Mittwoch, 24. April 2024

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Gespräche zu Atomabkommen mit Iran
Lambsdorff: Beide Seiten haben Interesse an Fortschritten

Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff bewertet die Wiederbelebung der Gespräche über das Atomabkommen mit dem Iran als ein erstes positives Zeichen. Zwar sei die Lage zwischen den USA und Iran kompliziert und angespannt, doch beide Seiten hätten ein Interesse daran, Fortschritte zu machen.

Alexander Graf Lambsdorff im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 07.04.2021
Alexander Graf Lambsdorff (FDP) im Deutschen Bundestag in Berlin.
Alexander Graf Lambsdorff (FDP) im Deutschen Bundestag in Berlin. (picture alliance/Flashpic/Jens Krick)
In Wien beraten die verbleibenden Vertragspartner über eine Wiederbelebung des internationalen Atomabkommens mit dem Iran. Dazu gehören neben dem Iran Russland, China, Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Diplomaten aus den USA wurden in separaten Gesprächen in die Beratungen einbezogen. Die EU tritt als Vermittlerin auf. Nach den ersten Gesprächen zeichnet sich Bewegung ab. Nachdem die USA eine Aufhebung von Sanktionen in Aussicht gestellt hatten, begrüßte ein Vertreter Teherans dies als "realistisch und vielversprechend". Laut den übereinstimmenden Einschätzungen Russlands und der USA wird es aber noch längere Zeit dauern, bis eine Einigung erzielt werden kann.

Schwierige Ausgangslage

Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff begrüßte im Dlf die ersten Schritte. Die Gespräche seien ein erstes positives Zeichen. Es werde aber wahnsinnig schwierig, "die unterschiedlichen Interessen übereinander zu bringen". Durch die Zeit mit Donald Trump im Weißen Haus sei die Lage kompliziert und verworren.
Der Iran habe in den vergangenen zwei Jahren einiges an Verhandlungsmasse aufgebaut: Ohne Aufsicht der Inspektoren sei Uran angereichert worden und das Land habe inzwischen auch eine völlig neue Generation von Zentrifugen in Betrieb genommen. Die wirtschaftliche und soziale Realität des Iran sei allerdings miserabel, sagte Lambsdorff. Das schwäche die Position des Iran in den Verhandlungen stark.
"Insofern treffen sich hier zwei Seiten, die beide ein Interesse daran haben, Fortschritt zu machen." Der FDP-Politiker hofft deshalb auf einen diplomatischen Prozess, der wirklich Fortschritte bringt, "einerseits für eine leidende Bevölkerung im Iran, und andererseits für die Sicherheit in der Region." Mit Blick auf die angespannte Lage zu Israel müsse man versuchen, die aggressive Politik des Iran einzudämmen. Graf Lambsdorff sieht Deutschland dehalb bei den diplomatischen Verhandlungen in einer prominenten Rolle, da auch die Sicherheit Israels ein wichtiger Teil deutscher Außenpolitik sei."
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Das vollständige Interview im Wortlaut:

Tobias Armbrüster: Herr Graf Lambsdorff, bekommt das Atomabkommen jetzt ein zweites Leben?
Alexander Graf Lambsdorff: Das wäre sehr zu hoffen, die Gespräche sind ein erstes positives Zeichen, aber es wird wahnsinnig schwierig, die unterschiedlichen Interessen da übereinander zu bringen. Das war ja schon beim ersten Mal so kompliziert, hat Jahre gedauert, und jetzt geht es darum, dass man die Amerikaner zurück ins Abkommen holt, die Iraner dazu bewegt, wieder die Bestimmungen des Abkommens einzuhalten – und gleichzeitig, das ist ganz wichtig, eine Perspektive aufmacht, mit der auch andere Fragen in der Region geregelt werden können, insbesondere was das Raketenprogramm des Iran angeht und seine sehr aggressive Außenpolitik in der Region, die insbesondere Israel bedroht. Es ist, mit anderen Worten, ein riesiges Wollknäuel, das insbesondere durch die Zeit mit Donald Trump im Weißen Haus noch viel komplizierter und verworrener geworden ist.
Armbrüster: Aber hat sich nicht gerade in den letzten Jahren gezeigt, dass sich vor allem die Rolle des Iran noch einmal deutlich gewandelt hat, dass dieses Land sehr viel aggressiver auftritt und ja auch sich über einige Beschränkungen aus dem Atomabkommen längst hinweggesetzt hat? Ist dieses Land überhaupt noch … Kann man mit diesem Land überhaupt noch auf Augenhöhe verhandeln, lässt sich das verantworten?
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Lambsdorff: Das ist eine Frage, die manche mit Recht stellen, die sagen, mit dem Iran zu verhandeln ist ohnehin vollkommen sinnlos, das Land wird seine Politik verfolgen, ganz egal, was sozusagen beschlossen und verabredet wird. Aber da zeigt die Erfahrung etwas anderes. Es ist eigentlich zu den Brüchen des Abkommens erst gekommen seitens des Iran, nachdem die USA unter Donald Trump aus dem Abkommen ausgestiegen waren. Und jetzt hat der Iran in den letzten zwei Jahren, wenn man so will, durch diese Brüche Verhandlungsmasse aufgebaut, hat Uran angereichert, hat die Inspektoren nicht in die Anlagen gelassen, hat eine völlig neue Generation von Zentrifugen in Betrieb genommen und so weiter.
Und die Verhandlungen jetzt in Wien drehen sich darum, diese Schritte auch rückgängig zu machen. Und ich glaube, das beantwortet eigentlich die Frage, wie kann man verhindern, dass der Iran sich nuklear bewaffnet. Es gibt da zwei Möglichkeiten, die eine sind Verhandlungen auf diplomatischem Wege, sind Inspektionen der Internationalen Atomenergieorganisation. Der andere Weg ist eine kriegerische Auseinandersetzung, Israel stand schon öfter bereit, militärisch einzugreifen. Wir erinnern uns alle, es hat einmal eine große Cyberattacke gegeben, Stuxnet, auf das iranische Nuklearprogramm, es hat auch Bombardierungen von Reaktoren in der Region gegeben, in Syrien beispielsweise 2007. Mit anderen Worten: Mir ist der diplomatische Weg, um das Ganze abzuschließen, eindeutig lieber als eine militärische Eskalation.

"Wirtschaftliche, soziale Realität des Iran ist wirklich ganz miserabel"

Armbrüster: Fest steht aber auch, die USA sind aus dem Abkommen ausgetreten, wollen jetzt wieder zurück. Heißt das automatisch, dass die USA und damit auch die westlichen Verbündeten eigentlich in der schwächeren Verhandlungsposition sind?
Lambsdorff: Das könnte man so sehen, wenn man nur auf den Verhandlungstisch schaut, aber man muss ja auch in die Realität der betroffenen Nationen schauen. Und die wirtschaftliche, soziale Realität des Iran ist wirklich ganz miserabel. Die Wirtschaftsentwicklung ist desaströs, die Lage der Bevölkerung ist teilweise verzweifelt. Man kann keine Medikamente beschaffen, man kann kaum Treibstoff beschaffen, man kann keine Produkte beschaffen, mit denen man die im Land existierenden Maschinen am Laufen hält. Mit anderen Worten, im Iran die Lage so verzweifelt – durch die sehr harten Wirtschafts- und Finanzsanktionen, durch die Blockade von Milliardenbeträgen, die dem Iran durch Ölgeschäfte eigentlich zustünden, die aber in Banken festgehalten werden –, dass auch der Iran eine schwache Position hat. Insofern treffen sich hier zwei Seiten, die beide ein Interesse daran haben, Fortschritte zu machen. Und das ist die Hoffnung hier, das könnte ein diplomatischer Prozess sein, der wirkliche Fortschritte bringt, einerseits für eine leidende Bevölkerung im Iran und andererseits für die Sicherheit in der Region.
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Armbrüster: Ist das denn jetzt tatsächlich der richtige Zeitpunkt, wenn wir uns die ganzen Spannungen im Nahen Osten ansehen, die ganzen Konflikte, in denen auch der Iran selbst mitmischt, ist das jetzt der richtige Zeitpunkt, um den Iran sozusagen diplomatisch zu belohnen?
Lambsdorff: Ich glaube, der Zeitpunkt ist nicht verkehrt. Die Biden-Administration hat vor sechs Wochen signalisiert, dass man bereit ist, wieder mit Teheran zu reden, das hatte ja die Trump-Administration kategorisch abgelehnt. Das hat ja die Situation noch weiter verschärft und erst so kompliziert gemacht, zumal auch Wahlen im Iran stattfinden. Bei aller Kritik am Iran, ist es noch ein Land, in dem Wahlen immerhin stattfinden, keine demokratischen Wahlen, wie wir sie kennen, aber immerhin. Und es findet auch innenpolitisch eine Weichenstellung im Iran statt, wo der Präsident Rohani diese Bemühungen um ein Abkommen unterstützt, aber unklar ist, wer ab Juni dort wirklich entscheidend einwirken kann. Seine Gegner im Iran sagen, die Amerikaner müssen sofort alle Sanktionen fallenlassen, sonst reden wir gar nicht erst mit den Amerikanern. Das können natürlich Joe Biden und seine Administration nicht. Mit anderen Worten: Ja, der Zeitpunkt ist in Ordnung jetzt, zumal, das darf man auch nicht vergessen, Experten sagen, dass, wenn der Iran sich wirklich anstrengen würde, er nur drei Monate brauchen würde, um eine Atombombe zu produzieren. Und genau das will man ja verhindern.

"Bundesregierung sollte Teil des Team Europa sein"

Armbrüster: Was sagen Sie jetzt, wie sollte sich die deutsche Bundesregierung, die sitzt ja als Teilnehmer bei den Verhandlungen immer durchaus mit am Tisch, auch als Mitverhandler beim Atomabkommen, wie sollte sich die Bundesregierung hier verhalten?
Lambsdorff: Ich glaube, die Bundesregierung sollte sich so verhalten wie in der Vergangenheit auch, Teil des Teams Europa sein. Das letzte Abkommen ist ja maßgeblich von der deutschen Diplomatin Helga Schmid, aber in ihrer Eigenschaft als Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes verhandelt worden. Und genau dieses Team Europa sollte Deutschland unterstützen, gemeinsam mit Engländern und Franzosen und auch mit Russen und Chinesen dafür sorgen, dass der Iran sich bewegt, das ist das eine. Das andere ist, ich glaube, dass manche der Schwächen des JCPOA, also des bisherigen Atomabkommens, adressiert werden müssen, das heißt, es muss eine Rückkehr zum bisherigen Abkommen geben auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite auch eine verbindliche Verpflichtung des Iran, Verhandlungen zu beginnen über die Außenpolitik in der Region und über sein Raketenprogramm.
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Armbrüster: Wird sich der Iran da tatsächlich reinreden lassen, was dieses Land – abgesehen vom Atomabkommen – noch außenpolitisch im Nahen Osten tut und lässt?
Lambsdorff: Das bleibt abzuwarten, aber ich glaube, dass gerade die deutsche Außenpolitik, die ja die Sicherheit Israels auch immer im Blick haben muss, hier ein ganz besonders Interesse hat und eine ganz besondere Rolle spielen muss. Vergessen wir nicht die Hisbollah im Süden des Libanon, die sich jetzt auch in Syrien an die israelische Grenze herangearbeitet hat, iranische Revolutionsgardisten, die dort Stellungen aufgebaut haben, der Islamische Dschihad aus dem Gazastreifen. Beides sind Gruppen, die vom Iran gesponsert werden und Israel regelmäßig mit Raketen beschießen. Wir müssen diesen Versuch machen, diese wirklich brutal aggressive Politik einzudämmen. Ich mache mir überhaupt keine Illusionen, das sollte auch niemand tun, über den Charakter der Regierung in Teheran. Aber dass man versuchen kann, bestimmte Prozesse einzudämmen, aufzuhalten, zurückzudrehen, das ist das, worum es in der Diplomatie geht. Und bei dem Versuch sollte Deutschland ganz besonders eine prominente Rolle spielen.

"Durch das Verhalten der Trump-Administration sind die USA zur Zeit isoliert"

Armbrüster: Sie haben ja selber einige Erfahrungen gesammelt in diesem Bereich der Diplomatie. Können Sie uns vielleicht kurz erklären, wie solche Gespräche eigentlich ablaufen? Wir haben gehört, dass das Gespräche waren, bei denen sich explizit keine diplomatischen Vertreter beider Länder getroffen haben und dass sie wohl auch nicht selbst zusammengekommen sind in einem Raum. Können Sie uns kurz erklären, wie dann solche Verhandlungen eigentlich laufen? Oder kann man das überhaupt Verhandlungen nennen?
Lambsdorff: Das kann man durchaus Verhandlungen nennen. Wenn wir es technisch betrachten, dann handelte es sich bei den Verhandlungen um ein Treffen des gemeinsamen Ausschusses des gemeinsamen Aktionsplans. In diesem gemeinsamen Ausschuss sind die USA nach ihrem Austritt kein Mitglied mehr, und der Iran hat ganz klar verweigert, den Amerikanern da Zugang zu gewähren. Das heißt, dort treffen sich iranische Diplomaten mit den E3, also Deutschland, Frankreich, England plus Europäische Union und China und Russland. Man redet dort über mögliche Zugeständnisse der iranischen Seite, die Iraner artikulieren ihre Wünsche insbesondere – jetzt wird es dann interessant – an die amerikanische Seite, was das Sanktionsregime angeht. Und dann trifft man sich ohne die Iraner mit den Amerikanern und berichtet dort, was die iranische Seite will.
Was ich nicht weiß, was aber möglich ist, was es auch schon gegeben hat, ist, dass man solche Gespräche überträgt aus dem einen Raum in den, in dem die Amerikaner alleine sitzen. Denn durch das Verhalten der Trump-Administration sind die USA da zur Zeit isoliert. Das sind die beiden Möglichkeiten, die es da gibt. Solche indirekten Gespräche sind nicht total unüblich, das hat es schon mal gegeben, beispielsweise in Dayton bei der Beendigung der Balkankriege. Da wurde auch in verschiedenen Räumen miteinander gesprochen, wir kennen das auch zwischen Nord- und Südkorea. Das sind Formate, die sind erprobt, die sind umständlich, die sind schwierig, aber die haben etwas mit der Frage von Gesichtsverlust und politischem Kapital zu tun, das keine Seite hier ohne Not aufgeben will.
Armbrüster: Wie schätzen Sie das ein, wie lange wird es dauern, bis sich Vertreter beider Seiten wieder gemeinsam in ein Zimmer setzen?
Lambsdorff: Ich will hoffen, dass es etwas schneller geht als beim letzten Mal. Beim letzten Mal haben ja alleine die Vorbereitungen viele Jahre, acht oder zehn Jahre, gedauert. Das ist .. Wir haben jetzt eine Situation, wo wir gar nicht so viel Zeit haben, weil es ja sogenannte Sonnenuntergangs-Klauseln gibt, das heißt, einzelne Bestimmungen des Abkommens laufen auch aus. Ich will hoffen, dass es in den nächsten Wochen gelingt, hier eine grundsätzliche Einigung auf einen Fahrplan hinzubekommen, Geste für Geste, Maßnahme für Maßnahme, Erleichterung für Erleichterung für sozusagen iranisches Entgegenkommen, Schritt für Schritt beispielsweise die Inspektoren der IAEO wieder zuzulassen, sodass man irgendwann an dem Punkt ist, wo alle gemeinsam in einem Raum miteinander reden können, um wirklich die Grundlinien zu vereinbaren. Diese Grundlinien, das habe ich eben gesagt, aus Sicht meiner Fraktion, der Freien Demokraten, müssten eben einschließen die regionale Dimension und auch das Raketenprogramm.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.