jetzt. Ich geh auch ganz oft einfach in Krankenhäuser zu Menschen, die einen Unfall hatten und jetzt in der Akutphase sind. Einfach um zu zeigen, guck mal, man kann so leben. Es geht weiter.“

Das Kostenargument aber steht im Raum und das gesetzliche Angebot, vom eigenen Zuhause in ein spezialisiertes Heim zu wechseln. Vielleicht könnte das gehen: Wenn das WG-Leben zu einem passt. Wenn es die spezialisierten Einrichtungen in der benötigten Zahl gäbe. Vielleicht ginge es auch, wenn es nicht das Recht auf Selbstbestimmung nach der UN-Konvention für die Menschen mit Behinderung gäbe. Michael Sokoll vom Vitalisten-Pflegedienst in Gelsenkirchen:

„Die Klienten, die wir versorgen, haben ein hohes Interesse daran, möglichst in ihrer eigenen Häuslichkeit auch in ihrem bisherigen sozialen System einfach weiterzuleben. Viele von denen sind eigentlich gar nicht mehr mobil, so dass der überwiegende Alltag tatsächlich in den eigenen vier Wänden gestaltet wird. Aber dieser absolute Wunsch, trotz dieser Einschränkung - wir sprechen davon „im Leben ist etwas kaputtgegangen“ - trotzdem so viel wie möglich heile zu halten, der zieht einen überwiegenden Teil der selbst entscheidenden Klienten doch in die eigene Häuslichkeit. Da möchten sie gerne bleiben, so lange, wie es geht.“

Es sind Menschen, die sich auf das verlassen, was im Koalitionsvertrag der jetzigen Regierung steht: Dass die Umsetzung des Intensivpflegegesetzes IPREG in den nächsten zwei Jahren überprüft werden soll, und dass nachgebessert wird, wenn sich die Befürchtungen bestätigen und das Kostenargument tatsächlich zu Lasten der Selbstbestimmung geht.