Sie wollen Professor an einer bayerischen Uni werden, sind aber nicht katholisch? Dann könnte es schwierig werden, zumindest an 21 Lehrstühlen verschiedener Hochschulen im gesamten Freistaat. So war es zumindest bislang, denn obwohl der Staat die Professoren komplett bezahlt, haben die bayerischen Bischöfe bei den Berufungen auf diese Lehrstühle für Soziologie, Politikwissenschaften oder Philosophie ein Mitspracherecht. Das wollen sie künftig nicht mehr in Anspruch nehmen, erklärt ihr Pressesprecher Bernhard Kellner:
"Die bayerischen Bischöfe haben auf ihrer Vollversammlung in Waldsassen beschlossen, dass sie auf die Ausübung eines Vetorechts verzichten wollen, weil sie es nicht mehr für zeitgemäß halten."
Tatsächlich geht die Regelung auf einen fast 90 Jahre alten Vertrag zurück: Das sogenannte Konkordat zwischen Bayern und dem Heiligen Stuhl – geschlossen im Jahr 1924 – sieht vor, dass verschiedene nichttheologische Lehrstühle nur mit kirchlichem Segen besetzt werden dürfen. Diese Lehrstühle hatten damals ihren Schwerpunkt in der Ausbildung angehender Lehrer, um die sich die Kirche Anfang des 20. Jahrhunderts kümmerte. In den 1960er-Jahren kamen weitere Konkordats-Lehrstühle hinzu, um den in anderen Bereichen zurückgehenden Einfluss der Kirche auszugleichen. Die Lehramtsstudenten sollten auch künftig christlich geprägt werden, nur eben ohne Vetorecht bei den Lehrstühlen, sagt Bischofssprecher Kellner:
"Die Prägung der Lehrer mit christlichen Werten ist nach wie vor unser Ziel. Das sieht ja auch die bayerische Verfassung vor. Aber man wird dann andere Instrumente wählen und drüber reden müssen, wie man das in guter Weise anders tut."
Die offizielle Mitsprache der Kirche wird also bald Geschichte sein. Denjenigen, die für eine strikte Trennung von Staat und Kirche sind, geht der freiwillige Verzicht der Bischöfe aber nicht weit genug. Ulla Wessels, Professorin für Philosophie an der Uni Saarbrücken, hat zusammen mit einem anderen Hochschullehrer Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Sie war mit ihrer Bewerbung für einen der Konkordats-Lehrstühle an der Uni Erlangen-Nürnberg gescheitert:
"Ich habe zu meiner Konfession in der Bewerbung keine Angabe gemacht. Ich habe allerdings ein Schriftenverzeichnis eingereicht, aus dem hervorging, dass meine Dissertation sich mit dem Problem der Abtreibung beschäftigt. Und der Kurzcharakterisierung konnte die Berufungskommission entnehmen, dass ich den katholisch-kirchlichen Standpunkt sicher nicht vertrete."
Wessels ist außerdem in der religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung aktiv. Sie will erreichen, dass Karlsruhe die Konkordats-Lehrstühle für verfassungswidrig erklärt:
"Niemand darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit, aus seinem Bekenntnis oder Weltanschauung ein Nachteil erwachsen. Und in dem vorliegenden Fall erwächst den Kandidaten ein Nachteil daraus, dass sie eben ein bestimmtes Bekenntnis nicht haben."
Bisher hat Karlsruhe noch nicht entschieden, ob es die Beschwerde zulässt. Ulla Wessels hält diese aufrecht – dass die bayerischen Bischöfe freiwillig auf ihr Vetorecht verzichten, reicht der Philosophie-Professorin nicht. Zumal es in Freiburg und Mainz je zwei Lehrstühle für Geschichte und Philosophie gibt, bei deren Besetzung die Kirche weiterhin mitreden will. Rechtsanwalt Rainer Roth, der Wessels und ihren Kollegen vertritt, fordert Rechtssicherheit:
"Dieser Verzicht hat keine Rechtsnormqualität. Es ist durchaus denkbar, dass man wieder zu anderen Entscheidungen kommt. Deshalb wäre der juristisch korrekte Weg, die Konkordatslehrstühle aus dem bayerischen Konkordat herauszunehmen. Dann würde eine Erledigung der Verfassungsbeschwerden eintreten."
Auch die rot-grüne Opposition im bayerischen Landtag würde das Vetorecht der Bischöfe bei der Besetzung von Lehrstühlen am liebsten aus dem Konkordatsvertrag streichen lassen – mit Unterschrift von Ministerpräsident und Papst. Das FDP-geführte Wissenschaftsministerium hingegen hält den freiwilligen Verzicht für ausreichend, sagt Sprecher Rafael Freckmann:
"Wir vertrauen auf das Wort der katholischen Kirche. Wir warten jetzt noch auf ein Schreiben, wo uns bestätigt wird, dass diese Ergebnisse auch mit Rom abgesprochen sind, und dann ist das für uns so ausreichend. Ein Gesetzgebungsverfahren hätte den Nachteil, dass es sich über einen langen Zeitraum hinziehen würde. Der Vorteil der jetzigen Situation ist, dass wir es sofort umsetzen können."
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"Die bayerischen Bischöfe haben auf ihrer Vollversammlung in Waldsassen beschlossen, dass sie auf die Ausübung eines Vetorechts verzichten wollen, weil sie es nicht mehr für zeitgemäß halten."
Tatsächlich geht die Regelung auf einen fast 90 Jahre alten Vertrag zurück: Das sogenannte Konkordat zwischen Bayern und dem Heiligen Stuhl – geschlossen im Jahr 1924 – sieht vor, dass verschiedene nichttheologische Lehrstühle nur mit kirchlichem Segen besetzt werden dürfen. Diese Lehrstühle hatten damals ihren Schwerpunkt in der Ausbildung angehender Lehrer, um die sich die Kirche Anfang des 20. Jahrhunderts kümmerte. In den 1960er-Jahren kamen weitere Konkordats-Lehrstühle hinzu, um den in anderen Bereichen zurückgehenden Einfluss der Kirche auszugleichen. Die Lehramtsstudenten sollten auch künftig christlich geprägt werden, nur eben ohne Vetorecht bei den Lehrstühlen, sagt Bischofssprecher Kellner:
"Die Prägung der Lehrer mit christlichen Werten ist nach wie vor unser Ziel. Das sieht ja auch die bayerische Verfassung vor. Aber man wird dann andere Instrumente wählen und drüber reden müssen, wie man das in guter Weise anders tut."
Die offizielle Mitsprache der Kirche wird also bald Geschichte sein. Denjenigen, die für eine strikte Trennung von Staat und Kirche sind, geht der freiwillige Verzicht der Bischöfe aber nicht weit genug. Ulla Wessels, Professorin für Philosophie an der Uni Saarbrücken, hat zusammen mit einem anderen Hochschullehrer Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Sie war mit ihrer Bewerbung für einen der Konkordats-Lehrstühle an der Uni Erlangen-Nürnberg gescheitert:
"Ich habe zu meiner Konfession in der Bewerbung keine Angabe gemacht. Ich habe allerdings ein Schriftenverzeichnis eingereicht, aus dem hervorging, dass meine Dissertation sich mit dem Problem der Abtreibung beschäftigt. Und der Kurzcharakterisierung konnte die Berufungskommission entnehmen, dass ich den katholisch-kirchlichen Standpunkt sicher nicht vertrete."
Wessels ist außerdem in der religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung aktiv. Sie will erreichen, dass Karlsruhe die Konkordats-Lehrstühle für verfassungswidrig erklärt:
"Niemand darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit, aus seinem Bekenntnis oder Weltanschauung ein Nachteil erwachsen. Und in dem vorliegenden Fall erwächst den Kandidaten ein Nachteil daraus, dass sie eben ein bestimmtes Bekenntnis nicht haben."
Bisher hat Karlsruhe noch nicht entschieden, ob es die Beschwerde zulässt. Ulla Wessels hält diese aufrecht – dass die bayerischen Bischöfe freiwillig auf ihr Vetorecht verzichten, reicht der Philosophie-Professorin nicht. Zumal es in Freiburg und Mainz je zwei Lehrstühle für Geschichte und Philosophie gibt, bei deren Besetzung die Kirche weiterhin mitreden will. Rechtsanwalt Rainer Roth, der Wessels und ihren Kollegen vertritt, fordert Rechtssicherheit:
"Dieser Verzicht hat keine Rechtsnormqualität. Es ist durchaus denkbar, dass man wieder zu anderen Entscheidungen kommt. Deshalb wäre der juristisch korrekte Weg, die Konkordatslehrstühle aus dem bayerischen Konkordat herauszunehmen. Dann würde eine Erledigung der Verfassungsbeschwerden eintreten."
Auch die rot-grüne Opposition im bayerischen Landtag würde das Vetorecht der Bischöfe bei der Besetzung von Lehrstühlen am liebsten aus dem Konkordatsvertrag streichen lassen – mit Unterschrift von Ministerpräsident und Papst. Das FDP-geführte Wissenschaftsministerium hingegen hält den freiwilligen Verzicht für ausreichend, sagt Sprecher Rafael Freckmann:
"Wir vertrauen auf das Wort der katholischen Kirche. Wir warten jetzt noch auf ein Schreiben, wo uns bestätigt wird, dass diese Ergebnisse auch mit Rom abgesprochen sind, und dann ist das für uns so ausreichend. Ein Gesetzgebungsverfahren hätte den Nachteil, dass es sich über einen langen Zeitraum hinziehen würde. Der Vorteil der jetzigen Situation ist, dass wir es sofort umsetzen können."
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